Kriminalisierung der Antifa: Die AfD wirkt
Hinter dem Versuch der AfD, die politischen Aktivitäten an Schulen zu zensieren, steckt System: Es geht um die Eroberung der kulturellen Deutungshoheit.
HAMBURG taz | Die AfD verstärkt ihren Kulturkampf gegen das „rot-grün versiffte 68er-Deutschland“, und so folgt derzeit auch in Norddeutschland Kleine Anfrage auf Kleine Anfrage, Presseerklärung auf Presseerklärung. Die Gesellschaft soll nachhaltig verändert werden.
Denn die Rechtspopulisten sind nicht gekommen, um eine „Beteiligung am Diskurs“ zu erreichen, „sondern sein Ende als Konsensform“, wie es Martin Sellner von der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ formuliert. Sie wollen nicht „mitreden“, sondern „ein Ende der Party“. Eine Aussage, in der der antidemokratische Grundgedanke ebenso anklingt wie die antiparlamentarischen Vorstellungen dieser Bewegung.
Der mittlerweile wohl bekannteste neu-rechte Intellektuelle, Mitbegründer des „Instituts für Staatspolitik“ (IfS) und Betreiber des Antaios-Verlags, Götz Kubitschek, schrieb schon vor Jahren in seinem Buch „Provokation“: „Von der Ernsthaftigkeit unseres Tuns wird euch kein Wort überzeugen, sondern bloß ein Schlag ins Gesicht.“ Eine verbale Kriegserklärung, die Sellner fast wortwörtlich von Kubitschek übernimmt.
Die Feinde sind schon lange markiert: Es sind Schulen, Theater, Vereine und Initiativen. Die Rechtspopulisten wenden sich gegen die Erziehung zu einer plural-liberalen Gesellschaft, gegen den Versuch, aus den Verbrechen der Nazis politische Konsequenzen zu ziehen. Sie wenden sich gegen einen Einfluss von Feministinnen und Homosexuellen, die die Männer „verweiblichen“ und die Gesellschaft „verschwulen“. Sie haben Angst vor einer Kultur, die ihre angenommene deutsche Identität nicht würdigt.
Es geht um Einfluss
In diesem rechten Kulturkampf geht es nicht um das nächste Wahlergebnis, es geht um Einfluss. Bei der Ida-Ehre-Schule in Hamburg hat die AfD-Bürgerschaftsfraktion nach einem Hinweis auf ihrem Portal „Neutrale Schule“ eine Kleine Anfrage an den Senat wegen vermeintlichen „Linksextremismus“ gestellt, die Schulbehörde entfernte daraufhin Antifa-Aufkleber, die zu einem Schulprojekt gehörten.
Durch die Aktion der Hamburger Schulbehörde fühlte sich die AfD-Fraktion um Rechtsausleger Alexander Wolf bestätigt – und geht weiter in die parlamentarische Offensive. In einem Brief an den Schulsenator fordern die sechs AfD-Abgeordneten, den internen Behördenbericht über die Vorgänge an der Schule sowie den Bericht der Schulleitung dem Schulausschuss der Bürgerschaft zur Verfügung zu stellen.
Eine neue Kleine Anfrage soll auch schon gestellt worden sein – diesmal wegen Transparenten an der Schule, die auf die Intervention der Behörde reagierten: „Nazis morden und ihr schweigt – Schüler kleben und ihr schreit“ stand darauf.
In diesem Kulturkampf ist die AfD das parteipolitische Gravitationsfeld, so wie Kubitscheks Institut für Staatspolitik eines der ideologischen Zentren ist, die die Identitären und ihre Aktionen anheizen; als mediale Brandbeschleuniger fungieren das Magazin Compact des ehemaligen Linken Jürgen Elsässer – plus die sozialen Netzwerke.
Staatlich geförderte Projekte sollen „zerschlagen“ werden
Was die AfD vorhat, steht in einem internen Papier „Vorhaben 2019“ des AfD-Landessprechers von Mecklenburg-Vorpommern, Dennis Augustin, das der taz vorliegt. Eines der „wichtigsten langfristigen politischen Ziele“ ist demnach der Angriff auf den „Linksextremismus“. Staatlich geförderte Projekte sollen „zerschlagen“ und die „staatliche Alimentation“ beendet werden, heiß es in dem Papier. Der Hinweis auf staatliche Mittel könnte eine Anspielung auf öffentlich geförderte Demokratieprojekte sein.
Das Papier von Augustin schlägt eine Kommission vor, die aus zwei Mitgliedern der Schweriner Landtagsfraktion und dem Landesvorstand bestehen soll, zwei bis vier Mitglieder sollen die Recherchen durchführen. Als Budget sind „ca. 5.000 Euro“ anvisiert.
Die Aktionen der AfD in Hamburg scheinen nicht bloß Schulsenator Ties Rabe (SPD) zu einem „übereifrigen Erfüllungsgehilfen der rechtsextremen AfD“ werden zu lassen, wie die Fraktionsvorsitzende der Linken, Sabine Boeddinghaus, sagt. Die SchülerInnenkammer Hamburg soll die SchülerInnenvertretungen der Schulen aufgefordert haben, antifaschistische Aktivitäten und Aufkleber an Schulen zu dokumentieren.
SchülerInnenkammer lässt melden
Die Kammer, die die Belange der SchülerInnen aller Schulformen vertritt, soll die SchülerInnenvertretungen zudem aufgefordert haben, solche Vorfälle der Schulbehörde zu melden. Bisher hat sich die Hamburger SchülerInnenkammer immer gegen die AfD gestellt, das Hetzportal kritisiert und zu Gegenaktionen aufgerufen.
In einer Stellungnahme erklärt die SchülerInnenkammer der taz, sie habe kein „Meldeportal für Aktivitäten“ eingerichtet. „Tatsächlich recherchierten wir lediglich in Fällen, die uns von der zum Teil empörten Schülerschaft proaktiv zugetragen wurden.“ Mit Vertretern der Schulbehörde habe man über das Thema Antifa geredet und „um eine Positionierung oder Richtlinie“ gebeten. Die SchülerInnenkammer lehne „jede Art des Rechts- oder Linksradikalismus“ ab.
Themenschwerpunkt „Wie politisch darf Schule sein?“
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