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Die Schlacht um die Deutungshoheit

US-Präsident Trump sieht einer möglichen Veröffentlichung der kompletten Untersuchung gelassen entgegen – und spricht bereits von einem großen Tag für Amerika. Dabei ist seine Unschuld nicht eindeutig bewiesen

Von Bernd Pickert

Mit einem vierseitigen Schreiben hat US-Justizminister William P. Barr am Sonntag die Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Untersuchungen des Sonderermittlers Robert S. Mueller informiert, die dieser am Freitag vorgelegt hatte. Mueller war 2017 beauftragt worden herausfinden, ob es zwischen dem Wahlkampfteam des damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und russischen Stellen Absprachen gegeben hatte. Mehrere Datenleaks und entsprechende Veröffentlichungen ­zuungunsten der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton waren von US-Sicherheitsbehörden auf russische Interventionen zurückgeführt worden. Außerdem sollte Muellers Team herausfinden, ob Trump sich der Behinderung der Justiz schuldig gemacht habe, vor allem durch die Entlassung des damaligen FBI-Chefs James Comey, der sich der Ermittlungen ebenfalls angenommen hatte. Im Zuge der Ermittlungen waren mehrere ehemalige Trump-Vertraute wegen diverser Vergehen angeklagt und verurteilt worden (siehe Spalte).

Laut Barrs Schreiben haben die Ermittlungen keine Beweise für Absprachen zwischen Trumps Team und Russland erbringen können. Was den Vorwurf der Behinderung der Justiz angeht, kommt Mueller laut Barr allerdings zu keinem eindeutigen Schluss. Der Bericht, schreibt Barr nach weniger als 48 Stunden Prüfungszeit, liste sowohl be- als auch entlastende Fakten auf. Mueller habe geschrieben, sein Bericht „kommt nicht zum Schluss, dass der Präsident ein Verbrechen begangen hat, entlastet ihn aber auch nicht“. Daher obliege es ihm, Barr, zu entscheiden, ob ein entsprechendes Verfahren einzuleiten sei. Er habe „geschlossen, dass die während der Ermittlungen des Sonderbeauftragten zusammengetragenen Beweise nicht ausreichen, um daraus zu folgern, dass der Präsident das Vergehen der Behinderung der Justiz begangen habe.“

Trump selbst begrüßte Barrs Stellungnahme sofort überschwänglich. Es sei eine Schande, dass das Land und sein Präsident das alles haben durchmachen müssen, jetzt aber handele es sich um eine „vollständige und totale Entlastung“.

Vizepräsident Mike Pence erklärte, es sei „ein großer Tag für Amerika, Präsident Trump und unsere gesamte Regierung“. Nach zweijährigen Ermittlungen und „leichtfertigen Anschuldigungen durch viele Demokraten und Medien“ seien die Vorwürfe nunmehr vom Tisch. Jeder Amerikaner, der die Wahrheit und die Integrität des Wahlsystems liebe, sollte sich freuen.

Trumps Vertrauter, der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani, klagte, die Untersuchung sei von gegen den Präsidenten voreingenommenen Leuten wie ein ­Terrorismusverfahren durchgeführt worden. Die Demokraten sollten sich nunmehr entschuldigen, dann sei vielleicht Heilung möglich.

Kellyanne Conway, ebenfalls aus dem inneren Kreis der Trump-Vertrauten, forderte den Rücktritt des demokratischen Abgeordneten Adam Schiff vom Vorsitz des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses. Als jemand, der „Tag für Tag Lügen verbreitet“ habe, habe Schiff kein Recht mehr, dem Ausschuss vorzusitzen, sagte sie im Sender Fox News.

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders, betonte, Trump wäre einverstanden mit der Veröffentlichung des gesamten Berichtes. „Ich denke nicht, dass der Präsident ein Problem damit hätte“, sagte sie am Montag auf NBC. Trump würde es nur begrüßen, wenn mehr Details öffentlich würden, „denn er weiß genau, was geschah und was nicht“. Justizminister Barr hatte in seinem Schrei­ben betont, der Bericht werde unter Verschluss bleiben.

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