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Vom guten Leben in unserer taz-WG in Dresden, Sachsen

Raus aus der Berliner Blase und rein in den Alltag in Sachsen – dies war der Plan für das taz Projekt in Dresden. Nach drei Wochen lässt sich allmählich konstatieren: Der Plan funktioniert hervorragend

Von Celia Parbey

Wir dachten, es sei eine super Idee, das „Sachsen-Dinner“. Wir würden uns spannende Persönlichkeiten einladen, Politiker*innen, Aktivist*innen, Menschen, die etwas zu sagen haben. Wir wollten uns von ihnen bekochen lassen und beim Schnippeln, Rühren, Verkosten ins Gespräch kommen. Wie in jeder WG-Küche eben. Nur hatten wir das wichtigste nicht bedacht: Unsere zukünftigen Gäste zu fragen, wann sie das letzte mal hinter einem Herd gestanden hätten. Statt üppigem Festmahl gab es bislang also: Suppe und Salat.

Und trotzdem hatten wir anregende Gespräche. Mit der Landtagsabgeordneten Juliane Nagel von der Linkspartei beispielsweise, oder mit dem CDU-Stadtrat, Fußballtrainer und Braumeister Candido Mahoche aus Freital, der uns eine leckere Kombination aus Salat und Mehlspeise zubereitete (s. Screenshots vom taz-Instagram-Kanal nebendran). Wir sprachen über Rassismus, über die AfD und die Frage: Warum bieten die Oppositionsparteien den Wähler*innen in Sachsen eigentlich nicht mehr an.

Unsere dritte Woche in Dresden ist nun vorbei. Unser Team vor Ort haben wir einmal ausgewechselt, aber die grundsätzliche Frage ist geblieben: Was bewegt Sachsen? Und was bewegt uns hier, vor Ort?

Die taz ost ist ein Projekt, kein bis zum Ende ausgetüfteltes Format. Also experimentieren wir: mit Interviews auf Instagram beispielsweise. Oder mit unserem Ostcast, ein Audioformat, in dem wir uns gemeinsam mit dem freien Radio coloRadio aus Dresden austauschen. Über Klimawandel und was das mit Stadtplanung zu tun hat, beispielsweise. Es ist einer der seltenen Momente, in dem es mal nicht um Rechte geht, um Hetze, um Rassismus. Um Bedrohung.

Denn oft ergeht es unseren Reporter*innen so: Wir planen am Morgen, die Zivilgesellschaft abzubilden. Und dann kommt die Nachricht: Mann geht mit Machete auf libyschen Nachbarn los. Oder: Identitäre Bewegung und der Verein Ein Prozent planen eine neues Zentrum für Rechte in Dresden. Also recherchieren wir, berichten.Auf der Pegida-Demonstration vor zwei Wochen, wollte das taz-ost-Team wissen, was überhaupt noch übrig ist von diesem riesigen Demonstrationszug. Dann aber kommt es zu einem Vorfall. Ein Mann, der am Rande des Demonstrationszuges steht, wird mit der Faust geschlagen. Unsere Recherchen ergeben: Die Täter waren Pegida-Ordner. Das Opfer ein Inder. Später tauchte sogar ein Video von dem Vorfall auf. Wir haben darüber berichtet.

Pegida-Chef Lutz Bachmann regte sich in einem eigenen Video über unsere Berichterstattung auf und bescherte unserem Artikel auf taz.de/tazost damit ordentlich Aufmerksamkeit. Ganz bestimmt in seinem Sinne. Wer unsere Texte auch in den sozialen Medien weiter verbreiten möchte, darf das gerne tun. Gerne verbunden mit dem Hashtag mit #tazost.

Dresden ist nicht Sachsen. Großstadt ist nicht Land und Reporter*innen nichts, wenn sie nicht beobachten können. Also sind wir unterwegs: Im Wahlkampfmobil mit Ministerpräsident Michael Kretschmer, der Tag für Tag Bratwürste und Kuchen isst, beim Bier geduldig die Fragen aller – und wirklich: aller – beantwortet, der mittelständischen Unternehmern Mut macht und ihnen dankt.

Wir folgen der Integrationsministerin Petra Klöpping, wir porträtieren diejenigen, die ihre Städte und Dörfer nicht den Rechten überlassen wollen. Die Feste veranstalten und Bündnisse schmieden, die Demokratie feiern, denn das ist nirgendwo selbstverständlich. Nach drei Wochen können wir sagen: Hier in Sachsen sind es erstaunlich viele.

Sachsen ist übrigens nicht nur Sachsen – sondern geht uns alle an. Das zeigt beispielsweise das Klimacamp in Pödelwitz, ein Festival von Umweltbündnissen. Pödelwitz soll einem Braunkohletagebau weichen. Pödelwitz ist ein Ort wie viele andere, in der Lausitz, im Leipziger Land, im Rheinischen Revier.Im Osten wie im Westen.

Um nochmal auf Dresden zurückzukommen, es wird von Tag zu Tag mehr zu unserem Zuhause. Anfängliche Orientierungslosigkeit im Stadtverkehr, die Suche nach guten Essensmöglichkeiten und die richtigen Ansprechpartner*innen für unsere Berichterstattung – alles weicht so langsam der Routine. Das Team wächst zusammen. Beim gemeinsamen Essen, Bierchen trinken und Badezimmer teilen, lernen wir uns immer besser kennen. Schade, dass uns einige bald schon wieder verlassen werden. Für den Rest geht es gut gewappnet in die nächste Woche.

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