Kommentar Seenotrettung im Mittelmeer: Nicht länger Zeit schinden
Schiffe, die Flüchtende retten, mussten zuletzt tagelang auf dem Mittelmeer warten. Die EU sollte sich endlich für universelle Menschenrechte einsetzen.
A uf dem Mittelmeer ausharren, bis die EU sich gnädig zeigt, Menschen in Not aufzunehmen: Das ist – unverändert! – die Menschenrechtslage der EU im Jahr 2019. Wenn es um Seenotrettung geht, zeigen sich die meisten EU-Mitgliedstaaten nicht bereit, grundlegende Rechte wie die körperliche Unversehrtheit zu sichern.
Am Samstag durften 62 Geflüchtete, zehn Tage nach ihrer Rettung aus Seenot vor der libyschen Küste, endlich in Malta an Land gehen. Zuvor hatte das Schiff „Alan Kurdi“ der deutschen Hilfsorganisation Sea Eye trotz dramatischer Umstände an Bord nicht anlegen dürfen, weil die Aufnahme der Menschen in Europa nicht geklärt war und weil Malta und Italien sich weigern, weitere Geflüchtete aufzunehmen.
In letzter Zeit mussten mehrere Schiffe, die Flüchtende retten, so lange auf dem Wasser warten, bis die EU sich über eine Verteilung verständigt hatte. Die Argumentation der Rechten in verschiedenen EU-Ländern, um das Feilschen zu rechtfertigen: Die Menschen müssten ihr Heimatland, in dem oft Armut oder Bürgerkrieg herrschen, ja nicht verlassen. Oder sie könnten in einem vermeintlich sicheren Drittland bleiben. Dass das im Fall von Libyen keine Option ist, weil dort massiv Menschenrechte verletzt werden, wird gern vergessen.
Der „Osterappell“ von über 200 Bundestagsabgeordneten, in dem sie am Wochenende von der Bundesregierung mehr Einsatz für den Schutz von Menschenleben auf dem Mittelmeer forderten, zeigt hoffentlich Wirkung. Aber nicht nur Deutschland muss sich in Brüssel für eine humanitäre Mittelmeerpolitik einsetzen. Die gesamte EU muss endlich zeigen, dass sie universelle Menschenrechte schützt – und nicht nur die Rechte derer, die in Europa leben.
Ein für alle Mitgliedstaaten verpflichtender Verteilungsschlüssel, wie er schon 2012 gefordert wurde, kann dafür eine Maßnahme sein. Egal wie die Umsetzung aussieht: Die EU darf nicht länger Zeit schinden, während Menschen gezwungen sind, in prekärer Lage auf einem Boot zu verharren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“