piwik no script img

Ohne Bahn und Boulevard

Nach der Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße bleibt Kritik an Ausbauplänen auf der Elbinsel

Wie es hier weitergehen soll, ist unklar: Viadukt beim Wilhelmsburger Bürgerhaus Foto: Miguel Ferraz

Von Darijana Hahn

Seit Anfang Oktober wird Wilhelmsburg von einer Nord-Süd-Schneise weniger durchschnitten. Nach Jahrzehnten der Planung und nach Jahren der kontrovers begleiteten Umsetzung ist die Wilhelmsburger Reichsstraße nun als B 75 an die rund 400 Meter weiter westlich gelegene Bahntrasse verlegt worden.

Was mit der ausgedienten Reichsstraße geschehen und wo sie für Wohnungsbau Platz machen soll, darüber gehen bis heute die Meinungen trotz zahlreicher Planungswerkstätten mit verschiedensten Bürgerbeteiligungsformaten auseinander

Für Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt ist klar, dass sich hier eine „großartige Chance“ eröffnet hat. Sowohl für das Wohnungsangebot in der Stadt als auch für die städtebauliche Entwicklung Wilhelmsburgs. So sollen nach den Plänen der städtischen Entwicklungsgesellschaft IBA Hamburg GmbH nicht nur 5.400 neue Wohnungen in drei Quartieren entstehen. Wilhelmsburg-Ost und -West wachsen zum ersten Mal überhaupt zusammen.

Schon mit dem Bau des Wilhelmsburger Rathauses im Jahr 1903 sollte das Zusammenwachsen gefördert werden. 120 Jahre später wird das Rathaus nun zum Mittelpunkt des Rathausviertels mit 1.600 Wohnungen werden, das das neue „Herz des Stadtteils“ zwischen Inselpark, Rathaus und Bürgerhaus sein soll.

Die markante Viadukt-Unterführung unter der Wilhelmsburger Reichsstraße in der Nähe des Bürgerhauses soll als Landmarke und Erinnerung an die 70 Jahre alte Straße stehen bleiben. Dass ansonsten der Rest der vier Kilometer langen Straße zeitnah abgebaut werden wird, stößt im Stadtteil auf Kritik. Michael Rothschuh vom Verein Zukunft Elbinsel bedauert, dass die IBA-eigene Idee vom „Boulevard statt Bauwerk“ nicht weiter verfolgt wurde.

Dass die neuen Quartiere mit 5.400 geplanten Wohnungen gebaut werden, ohne dass im Vorfeld die Verkehrsanbindung Wilhelmsburgs verbessert worden wäre, findet Rothschuh ein Unding. Immerhin werde die chronisch überfüllte S-Bahn ihren Takt erhöhen, sagt Karin Pein von der IBA Hamburg GmbH.

Pein betont, dass in den neuen Quartieren großer Wert auf ein Rad- und Fußwegnetz gelegt werden soll. Die von der IBA geplanten „neuen, lebendigen Nachbarschaften“ sollen durch eine grüne Achse zwischen dem Rathausviertel im Süden über das Elbinselquartier bis in den Spreehafen im Norden verbunden werden.

Dass für das 20 Hektar große Spreehafenquartier mit seinen 1.100 Wohnungen ein in den letzten 50 Jahren urwüchsig gewachsener Wald weichen soll, hat unter anderem zu der Baumbesetzung Anfang September geführt, während die Gruppe „Waldretter“ ein Fest am Wald veranstaltet hatte.

Zwei Bürgerbegehren sind in in diesem Zusammenhang noch geplant. So will Rothschuh ein Bürgerbegehren zum Erhalt der Wilhelmsburger Reichsstraße als Fahrradweg einreichen und die Waldretter eins zum Planungsstopp des Spreehafenquartiers.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen