: Klarer Sieg für den „roten Block“ in Dänemark
Bei den Parlamentswahlen werden Sozialdemokraten stärkste Kraft. Mit kleineren Linksparteien und Grünen haben sie ein absolute Mehrheit. Eine Regierungsbildung wird schwer
Von Reinhard Wolff, Stockholm
Richtiger Jubel wollte nicht ausbrechen auf der Wahlparty der dänischen Sozialdemokraten. Zwar war die bisherige Oppositionspartei bei der Parlamentswahl am Mittwoch mit 25,9 Prozent stärkste Partei geworden, und wird aller Voraussicht nach mit ihrer Vorsitzenden Mette Frederiksen die Ministerpräsidentin stellen. Doch es war ein Sieg mit Hängen und Würgen.
Die Partei legte nicht zu, sondern verlor gegenüber der Wahl 2015 vier Zehntelprozent. Und wenn der „rote Block“ im Gegensatz zu 2015 nun im Folketing den „blauen Block“ des bisherigen Premiers Lars Løkke Rasmussen überholte, dann nicht in erster Linie wegen der Sozialdemokraten, sondern eines glänzenden Ergebnisses der kleineren roten Parteien. Die sozialliberalen Radikalen sowie die rot-grünen Parteien Sozialistische Volkspartei, Einheitsliste und Alternative gewannen zehn Mandate hinzu und landeten mit zusammen 26,2 Prozent haarscharf vor den Sozialdemokraten.
Erste Wahlanalysen rieben das den Sozialdemokraten und Mette Frederiksen auch gleich unter die Nase. Ihre „rote Mehrheit“ verdanke sie allein diesen Parteien, die, anders als die Sozialdemokraten, wirklich geliefert hätten, kommentierte Politiken. Das hätten sie auch mit einer den Sozialdemokraten diametral entgegengesetzten Agenda in der Ausländerpolitik erreicht. Und Ekstrabladet erinnerte die Sozialdemokratin: Wolle sie sich jetzt die Krone der Siegerin aufsetzen, dürfe sie nicht vergessen, dass sie es nicht gewesen sei, die sie gewonnen habe.
Die roten und grünen Parteien mögen in der dänischen Parteienlandschaft zwar als ein „Block“ gelten, tatsächlich sind sie aber in vielen Fragen sehr unterschiedlicher Auffassung und beim Thema Ausländerpolitik gespalten. Keine dieser Parteien hat den Rechtsschwenk der Sozialdemokraten mitgemacht, die mit der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei in den vergangenen vier Jahren nahezu alle flüchtlings- und migrationspolitischen Verschärfungen der Regierung Løkke Rasmussen mitgetragen hatten. An dieser Linie wolle sie festhalten, hatte Frederiksen im Wahlkampf verkündet. Sei das ihr letztes Wort, könne sie nicht mit Unterstützung rechnen, kündigten die Chefs von Radikalen und Einheitsliste an.
Wollen die Sozialdemokraten tatsächlich den „grundsätzlichen Politikwechsel“ realisieren, den sie im Wahlkampf versprochen haben, brauchen sie für eine parlamentarische Mehrheit die Stimmen der anderen roten Parteien. Das gilt in besonderem Maße für die Klimapolitik. Die Dänemark-Wahl war eine Klimawahl. Laut Umfragen war für fast 60 Prozent der WählerInnen das Klimathema diesmal mit Abstand am wichtigsten. Im Januar hatten das erst 20 Prozent als wahlentscheidend genannt.
Die Sozialdemokraten haben versprochen, Dänemark „wieder zu einer grünen Supermacht“ zu machen. Mit den Blauen schaffen sie das nicht. Im Gegenteil: Unter der Regierung Løkke Rasmussen war 2015 das Ziel einer Klimagasreduktion von 40 Prozent bis 2020 als „zu teuer“ gestrichen worden. „Das war eine katastrophale Weichenstellung“, warf eine Anfang der Woche vorgelegte Studie der scheidenden Regierung vor. Nach vier verlorenen Jahren, in denen die Energieumstellung verlangsamt wurde und der CO2-Ausstoss sogar anstieg, wird es für Dänemark auch teurer werden, zu seinen ursprünglichen Klimazielen zurückzukehren.
Mette Frederiksen hat noch in der Wahlnacht klar gemacht, dass ihr Ziel eine sozialdemokratische Minderheitsregierung ist, die sich parlamentarische Mehrheiten von Fall zu Fall suchen werde. Solche Minderheitsregierungen waren in Dänemark in den vergangenen Jahrzehnten eher die Regel. Aber ohne feste Kooperationspartner ging das nie eine ganze Legislaturperiode gut. Die Sozialdemokraten werden mit Sozialliberalen und Rot-Grünen Kompromisse finden müssen, soll die jetzige rote Parlamentsmehrheit nicht verspielt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen