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Mehr Vielfalt geht nicht

Trotz aller sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme, überzeugt der faire Handel in Peru nicht nur mit Masse, sondern auch durch Klasse – bis hin zum Tourismus

Von Frank Herrmann

Lamas, Anden, Machu Picchu: Das fällt den meisten Menschen als Erstes bei „Peru“ ein. Doch der flächenmäßig drittgrößte Staat in Südamerika hat mehr zu bieten: Peru besitzt – nach Brasilien, der Demokratischen Republik Kongo und Indonesien – den weltweit viertgrößten Bestand an tropischem Regenwald. Dadurch gehört Peru zu den weltweit 17 Ländern mit der höchsten Artenvielfalt.

Megadivers ist Peru aber nicht nur bei Tieren und Pflanzen, sondern auch bei fair produzierten Waren: Die Produzenten-Datenbank des Fairtrade-Zertifizierers FLO-Cert listet unter „Peru“ 321 Einträge. Ein absoluter Topwert, nur knapp überboten von Indien, das 44-mal so viele Einwohner hat. Die Nase vorn hat der Kaffee: Peru exportiert nicht nur große Mengen fairen Kaffees, sondern ist auch der weltweite größte Produzent von Biokaffee.

Außer den anderen Fair-Klassikern Kakao und Bananen reicht das Angebot von Ingwer über Kurkuma und Chiasamen bis hin zu Mangos, Avocados und Maracuja. Aber auch Paranüsse, Quinoa, grüner Spargel, Artischocken oder Zucker werden fair produziert. Selbst Fairmined- und Fairtrade-zertifiziertes Gold hat Peru im Angebot. Und nur im peruanischen Hochland produzieren Genossenschaften aus seltenen einheimischen Kartoffelsorten Chips für den Fairen Handel. Die blauen und roten Kartoffeln werden in der eigenen Fabrik bei Huancayo veredelt, exportiert sowie im Land verkauft.

Auch bei Kunsthandwerk hat Peru so einiges zu bieten: Besonders beliebt sind Textilien aus Alpakawolle. Auch die 14 Unternehmen, die Mitglied bei der World Fairtrade Organisation (WFTO) sind, haben sich auf Pullover, Jacken, Mützen, Handschuhe und mehr aus Alpakahaar spezialisiert. Ein ganz besonderes Projekt hat die Wiener Modedesignerin Bawi Koszednar-Masuda begonnen, die das Modelabel Anzüglich organic & fair betreibt. Hergestellt wird ihre zertifizierte Frauenmode von der kleinen Schneidermanufaktur ANPI (Baumwolle auf Quechua) mit Sitz im Touristenzentrum Cusco. Das Besondere: Bei ANPI stellen etwa 20 Frauen, darunter vier Gehörlose, fair produzierte Kleidung aus peruanischer Biobaumwolle für den europäischen Markt her.

Unweit von Cusco, im Heiligen Tal der Inka, schreiben Quechua-Frauen aus den Dörfern bei Ollantaytambo ihre eigene Erfolgsstory: Die Vereinigung Awamaki („handgemacht“ auf Quechua) vermarktet nicht nur lokale Textilien und Kunsthandwerk, sondern bietet neben geführten Trekkingtouren auch Kurse zur traditionellen Zubereitung von Speisen sowie zum Färben und Weben von Textilien an. Für sein Engagement wurde Awamaki 2019 mit dem To Do Award, einem internationalen Wettbewerb für sozial verantwortlichen Tourismus ausgezeichnet.

Preise für herausragende Qualität konnte auch das kleine deutsche Unternehmen Perú Puro einheimsen, nur rund drei Autostunden von Ollantaytambo entfernt. Es unterstützt Kleinbauern bei der Produktion von fair gehandeltem Biokakao. Und im Norden Perus, nahe der Großstadt Trujillo, hat ein weiteres faires Projekt großen Erfolg: Mit Hilfe der Organisation FairMail haben Hunderte peruanische Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien kostenlosen Fotografieunterricht erhalten. Ihre Fotos verkaufen sie als Postkarten in Europa. 60 Prozent des Gewinns gehen an die Fotografen.

Bei aller Freude über die wachsende Zahl fairer und ökologischer Projekte in Peru, darf man die allgemeine wirtschaftliche, politische und soziale Realität des Landes nicht vergessen: Die Wachstumsraten der vergangenen Jahre beruhen auf der Ausbeutung von Rohstoffen und dem Ausverkauf des Landes an ausländische Investoren, vorwiegend im Bergbau. In Peru liegen einige der größten Kupfer- und Goldminen der Erde. Sie sind verantwortlich für Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen.

Im peruanischen Teil des Regenwalds Amazonas verseuchen zum einen informelle Goldsucher ganze Flusssysteme mit Quecksilber, zum anderen fallen dort auch Jahr für Jahr Hunderttausende Hektar Regenwald den Motorsägen und absichtlichen Waldbränden zum Opfer. Auf der von Global Forest Watch geführten Liste der Länder mit der höchsten Verlustrate an tropischem Regenwald lag Peru 2018 mit 140.185 Hektar an siebter Stelle.

Während sich in den Großstädten an der Küste eine Mittelschicht herausgebildet hat, ist die Armut auf dem Land weiter groß. Auch wenn die Einkommensunterschiede in der Gesellschaft geringer geworden sind, verdienen Landarbeiterinnen und -arbeiter auf dem Land nur 10 Euro pro Tag. Die Politik zeigt wenig Interesse, dies zu ändern. Im Gegenteil: Alle Präsidenten der vergangenen Jahrzehnte sind wegen Korruptionsverdacht angeklagt, sitzen deswegen bereits im Gefängnis oder haben – wie zuletzt im Fall des ehemaligen Präsidenten Alan Garcia – Selbstmord begangen. Ein wenig mehr Fairness kann das Land daher gerade richtig gut gebrauchen.

Frank Herrmann ist Autor des Buches „Fair einkaufen – aber wie?“, siehe Seite 5 unten.

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