: An die Wand gefahren
Manipulationen, verschleppte Ermittlungen: erneute Vorwürfe gegen die Polizei in Nordrhein-Westfalen
Aus Bochum Andreas Wyputta
Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul gerät wegen Polizeiversagens und Manipulationsvorwürfen immer stärker unter Druck. Im Innenausschuss des Landtags musste Reul am Donnerstagnachmittag einräumen, dass Nordrhein-Westfalens Polizei nach dem tausendfachen sexuellen Missbrauch auf einem Campingplatz im ostwestfälischen Lügde in einem zweiten Fall von Kinderpornografie massiv geschlampt hat. Außerdem könnten Beamte bei Ermittlungen gegen den grundlos inhaftierten und in seiner Zelle verbrannten syrischen Bürgerkriegsflüchtling Amad A. IT-Systeme der Polizei manipuliert haben, um seine Festnahme nachträglich zu rechtfertigen.
Im Mittelpunkt des zweiten Kinderpornografie-Skandals steht ein Physiotherapeut aus Bad Oeynhausen: Während Behandlungen soll er pornografische Fotos von mindestens zwei Kindern gemacht haben. Schon im November 2017 hatte ein IT-Spezialist aus Baden-Württemberg, der die Bilder bei einer Fernwartung der Rechner des 60-Jährigen fand, die Polizei alarmiert. Doch in Haft sitzt der Physiotherapeut erst seit einer Woche: Bei der zuständigen Kriminalpolizei Minden-Lübbecke passierte zunächst monatelang nichts, dann scheiterten drei Durchsuchungsversuche, weil der Beschuldigte nicht zu Hause war. Beim vierten Anlauf fand die Polizei prompt „umfangreiches Beweismaterial“. Dass bis dahin 16 Monate vergingen, erklären die Beamten mit dem Hinweis, sie hätten den Beschuldigten persönlich antreffen wollen – schließlich habe dieser Kinderporno-Dateien auch auf seinem Mobiltelefon mit sich herumtragen können.
Innenminister Reul hält das für einen „klaren Fehler“. Parallelen zum Skandal von Lügde, in dem mittlerweile gegen acht Beschuldigte ermittelt wird, die mindestens 40 Opfer missbraucht haben sollen, sind unverkennbar: Dort waren zwischen ersten Hinweisen und Festnahmen sogar 17 Jahre vergangen.
In Erklärungsnot geraten ist Reul auch im Fall des in seiner Zelle verbrannten Syrers Amad A. Bisher hatten Innenministerium und Polizei dessen monatelange grundlose Inhaftierung mit einer kaum glaublichen Verwechslung erklärt: Ein von der Staatsanwaltschaft Hamburg gesuchter Schwarzafrikaner aus Mali habe den gleichen Aliasnamen benutzt. Nach Recherchen des ARD-Magazins „Monitor“ soll dieser Alias aber erst drei Tage nach der Verhaftung des Syrers in die IT-Systeme der Polizei eingefügt worden sein – dazu sei ein anderer Tarnname des gesuchten Mannes aus Mali einfach überschrieben worden. Sollte dies zutreffen, hätten Beamte Behördendokumente gefälscht, um die Verhaftung vom Amad A. nachträglich zu rechtfertigen.
In den Oppositionsparteien wird angesichts der Vorwürfe über Rücktrittsforderungen gegenüber Reul nachgedacht: „Scheitert die Aufklärung“, droht SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty, „scheitert Reul.“
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