Noch bis zum 27. September wird in weltweit mehr als 2.000 Städten protestiert. Die taz stellt neun Streikende vor
Neun von fast acht Milliarden potenziell Streikenden am 20. September auszuwählen, ist nicht einfach. Wen wollen wir befragen? Warum diese? Klar war schnell, dass Aktivist:innen auf allen Kontinenten zu Wort kommen sollten.
Fatma Darghouth, Ariana, Tunesien, 11Die Menschen in Gafsa leiden unter den Phosphatfabriken, sie erkranken an Asthma oder Lungenkrebs. Meine Klassenkamerad:innen und ich sind uns der Umweltprobleme sehr bewusst. In der Stadt Sfax ist die Küste verschmutzt, weil die Menschen sich unverantwortlich verhalten, viele Fische sterben jeden Tag – ein alarmierendes Zeichen für die Zukunft unseres Planeten.
Aber wie kommt man an diese ran? Gut, dass Fridays for Future gut organisiert und vernetzt ist. Auf der Homepage der Bewegung gibt es eine Karte, auf der Tag für Tag mehr Punkte erschienen, die anzeigten, wo gestreikt wird. Namibia, Vanuatu, Estland: Die taz verschickte Mails in 44 Länder.
Gabriel-Jerom Nicoara, Bukarest, Rumänien, 23Die Jahreszeiten werden immer verrückter. Wir hatten plötzlich sehr raue Winter und sehr heiße Sommer. Seit Kurzem gibt es hier Tornados. Ich streike, weil Bäume und das Leben in den Wäldern für mich sehr wichtig sind. Jedes Jahr verlieren wir bis zu 20 Millionen Kubikmeter Holz, und es wird illegal gewildert. Meine Kollegin Diana Negoita startete den Streik im März. Kurz danach kam ich dazu.
Um nicht nur Organisator:innen zu porträtieren, fragten wir nach Mitstreikenden. Manchmal fragten wir auch explizit nach nichtmännlichen Demonstrierenden. Denn die Bewegung ist divers und wir wollten keine „Jungs-fürs-Klima-taz“, nur weil die sich schneller meldeten.
Gunnhildur Fríða Hallgrímsdóttir, Reykjavík, Island, 19Neulich erlebte ich die Beerdigung des ersten Gletschers, den Island wegen des Klimawandels verlor. Ich möchte so etwas nie wieder erleben. Ich streike, weil ich finde, Unternehmen müssten Verantwortung zeigen – und uns nicht sagen, wir müssten mehr Fahrrad fahren und Mandelmilch trinken. Die Regierung sollte uns ernster nehmen, statt auf Firmen zu hören, die Verluste fürchten.
Marcus Coste-Pascuta, Pavia, Italien, 18Mein Interesse für den Klimawandel begann 2014, als in Pavia und Umgebung der Schnee nachließ. In Rumänien, wo ich geboren bin, ist vor allem die illegale Entwaldung ein Problem. Man kann auf Google Maps sehen, wie der Wald verschwindet. 2016 gab es einen Tornado. Das hat mir bewusst gemacht, wie dringlich die Situation ist. Ich wusste: Ich muss etwas tun. Jetzt bin ich Klimaaktivist.
Achtzehn Organisator:innen antworteten. Rita Nuahn war die erste: Ihr Lebensort in Liberia steht die Hälfte des Jahres meist unter Wasser. Sie erlebt den Klimawandel wortwörtlich vor der eigenen Haustür und kann deshalb manchmal nicht zur Schule. Andere Aktivist:innen antworteten später, aber mit Elan: Gabriel-Jerom aus Rumänien schrieb seine Mails vom Fahrrad aus.
Myagmarsuren Gansukh, Ulan-Bator, Mongolei, 16Unsere erste Demonstration im April verspätete sich, weil wir keine Genehmigung bekamen. Kindern ist es nicht erlaubt, Demonstrationen zu organisieren. Meine Familie und meine Eltern waren dagegen, dass ich etwas tue. Auch Lehrer:innen meinten, ich könne nichts bewegen. In der Mongolei dachten viele: Nett, ein warmer Winter. Aber: Zwischen 1940 und 2005 schmolz das Eis auf dem Berg Altai um zwischen 30 und 40 Prozent.
Rita Nuahn, Paynesville, Liberia, 18Es ist nicht so einfach für uns in Liberia, zu streiken. Ich hoffe trotzdem, unsere Regierung übernimmt mehr Verantwortung, um Lösungen für den Klimawandel zu finden. Unsere Region ist oft überschwemmt. 2017 und 2018 gab es schwere Hochwasser. Straßen, Schulen, Marktplätze und Krankenhäuser wurden überflutet. Deshalb konnte ich im Oktober 2017 für fünf Tage und im Oktober 2018 für fast zwei Wochen nicht zur Schule.
Wissensstand, Lebensumstände und Alter – all das unterscheidet die Porträtierten. Eines haben sie gemeinsam: Sie gehen in der Klima-Aktionswoche vom 20. bis zum 27. September auf die Straße, um Druck auszuüben auf die Politik. Nicole Opitz
Takuro Kajiwara, Tokio, Japan, 18In Japan gibt es wenig junge Leute, die sich um Klimagerechtigkeit sorgen. Ich denke, der Grund dafür ist erstens die fehlende Berichterstattung in der Presse, zweitens interessieren sich viele nicht für soziale Fragen. Aber in Japan gibt es viele Zeichen des Klimawandels. Es gibt plötzlichen Starkregen und unerwartete Taifune. Zu viele Banken investieren weiter in Kohle und andere nichtnachhaltige Projekte.
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