Kommentar Freilassung von Golunow: Herrenzittern in Moskau
Nach sechs Tagen kommt der Enthüllungsjournalist Golunow frei. Der Kreml zog die Reißleine, denn es drohte wirtschaftlicher Schaden.
Nach seiner Freilassung: der Journalist Iwan Golunow am Dienstag in Moskau Foto: ap
Nach sechs Tagen Polizeigewahrsam und Hausarrest endete die Tortur mit Freilassung. Rippenbruch und Gehirnerschütterung inklusive. Als Enthüllungsjournalist Iwan Golunow am Dienstag die elektronischen Fußfesseln ablegen konnte, war dies der Sieg einer Solidaritätsaktion von Journalisten, sozialen Medien und Zivilgesellschaft.
Von vornherein stand fest, dass die Anschuldigung des Drogenmissbrauchs nur Vorwand war, um den Journalisten aus dem Verkehr zu ziehen. Alle Anklagepunkte gegen ihn wurden fallen gelassen. Im Umkehrschluss müssten jetzt Ermittlungen gegen jene eingeleitet werden, die einen unbescholtenen Bürger zum Drogendealer machen. Nicht aus Versehen, vielmehr mit System, wie sich bei genauerem Hinsehen ergeben würde.
Gewöhnlich hat die Führungsschicht im Kreml nichts einzuwenden, wenn die niedere Generalität Geschäften nachgeht und elementare Rechte mit Füßen tritt. In diesem Fall nahm sich die mittlere Ebene jedoch zu viel heraus. Die Aktion Golunow, die der Selbstbereicherung dient, störte das Petersburger Wirtschaftsforum, auf dem Präsident Putin präsidierte. Golunow übertrumpfte den Kremlchef bei Nennungen im Netz, an zweiter Stelle folgte er in anderen Medien. Wer will da noch warmen Werbungen für Investitionen Glauben schenken?
Die Ankündigung eines Golunow-Protestmarsches für den 12. Juni, Russlands Unabhängigkeitstag, versprach auch unruhig zu werden. Der inszenierte jährliche Austausch mit dem Volk, der „Direkte Draht“ im TV, steht nächste Woche an. Wladimir Putin ist bereits angeschlagen. Der Kreml zog die Reißleine.
Golunows letzte Geschichte dreht sich um Korruption im Bestattungswesen, an dem keiner vorbeikommt. Doch will sich jemand auf dem letzten Weg noch erpressen und erniedrigen lassen?
Nicht zuletzt schaltete sich eine kritische Gemeinde zu, die bislang der Straße fernblieb, im Netz aber präsent war: die Opposition 2.0. Zunächst lautet die Devise des Kreml: eher abtauchen als auftrumpfen.
Kommentar Freilassung von Golunow: Herrenzittern in Moskau
Nach sechs Tagen kommt der Enthüllungsjournalist Golunow frei. Der Kreml zog die Reißleine, denn es drohte wirtschaftlicher Schaden.
Nach seiner Freilassung: der Journalist Iwan Golunow am Dienstag in Moskau Foto: ap
Nach sechs Tagen Polizeigewahrsam und Hausarrest endete die Tortur mit Freilassung. Rippenbruch und Gehirnerschütterung inklusive. Als Enthüllungsjournalist Iwan Golunow am Dienstag die elektronischen Fußfesseln ablegen konnte, war dies der Sieg einer Solidaritätsaktion von Journalisten, sozialen Medien und Zivilgesellschaft.
Von vornherein stand fest, dass die Anschuldigung des Drogenmissbrauchs nur Vorwand war, um den Journalisten aus dem Verkehr zu ziehen. Alle Anklagepunkte gegen ihn wurden fallen gelassen. Im Umkehrschluss müssten jetzt Ermittlungen gegen jene eingeleitet werden, die einen unbescholtenen Bürger zum Drogendealer machen. Nicht aus Versehen, vielmehr mit System, wie sich bei genauerem Hinsehen ergeben würde.
Gewöhnlich hat die Führungsschicht im Kreml nichts einzuwenden, wenn die niedere Generalität Geschäften nachgeht und elementare Rechte mit Füßen tritt. In diesem Fall nahm sich die mittlere Ebene jedoch zu viel heraus. Die Aktion Golunow, die der Selbstbereicherung dient, störte das Petersburger Wirtschaftsforum, auf dem Präsident Putin präsidierte. Golunow übertrumpfte den Kremlchef bei Nennungen im Netz, an zweiter Stelle folgte er in anderen Medien. Wer will da noch warmen Werbungen für Investitionen Glauben schenken?
Die Ankündigung eines Golunow-Protestmarsches für den 12. Juni, Russlands Unabhängigkeitstag, versprach auch unruhig zu werden. Der inszenierte jährliche Austausch mit dem Volk, der „Direkte Draht“ im TV, steht nächste Woche an. Wladimir Putin ist bereits angeschlagen. Der Kreml zog die Reißleine.
Golunows letzte Geschichte dreht sich um Korruption im Bestattungswesen, an dem keiner vorbeikommt. Doch will sich jemand auf dem letzten Weg noch erpressen und erniedrigen lassen?
Nicht zuletzt schaltete sich eine kritische Gemeinde zu, die bislang der Straße fernblieb, im Netz aber präsent war: die Opposition 2.0. Zunächst lautet die Devise des Kreml: eher abtauchen als auftrumpfen.
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Schwerpunkt Pressefreiheit
Kommentar von
Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
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