Antirassistische Fußballfans: Wer das Kicken liebt, hat Macht

Der DFB-Pokal verrät viel über die „eigenen Gesetze“ des Fußballs. Und die wiederum zeigen, wie schön das Leben sein kann.

Fans halten Plakate mit dem Namen von Tönnies hoch.

Wem die Rote Karte gilt, ist gleich draufgeschrieben: Platzverweis für Clemens Tönnies! Foto: dpa

Das Studium der eigenen Gesetze eines jeden Fußballpokalwettbewerbs hat an diesem Wochenende neues Material erhalten. Beim sportlich nicht ganz so überraschenden 5:0-Sieg über den SV Drochtersen-Assel wurden im Fanblock des FC Schalke 04 Rote Karten hochgehalten. Die Aussschlussforderung galt dem teilzeitgesperrten Klubboss Clemens Tönnies und dem der Unfähigkeit überführten Vereins­ehrenrat.

Nun mangelt es ja dem Fußball wahrlich nicht an Metaphern, um auch mal etwas Politisches mitzuteilen. Da wird ein „grobes Foul“ des Gegners beklagt, der sich damit ins „Abseits“ gestellt hat – ganz stimmig müssen diese Sprachbilder ja nicht sein. Der Sozialdemokrat Franz Müntefering bestritt seine ganze Karriere mit einem politischen Sprachschatz, der zu gefühlt siebzig Prozent aus Fußballmetaphern bestand.

Doch was die Schalker Fans tun, ist gerade kein albernes Überstülpen fußballerischer Begriffe auf die Politik. Ihnen geht es nur um den Fußball und wie er sein muss, damit sie ihn weiter lieben können: ganz wesentlich antirassistisch nämlich. Ein Sport für alle und nicht der Fußball der Tönnies und wie die in anderen Klubs so heißen.

Während die Schalker im DFB-Pokal zeigen können, was ihnen nicht passt, konnten die Fans des 1. FC Kaiserslautern beim 2:0 über Mainz zeigen, dass es sie noch gibt – trotz der ganzen Misswirtschaft. Drittligist Würzburger Kickers konnte bei der Elfmeterschießen-Niederlage gegen Hoffenheim beweisen, dass es zu Recht ein Profiklub ist. Und ältere Freunde des Fußballsports dürften sich gefreut haben zu erfahren, dass es den KSV Baunatal (2:3 verloren gegen Bochum) und den KFC Uerdingen (0:2 verloren gegen Dortmund) noch gibt.

Es geht immer um Teilhabe: in der Liga, in der Gesellschaft, überall

Das gemeinsame Gesetz dieser Beispiele, ja des gesamten Wettbewerbs lautet: Im Fußball dürfen und sollen alle dabei sein. Die Schalker Fans genauso wie die Baunataler Spieler, der dem Verwittern preisgegebene Betzenberg genauso wie die im Gedächtnis für immer existierende Grotenburg-Kampfbahn – auch wenn der KFC längst woanders spielt.

Teilhabe also. Das Recht, nicht rausgedrängt zu werden, ist für den Sport eh essenziell, aber um ganz nach oben, in die Bundesliga, zu gelangen, dauert es manchmal Jahre und Jahrzehnte. Das berühmte „eigene Gesetz“ des Pokals lautet: Hier geht es schneller, hier kommt der Sport leichter zu seiner sympathischen Botschaft: Der SC Verl haut Augsburg raus, Viktoria Berlin nervt Bielefeld, und Magdeburg zwingt Freiburg in die Verlängerung.

Die Botschaft lautet nicht nur, ganz liberal und kapitalistisch, dass jeder seine Chance hat, die mancher auch nutzt. Die Botschaft trägt auch dieses subversive Moment in sich, dass der Fußball allen die Chance gibt, einen Vorgeschmack aufs bessere Leben zu zeigen. Womit das anfängt? Mit einem Platzverweis für Clemens Tönnies zum Beispiel.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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