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Spiel nicht mit den Schmuddellinken

Der Film „Kleine Germanen“ erzählt teils dokumentarisch, teils fiktiv, wie Rechte ihre Kinder erziehen

Von Opa auf den rechten Weg gebracht: ein animierter Nachwuchs-Nazi in „Kleine Germanen“ Foto: Little Dream

Von Fabian Tietke

Dass Elsa als Kind in Abwesenheit ihrer Eltern viel Zeit mit ihrem Opa verbracht hat, hat sich im Rückblick als verhängnisvoll erwiesen. Denn Opa war ein Nazi. Er spielt mit der kleinen Elsa Zweiter Weltkrieg und verleiht ihr seine SS-Orden. Er scheucht sie ohne Pause einen Berg hinauf und empfiehlt ihr, auf die Wunden an ihren Füßen stolz zu sein.

Die Erziehung entfaltet ihre Wirkung: Schon als Jugendliche ist Elsa selbst ein Neonazi, verliebt sich in einen Neonazi, heiratet ihn und kriegt mit ihm Kinder, die sie als kleine Neonazis erzieht. Die Eltern lesen den Kindern nordische Sagen vor, reden vom Kampf fürs Volk, schicken die Kinder in völkische Ferienlager und verbieten ihnen, mit Kindern von Nicht-Rechten zu spielen. „Kleine Germanen“ von Mohammad Farokhmanesh und Frank Geiger handelt von Kindheit unter Rechten.

Anhand des fiktional verdichteten Lebenswegs von Elsa, ihrer Ehe und ihren Kindern gibt „Kleine Germanen“ einen Eindruck von Erziehungsschwerpunkten und -methoden rechter Eltern. Um die Identitäten von Elsa und ihren Kindern zu schützen, sind die Szenen aus ihrem Leben animiert. Die Animation fällt jedoch leider recht generisch aus und sieht eher aus wie aus einem Computerspiel, das von einer Behörde zu Aufklärungszwecken erstellt wurde. Ergänzt werden diese animierten Sequenzen durch Aufnahmen von Kindern in Alltags­szenen und Interviews mit Aussteigern, Ex­pert_in­nen und einer ganzen Reihen von Rechten, vor allem aus dem Pegida-Umfeld.

Mit Rechten reden – diesmal über Kindheit – ein erstes Problem des Films. Im Verhältnis zu den übrigen Wortbeiträgen sind die Interviews mit Götz Kubitschek, Ellen Kositza, Martin Sellner, Ricarda Riefling und Sigrid Schüßler schon arg lang. Immerhin bewirkt die Gegenüberstellung von Küchentischgesprächen mit Aufnahmen der hasserfüllten Reden von Schüßler und Kubitschek bei Pegida-Veranstaltungen, dass das Gesäusel nicht für sich stehen bleibt.

Zumal das Gesäusel am Küchentisch ex­trem erkenntnisarm ist. Sellner zum Beispiel schwafelt wie immer ohne Punkt und Komma, kommt aber nur ein einziges Mal auf seinen Vater zu sprechen und da auch ohne jeden Mehrwert für den Film. Im Presseheft beschreiben die Regisseure den Effekt der Interviews mit Rechten so: „Man sieht diese Leute und findet sie vielleicht ganz sympathisch, aber dann kippt die Sache, man merkt, dass da was nicht stimmt.“

Der Film hätte jedoch auch nur mit den Interviews mit Aussteigern wie Alexander Lingner und Expert_innen wie Bernd Wagner von der Aussteigerberatung Exit oder Verena Fabris von der Wiener Beratungsstelle Extremismus getragen und es wäre sogar noch mehr Zeit geblieben, sich mit dem Thema des Films zu beschäftigen.

Das zweite Problem betrifft die Filmmusik. Sie ist ein Fiasko. Ob sie Sellners Selbstgefälligkeit mit sanfter Klaviermusik unterlegt oder einen antisemitischen Albtraum mit Klezmer-Stereotypen, was der Film da zusammenhunzt, ist unterirdisch.

Was bleibt: ein hochspannendes Thema, mit klugen Einwürfen von Expert_innen und selbstreflexiven, anschaulichen Schilderungen von Alexander Lingner. Die Schwächen des Film sind aber erheblich – wie die Leerstellen: Es wäre beispielsweise ein lohnender Tausch gewesen, Martin Sellner wegzulassen und stattdessen über Möglichkeiten im Umgang mit rechten Kindern in Schule und Kita zu sprechen. Oder Sigrid Schüßlers Zeit zu streichen und über die fatalen Auswirkungen aller Erziehung zu Härte zu diskutieren. Oder statt mit Ricarda Riefling mit Expert_innen über die Interventionsmöglichkeiten von Jugendämtern zu reden und Götz Kubitschek und Ellen Kositza ihrem Ziegenkäse zu überlassen. Gut hätte all das dem Film getan.

„Kleine Germanen“. Regie: Mohammad Farokhmanesh, Frank Geiger. Deutschland, 2018, 90 Min.

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