: Warum Tampons höher besteuert werden als Maulesel
Die vergünstigte Mehrwertsteuer sollte ursprünglich „Waren des alltäglichen Bedarfs“ erschwinglich machen. Gehören Hotelübernachtungen dazu?
Von Niklas Münch
Zunächst eine sprachliche Spitzfindigkeit: Wer in Deutschland von der Mehrwertsteuer spricht, meint eigentlich die Umsatzsteuer. Die umgangssprachliche Bezeichnung ist aber weitgehend etabliert; ein Pochen auf die offizielle Bezeichnung irritiert.
Was also als Mehrwertsteuer bezeichnet wird, ist eine der wichtigsten Steuern in Deutschland. Im Jahr 2018 machten die Einnahmen durch die Mehrwertsteuer rund 32 Prozent der gesamten Steuereinnahmen Deutschlands aus. Besteuert werden fast alle Waren und Dienstleistungen. Sie ist eine indirekte Steuer, da die Konsumierenden die Abgabe nicht direkt an den Staat entrichten, sondern die Unternehmen sie für den Staat erheben.
1968 wird die zweistufige Mehrwertsteuer, mit einem Regelsatz von 10 Prozent und einem ermäßigten Satz von 5 Prozent, eingeführt. 2007 werden diese Sätze das letzte Mal erhöht: 19 Prozent Regelsatz und 7 Prozent ermäßigter Satz. Mit dem ermäßigten Satz möchte der Staat die Bürger*innen entlasten, indem manche Produkte und Dienstleistungen niedriger besteuert werden. In diesem Zusammenhang wird gerne von „Waren des täglichen Bedarfs“ gesprochen. So sollen zum Beispiel grundlegende Nahrungsmittel wie Mehl, Kartoffeln, Fleisch oder auch Kaffee billiger verfügbar sein.
Auslandsflüge steuerfrei
Darüber hinaus findet sich auf der Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände auch einiges Kurioses, wie Kunstgegenstände oder Maulesel. Tatsächlich sind die zwei verschiedenen Steuersätze ein beliebtes Mittel der Politik – und die oft willkürlich erscheinenden Einordnungen in die zwei Sätze Stoff für gesellschaftliche Debatten.
So kochte im Mai dieses Jahres wieder die Diskussion über die Besteuerung von Menstruationsartikeln wie Binden oder Tampons hoch. Eine Petition mit rund 81.000 Unterzeichnenden wurde dem Bundestag übergeben; eine Petition mit fast 180.000 Unterzeichnenden läuft noch. Beide fordern, dass für Menstruationsartikel der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent gelten soll. Die Initiator*innen argumentieren, dass Frauen einen grundlegenden Bedarf an diesen Produkten haben. Die bisherige Besteuerung von 19 Prozent wäre der Ausdruck einer strukturellen Diskriminierung von Frauen.
Ebenfalls in der Diskussion ist die unterschiedliche Besteuerung von Bahn- und Flugreisen. Innerhalb Deutschlands werden beide Reisearten mit 19 Prozent besteuert. Bei einem Flug ins Ausland entfällt die Mehrwertsteuer komplett. Anders bei einer Bahnfahrt ins Ausland, die wird mit 19 Prozent besteuert. Neben den Grünen will auch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) das ändern. Bahnfahrten sollen in Zukunft generell mit 7 Prozent besteuert werden. Damit solle die Attraktivität der Bahn gesteigert werden.
Ein Beispiel erfolgreicher Lobbyarbeit ist die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Übernachtungen in Hotels. Dies wurde im Jahr 2010 auf Betreiben der Regierungsparteien CDU/CSU und FDP eingeführt. Eine milliardenschwere Steuerentlastung für das Gastgewerbe war die Folge. Begründet wurde der Schritt mit dem Hinweis auf andere europäische Länder, die ebenfalls einen ermäßigten Steuersatz für Übernachtungen erheben würden.
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