Alleine streiken ist wie alleine essen

Noch bis zum 27. September wird in weltweit mehr als 2.000 Städten protestiert. Die taz stellt neun Streikende vor

Atlas Sarrafoğlu, Istanbul, Türkei, 12In der Türkei gibt es viele Klimatote – Kinder und Erwachsene. Zum Beispiel Berrivan, eine 13-jährige Saisonarbeiterin, die im Januar bei einem Tornado ums Leben kam. Seit März rede ich über die Klimakrise in der Türkei. Aber auch international: In Lausanne sprach ich beim Smile-for-Future-Klimagipfel. Gerade steigt die Anzahl der Streikenden in der Türkei. Wir sollten alles tun, um diese Krise zu stoppen.

Dayamis Torino Véliz, Lima, Peru, 19In Peru gibt es viele Umweltprobleme: In Lima haben drei Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Für Schüler:innen ist es sehr schwierig, jeden Freitag zu fehlen. Mit meiner Organisation Canto Vivo Ecologist Movement streiken wir allerdings. Wir treffen uns an einem öffentlichen Ort (zum Beispiel einer Plaza) und ziehen durch die Straßen. Oft werden wir von der Polizei blockiert.

Neun von fast acht Mil­liar­den potenziell Streikenden am 20. September auszuwählen, ist nicht einfach. Wen wollen wir befragen? Warum diese? Klar war schnell, dass Aktivist:innen auf allen Kontinenten zu Wort kommen sollten.

Aber wie kommt man an diese ran? Gut, dass Fridays for Future gut organisiert und vernetzt ist. Auf der Homepage der Bewegung gibt es eine Karte, auf der Tag für Tag mehr Punkte ­erschienen, die anzeigten, wo gestreikt wird. Namibia, Vanuatu, Estland: Die taz verschickte Mails in 44 Länder.

Um nicht nur Orga­ni­sa­tor:innen zu porträtieren, fragten wir nach Mitstreikenden. Manchmal fragten wir auch explizit nach nichtmännlichen Demonstrierenden. Denn die Bewegung ist divers und wir wollten keine „Jungs-fürs-Klima-taz“, nur weil die sich schneller meldeten.

Gunnhildur Fríða Hallgrímsdóttir, Reykjavík, Island, 19Neulich erlebte ich die Beerdigung des ersten Gletschers, den Island wegen des Klimawandels verlor. Ich möchte so etwas nie wieder erleben. Ich streike, weil ich finde, Unternehmen müssten Verantwortung zeigen – und uns nicht sagen, wir müssten mehr Fahrrad fahren und Mandelmilch trinken. Die Regierung sollte uns ernster nehmen, statt auf Firmen zu hören, die Verluste fürchten.

Marcus Coste-Pascuta, Pavia, Italien, 18Mein Interesse für den Klimawandel begann 2014, als in Pavia und Umgebung der Schnee nachließ. In Rumänien, wo ich geboren bin, ist vor allem die illegale Entwaldung ein Problem. Man kann auf Google Maps sehen, wie der Wald verschwindet. 2016 gab es einen Tornado. Das hat mir bewusst gemacht, wie dringlich die Situation ist. Ich wusste: Ich muss etwas tun. Jetzt bin ich Klimaaktivist.

Achtzehn Organ­isato­r:in­nen antworteten. Rita Nuahn war die erste: Ihr Lebensort in Liberia steht die Hälfte des Jahres meist unter Wasser. Sie erlebt den Klimawandel wortwörtlich vor der eigenen Haustür und kann deshalb manchmal nicht zur Schule. Andere Ak­ti­vist:innen antworteten später, aber mit Elan: Gabriel-Jerom aus Rumänien schrieb seine Mails vom Fahrrad aus.

Myagmarsuren Gansukh, Ulan-Bator, Mongolei, 16Unsere erste Demonstration im April verspätete sich, weil wir keine Genehmigung bekamen. Kindern ist es nicht erlaubt, Demonstrationen zu organisieren. Meine Familie und meine Eltern waren dagegen, dass ich etwas tue. Auch Lehrer:innen meinten, ich könne nichts bewegen. In der Mongolei dachten viele: Nett, ein warmer Winter. Aber: Zwischen 1940 und 2005 schmolz das Eis auf dem Berg Altai um zwischen 30 und 40 Prozent.

Rita Nuahn, Paynesville, Liberia, 18Es ist nicht so einfach für uns in Liberia, zu streiken. Ich hoffe trotzdem, unsere Regierung übernimmt mehr Verantwortung, um Lösungen für den Klimawandel zu finden. Unsere Region ist oft überschwemmt. 2017 und 2018 gab es schwere Hochwasser. Straßen, Schulen, Marktplätze und Krankenhäuser wurden überflutet. Deshalb konnte ich im Oktober 2017 für fünf Tage und im Oktober 2018 für fast zwei Wochen nicht zur Schule.

Wissensstand, Lebensumstände und Alter – all das unterscheidet die Porträtierten. Eines haben sie gemeinsam: Sie gehen in der Klima-Aktionswoche vom 20. bis zum 27. September auf die Straße, um Druck auszuüben auf die Politik. Nicole Opitz

Takuro Kajiwara, Tokio, Japan, 18In Japan gibt es wenig junge Leute, die sich um Klima­gerechtigkeit sorgen. Ich denke, der Grund dafür ist erstens die fehlende Berichterstattung in der Presse, zweitens interessieren sich viele nicht für soziale Fragen. Aber in Japan gibt es viele Zeichen des Klimawandels. Es gibt plötzlichen Starkregen und unerwartete Taifune. Zu viele Banken investieren weiter in Kohle und andere nichtnachhaltige Projekte.