piwik no script img

Aldi statt Luxus

In Kreuzberg protestierten rund150 Menschen vor der Markthalle 9

Von Peter Nowak

„Wir können nicht mehr weit laufen. Wir können nicht mehr schwer tragen “, heißt es auf dem Schild von Monika Zint. „Gerade wir Älteren sind auf eine Grundversorgung in unserer unmittelbaren Nachbarschaft angewiesen“, erzählt die Kreuzberger Seniorin, die mit rund 150 Menschen am Samstagnachmittag vor der Markthalle 9 in der Eisenbahnstraße protestierte.

Sie alle befürchten, dass dort Menschen mit niedrigen Einkommen bald nicht mehr einkaufen können. „Kiezmarkthalle statt Luxus-Food-Halle“, steht auch auf einem Transparent. Der aktuelle Protest entzündete sich an der ungewissen Perspektive des Aldi-Ladens in der Markthalle. Der Mietvertrag soll in den nächsten Wochen auslaufen. Die Betreiber der Markthalle wollen dort einen dm-Drogeriemarkt etablieren. Dabei machten die Protestierenden klar, dass sie keinen Bestandsschutz für den Aldi fordern. Es gehe ihnen um die Sicherheit der Grundversorgung auch für NachbarInnen mit geringen Einkommen.

Die kommerzielle Ausrichtung der Halle steht schon länger in der Kritik der AnwohnerInnen. 2011 hatten die derzeitigen Betreiber die Halle für 1,1 Millionen Euro vom Land Berlin gekauft. Der Preis habe erheblich unter dem Marktwerk gelegen, erklärte Susanne Schneider von der Initiative Kiezmarkthalle, die die Proteste organisiert. „Verbunden mit der massiven Subvention waren inhaltliche Vorgaben, etwa einen kleinteiligen Lebensmittelmarkt mit Ausrichtung auf die Nachbarschaft zu verwirklichen. Diese Auflagen wurden von den BetreiberInnen der Halle aber nie umgesetzt“, kritisiert Schneider. Auf der Demo klagen viele oft langjährige AnwohnerInnen über teure Gastronomie und auf TouristInnen ausgerichtete Events in der Markthalle. Von den BetreiberInnen war jedoch niemand anwesend.

Normale Nachbarschaft

Florian Niedermeier, einer der drei Markthallenbetreiber, hat sich aber kürzlich im ARD-„Mittagsmagazin“ zu Wort gemeldet. „Gerade mittags sieht man das. Da kommen viele Leute aus umliegenden Betrieben zum Mittagessen, die sprechen Englisch. Daher stammt der Verdacht, dass die Halle immer touristischer werde. In meiner Wahrnehmung sind das keine Touristen, sondern Leute aus aller Welt, die jetzt hier leben und arbeiten. Das sind Kreuzberger, Nachbarn“, erklärte Niedermeier.

Doch mehrere KundgebungsteilnehmerInnen betonen, dass es nicht um einen Konflikt um TouristInnen oder um NachbarInnen geht, die früher oder später in die Gegend gezogen sind. In der Kritik stehen auch die Kreuzberger Grünen. Der Bürgermeisterin Monika Herrmann wird vorgeworfen, sich nicht für den Verbleib von Aldi einzusetzen.

Bei einer Spontanumfrage outete sich die Mehrheit der ProtestteilnehmerInnen als KundInnen der Markthalle. Sollte der Aldi verschwinden, wollen viele nicht mehr dort einkaufen. Unterstützung bekamen die KritikerInnen von PolitikerInnen der SPD und der Linken. Einen Redebeitrag hielt auch eine Vertreterin der Gruppe Ora Nostra, in der sich Kleingewerbetreibende und EinzelhändlerInnen in Kreuzberg gegen Verdrängung wehren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen