: Neues Polizeigesetz in Aktion
Erstmals seit Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes kommt in Niedersachsen ein Mann zur Gefahrenabwehr in Gewahrsam
Von Marthe Ruddat
Am 1. Juni trat das neue und umstrittene niedersächsische Polizeigesetz in Kraft. Nun wurde erstmals seit den neuen Regelungen ein Mann in Osnabrück in Präventivhaft genommen. Er könnte dort deutlich länger bleiben als noch vor der Reform.
Innenminister Boris Pistorius unterrichtete am Freitag den Landtag:„Grundlage für die Ingewahrsamnahme waren aktuelle Hinweise einer deutschen Sicherheitsbehörde, dass ein amtsbekannter 33-jähriger Gewalttäter Personen aus dem familiären Umfeld etwas antun wollte.“ Den Behörden lagen laut Pistorius auch Informationen vor, wonach der Mann angekündigt habe, den Märtyrertod sterben und sich in Berlin in die Luft sprengen zu wollen.
Das zuständige Amtsgericht ging von einer bevorstehenden terroristischen Straftat aus, die nur durch Ingewahrsamnahme verhindert werden könnte, heißt es in einer Mitteilung der Innenbehörde. Laut Gerichtsbeschluss sitzt der Mann höchstens zwei Wochen in Gewahrsam. Die Präventivhaft kann um 14 weitere Tage und dann noch mal um sieben Tage verlängert werden. Vor der Reform des Polizeigesetzes war sie auch bei Terrorgefahr auf zehn Tage begrenzt.
Im Mai wurde das neue Polizeigesetz mit den Stimmen von SPD und CDU beschlossen. Kritiker*innen sehen dadurch die Bürgerrechte massiv beschnitten. Die niedersächsischen Grünen und die FDP stimmten gegen das Gesetz und erwägen eine Klage.
Im Fall des nun in Gewahrsam genommenen Mannes wird laut Innenministerium geprüft, wie konkret die Anschlagspläne sind. Hinweise auf einen religiös oder politisch extremen Hintergrund gebe es nicht.
Das Innenministerium berichtete, der Mann gelte als Hochrisikofall im Bereich häuslicher Gewalt gilt, sei mehrfach vorbestraft und ausreisepflichtig. Laut eines Sprechers der Landesbeauftragten für Datenschutz bestünden diesbezüglich keine datenschutzrechtlichen Bedenken, unter anderem, weil keine identifizierenden Daten bekannt gegeben wurden.
Für Helge Limburg, Sprecher für Rechts- und Verfassungsschutzfragen der grünen Landtagsfraktion, wirft der Fall Fragen auf. „Die wichtigste Frage ist, ob strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet wurden“, so Limburg zur taz. „Wenn nicht, ist die Frage, warum nicht? Wenn ja: Warum sitzt der Mann dann nicht in Untersuchungshaft?“ Die Grünen wollen nun eine Unterrichtung im Verfassungsschutzausschuss und gegebenenfalls auch Akteneinsicht beantragen.
Das Innenministerium kündigte der taz die Beantwortung weiterer Fragen zu dem Fall für Dienstag an. Am Montagabend bestätigte die Osnabrücker Staatsanwaltschaft Berichte des NDR, wonach bei einer Durchsuchung der Wohnung des Mannes nichts gefunden wurde, was auf die Planung eines Anschlags hindeute.
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