: Fressen bringen und gefressen werden
Lieferant*innen organisieren sich gegen die Kannibalisierung in ihrer Branche
Von Peter Nowak
Jung, flexibel und schlecht bezahlt – diesen Ruf haben Arbeitsverhältnisse bei Lieferdienstem. Demgegenüber nimmt die Zahl der Fahrer*innen zu, die sich gewerkschaftlich organisieren und für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen eintreten. Am Donnerstag hatte die Gewerkschaft Nahrung, Genussmittel, Gaststätten (NGG) zu einem „Riders Day“ in ein Hotel in Berlin-Mitte geladen. Dort standen natürlich auch die Kannibalisierungsprozesse in der Branche auf der Tagesordnung. Zuletzt hatte sich der Lieferdienst Deliveroo vom deutschen Markt zurückgezogen, wodurch etwa 1.000 Arbeitsplätze wegfielen.
Für Keno Böhme von der NGG hat der Abschied des Lieferdienstes auch positive Auswirkungen. Er hat früher selber für verschiedene Lieferdienste gearbeitet und kümmert sich mittlerweile hauptamtlich bei der NGG um die gewerkschaftliche Organisation bei Lieferdiensten. „Unserer Meinung nach hängt der Rückzug damit zusammen, dass das Modell der Scheinselbstständigkeit der Fahrer*innen nicht funktioniert hat“, sagt Böhme. „Die sogenannten Rider waren bei Deliveroo solo-selbstständig tätig. Sollte es Überlegungen beim deutlich größeren Konkurrenten Lieferando gegeben haben, dieses Modell auszuprobieren, dürfte sich das hiermit erledigt haben.“
Zentraler Diskussionspunkt des Riders Day waren auch die Arbeitsbedingungen für die ehemaligen Foodora-Beschäftigten, nachdem der Konzern von Lieferando geschluckt wurde. Die Gewerkschafter*innen wollen durchsetzen, dass die Betriebsratsstruktur erhalten bleibt und die Dauer der Beschäftigungsverhältnisse auch für den neuen Arbeitgeber angerechnet wird. Davon hängt schließlich ab, ob die Fahrer*innen erneut zwei Jahre befristet beschäftigt werden. Eine Festanstellung stehe ihnen erst nach zwei Jahren zu“, betont der NGG-Sekretär Christoph Schink. Nach Redaktionsschluss sollte vor der Lieferando-Zentrale in Berlin eine Kundgebung beginnen. Nicht diskutiert wurden auf dem Riders Day die Idee einiger Kurierfahrer*innen nach dem Deliveroo-Rückzug, eine eigene selbstverwaltete Genossenschaft zu gründen.
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