Hamburger Szene von Katharina Gebauer
: Wahrheitswürfel und Veganismus

Auf den Pullis der schwarz gekleideten Menschen auf dem Rathausmarkt steht: „Anonymous for the Voiceless.“ Diese Tierschutzorganisation wurde 2016 in Melbourne gegründet, heute besteht sie aus über 1.000 sogenannten Chaptern weltweit. Auch in Hamburg gibt es eine solche Ortsgruppe.

In einem Viereck wollen sich die Tierschützer*innen aufstellen und Schilder mit der Aufschrift „Wahrheit. Truth“ hochhalten. Auf Monitoren sollen Szenen aus Nutztierbetrieben der Massentierhaltung und Schlachthöfen laufen, Kükenschreddern oder Missstände in der Milchkuhhaltung zeigen. Sie nennen die Formation „Cube of Truth“, den Würfel der Wahrheit. Der findet zum ersten Mal in Hamburg statt, auch Aktivist*innen aus anderen Chaptern sind angereist: aus Hannover, Bremen, Oldenburg, Augsburg, Cloppenburg, Husum, Frankfurt, Köln und Berkeley in den USA.

Als der Wahrheitswürfel gerade losgehen soll, geht ein Wolkenbruch nieder und die meisten Aktivist*innen rennen unter das Dach eines Imbisses, andere holen Regenjacken und -schirme heraus und stellen sich über die Taschen und Rucksäcke der Teilnehmenden.

Eine Stunde lang passiert nichts, dann geht es schnell: Die eingespielte Truppe baut die Technik auf, diejenigen, die im Wahrheitswürfel stehen werden, ziehen sich die durch das Internetkollektiv Anonymous bekannt gewordenen Guy-Fawkes-Masken über und die auch sogenannten Outreachers machen sich bereit. Sie sprechen – ohne Masken – Passanten an, um mit ihnen über das Tierleid zu sprechen, gehen aktiv auf jene zu, die sich die Filmaufnahmen ansehen.

Auf einem der Bildschirme sind Videos der Tierrechtsorganisation Soko Tierschutz aus einem Milchviehbetrieb im Allgäu mit 1.800 Tieren zu sehen: Kranke und verletzte Kühe werden auf Ladestapler gezogen, ein stark abgemagertes Tier wird in einen Hänger gedrängt, die Kuh kann kaum laufen.

Ein Passant erzählt einer Outreacherin, dass er bereits Vegetarier sei, aber noch Schwierigkeiten habe, unterwegs etwas zu essen zu finden. Sie fragt, ob dieses Problem das Leid der Tiere rechtfertige. Auch in diesem Gespräch wird deutlich, worum es den Tierschutzaktivist*innen geht: Sie wollen auf die Missstände der Tierindustrie aufmerksam machen und für ihre eigene Lösung werben: Veganismus. Am Ende des Gesprächs mit dem Vegetarier drückt die Aktivistin dem Mann eine Karte in die Hand: mit Informationen und Verweisen auf Dokumentationen, Bücher und veganen Rezepten.

Nach vier Stunden kommen die Teilnehmenden in einem riesigen Kreis zusammen. Die Leiterin der Hamburger Ortsgruppe, Inbar Schütte-Perez, zählt auf, dass 110 Aktivist*innen 208 positive Gespräche über Veganismus geführt haben. Zum Abschluss gibt es ein Gruppenfoto mit dem Motto: „Until every cage is empty!“ – bis jeder Käfig leer ist.