Fridays for Future weltweit: Demo-Neulinge gegen Klimawandel
Bis zu 20.000 junge Menschen waren in Berlin für eine bessere Klimapolitik auf der Straße. Und wie sah es an anderen Orten nah und fern aus?
Friday for Future war in Argentinien erst nach Schulschluss. Um 18 Uhr Ortszeit vor dem Kongressgebäude in Buenos Aires. Aufgerufen hatten die Jóvenes por el Clima Argentina, die Jugendlichen für das Klima Argentinien, eine kleine Gruppe klimabewegter SchülerInnen, die sich erst vor drei Wochen zusammengefunden hatte. „Hier steht noch alles auf Anfang. Heute ist der erste Friday for Future“, sagte Ludmila Feldman von den Jóvenes. Gerade seien die großen Sommerferien zu Ende und noch längst hätte nicht überall der Unterricht begonnen, meinte die 17-Jährige. „Wir hatten keine Ahnung, wie viele kommen werden“, so die Schülerin der Carlos-Pellegrini-Schule in Buenos Aires und freut sich über die gut 1.500 anwesenden SchülerInnen. „Ein toller Erfolg.“
Gekommen ist auch Claudia Mantiel. „Über Instagram habe ich davon erfahren, auf einer Seite für vegan lebende Menschen.“ Argentiniens Rinder stießen beim Verdauen enorme Mengen von Methan aus. Vegan leben sei für sie aktiver Klimaschutz, sagt die 20-Jährige und ist froh, dass das Thema Klimawandel endlich auch Argentiniens SchülerInnen erreicht hat.
Improvisierte Pappschilder prägen das Bild. „No tenemos un PLANet B – wir haben keinen PLANeten B“, lautet eines der Wortspiele darauf. Auf der kleinen Bühne gegenüber dem Kongress ist jetzt „offenes Mikrofon“. Wer möchte, bekommt eine kurze Redezeit. Die Bandbreite der RednerInnen ist groß, der gemeinsame Nenner ist klein: Aktiv werden gegen den Klimawandel. „Wir fordern, dass die Regierung den Klimanotstand ausruft“, sagt Eyal Weintraub. Der 18-jährige Absolvent der jüdischen ORT-Schule ist Mitbegründer der Jóvenes por el Clima Argentina. „Dies ist heute unser erste Schritt in die Öffentlichkeit“, sagt Weintraub. Weitere sollen folgen.
Aus Buenos Aires Jürgen Vogt
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Nanticha „Lynn“ Ocharoenchai ist nervös und überglücklich zugleich. Nervös ist die 21-jährige Studentin der Kommunikationswissenschaft, weil „Fridays for Future“ die erste Demo ist, die sie organisiert hat. Dass viele gekommen sind, macht sie aber überglücklich. „Auf Facebook hatten sich mehr als 400 angemeldet“, sagt Lynn. Auf der von notorischen Megastaus geplagten Kreuzung Asok und Sukhumvit hatten die Demonstranten kurz mal den Verkehr blockiert. Von da aus geht es mit der Hochbahn zwei Stationen nach Ploenchit und dann zu Fuß zum Siam Square. „Das sind Brennpunkte des Megaverkehrs in Bangkok“, erläutert Lynn. In diesem Augenblick sind es etwa 50 Demonstranten. Aber die Zahl ist fließend. Manche gehen nur ein Stück mit, andere kommen unterwegs hinzu.
Unter der Last seiner Megabebauung versinkt Bangkok etwa um zwei Zentimeter pro Jahr. Gleichzeitig frisst sich der steigende Meeresspiegel langsam in die Metropole. Bis 2030 werden gut 40 Prozent der Stadt betroffen sein.
Pete Sirayu ist zum ersten Mal in seinem Leben auf einer Demo. „Das ist ein ikonenhafter Moment. Greta Thunberg hat mich inspiriert“, sagt der 21-jährige Student. Amy, 17, will nur bei ihrem Vornamen genannt werden. Sicher ist sicher. Meinungsfreiheit steht in der Militärdiktatur nicht hoch im Kurs, auch wenn am 24. März erstmalig seit dem Putsch 2014 ein Parlament gewählt wird. Von den Parteien ist Amy enttäuscht. „Umwelt und Klima interessiert die nicht. Denen geht es nur um Macht und Geld.“
Aus Bangkok Harald Bach
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Rund 100 Schüler haben sich auf die Treppe vor dem Sejong Arts Center in der Seouler Innenstadt gesetzt, um mit Pappschildern und Reden gegen den Klimawandel zu demonstrieren. Einige von ihnen tragen weiße Atemmasken im Gesicht, ein derzeit üblicher Anblick in Südkoreas Hauptstadt. Die derzeit massive Luftverschmutzung, verstärkt durch Westwinde aus China, ist auch eindeutig das bestimmende Gesprächsthema unter den Jugendlichen.
„Die Klimaprobleme können wir nicht mehr einfach so ignorieren“, sagt die 15-jährige Bang Tae-ryung nach ihrer Rede. Sie nimmt zum ersten Mal an den Freitagsprotesten teil, doch sei jedoch bereits als Grundschülerin an Klima-Themen interessiert. Damit stünde sie an ihrer neuen Oberschule jedoch recht allein dar.
„Allerdings habe ich Glück mit meiner Lehrerin: Sie unterstützt, dass ich heute hier demonstriere und nicht in der Schule bin“, sagt sie.
Aus Seoul Fabian Kretschmer
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taz-Reporter*innen Anett Selle und Christopher Kammenhuber berichteten von den Schulstreiks in Düsseldorf und Berlin live auf Periscope.
Bis letzten Freitag waren es in ein paar italienischen Städten nur einige Dutzend Jugendliche, die freitags auf die Straße fanden. Doch der globale Schulstreik wurde jetzt ein Erfolg, der alle Erwartungen übertraf. Direkt vor dem Kolosseum in Rom versammelten sich tausende Schüler*innen und Student*innen, zogen von dort über die völlig verstopfte Straße der Kaiserforen hin zur Piazza Venezia.
„Ich finde es phantastisch, dass mit Greta Thunberg eine Altersgenossin diesen weltweiten Protest angestoßen hat“, meint die 15-jährige Gymnasiastin Luisa. „Wir sind die Generation, die die jetzt schon vorhandenen Umweltprobleme dreifach wird ausbaden müssen, die Generation, die im schlimmsten Fall den Weltuntergang erlebt“. Auf ihrem Plakat steht: „Jedes Individuum hat die Macht, die Welt zu verändern“. Giovanni ist 23, er studiert Ingenieurwissenschaften an der Uni Roma 3. „Die Menschheit sitzt auf einem Pulverfass“, meint er, für ihn jedenfalls sei die Zeit des Stillhaltens vorbei. So sieht das auch die 16-jährige Luisa, „Nichtstun geht nicht mehr, es ist an uns, die Dinge zu wenden“, sagt sie.
Aus Rom Michael Braun
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Unter dem Kinn tragen sie einen Mundschutz. In den Händen halten zwei Mädchen in Schuluniform eine schwarze Lunge aus Pappe. Die beiden fordern an diesem Freitag im nordindischen Gurgaon vor Hunderten anderer Schüler*innen ihr Recht zu Atmen ein. „Wir meinen es ernst,“ sagt der 15-jährige Veer Ojas. „Durch die massive Luftverschmutzung wird uns unsere Zukunft genommen.“ Mit ihren Forderungen an die Politik sind sie nicht alleine. In Indien nahmen erstmalig Schüler*innen, Student*innen, Eltern und Aktivist*innen an Freitagsdemonstrationen teil. 36 Aktionen wurden vom Norden bis zum Süden des Landes auf der Protestwebseite angemeldet. Organisiert wurden aber wahrscheinlich weitaus mehr. Auf Twitter tauchten weitere Veranstaltungsankündigungen auf.
Größere Aktionen fanden neben den nordindischen Städten Gurgaon und Delhi mit 400 und 300 streikenden Schüler*innen im südindischen Hyderabad mit 700 Teilnehmer*innen statt. Einige der Demonstrationen begannen erst nach 11.00 Uhr, um Schüler*innen in der Prüfungsphase die Teilnahme zu ermöglichen. Davon machte der 16-jährige Kayoz Dadyburjor Gebrauch, der nach seiner Chemieprüfung zum Protest in Mumbais Innenstadt zog. Auch wenn es in Mumbai nur wenige waren, mit denen er zusammen seinen Unmut ausdrückte, ist er zufrieden. „Was können wir anderes tun, als zu handeln?“ Bisher sind die Jugendlichen bei den Politikern auf taube Ohren gestoßen, die sich im Wahlkampf-Modus befinden. Umweltschutz steht eher nicht auf ihrer Agenda.
Aus Mumbai Natalie Mayroth
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In China ist Klimaschutz zwar inzwischen Teil der Staatsdoktrin. Doch einen Schulstreik erlaubt die autoritäre Führung in Peking nicht. Deswegen sind die Klimaproteste von Schülern weltweit allenfalls Thema in den sozialen Netzwerken, nicht jedoch auf der Straße.
Ganz anders in Hongkong im Süden Chinas, der ehemaligen britischen Kronkolonie und heutigen Sonderverwaltungszone, in der auch heute zumindest demokratische Rechte wie Meinungs- und Pressefreiheit anders als auf dem chinesischen Festland gelten. Mehr als 1.000 Schülerinnen und Schüler haben sich hier am Freitag im Regierungsviertel versammelt, um für mehr Klimaschutz zu werben, vor allem die der internationalen Schulen. Denn die Hongkonger Regierung unterstützt zwar nach eigenem Bekunden das Anliegen der Schulstreiks inhaltlich, aber den Hongkonger Schülern war es nicht erlaubt, dem Unterricht fern zu bleiben. Einige Hundert Hongkonger Schülerinnen und Schüler widersetzten sich dem aber.
Konkret fordern sie die Hongkonger Regierung auf, einen Jugendvertreter im städtischen Lenkungsausschuss für Klimawandel zuzulassen. „Es könnte von großem Vorteil sein, wenn der Klimawandel in Hongkong durch Jugendvertreter vertreten wird, da dies künftigen Generationen eine Stimme geben kann“, heißt es in dem Aufruf. Schülerinnen und Schüler vom chinesischen Festland beteiligten sich an dem Protest indirekt: Mit jeder Menge „Likes“ von weitergeleiteten Protestbildern in den sozialen Netzwerken.
Aus Peking Felix Lee
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Vor dem Düsseldorfer Rathaus sammelt man sich ab 11 Uhr. Schüler*innen sind hier, Eltern, Großeltern, Studierende, Lehrer*innen mit ihren Schulklassen. Der Platz ist überfüllt, überall Schirme und Schilder. Die Veranstalter*innen sagen, mit 500 hätten sie gerechnet: 7.000 seien gekommen.
„Kohlekonzerne – baggern in der Ferne – zerstören unsre Umwelt – nur für nen Batzen Geld!“, skandiert der Zug auf dem Weg durch die Stadt. Aus Schulen und Kindergärten winken Kinder aus offenen Fenstern und rufen mit.
Ein bisschen ist auch Greta Thunberg dabei: Ein großer Festwagen zeigt sie, wie sie der „Elterngeneration“ die Ohren lang zieht. Gebaut hat ihn Jacques Tilly für den Düsseldorfer Karneval, und es ist der erste Wagen, den er anschließend nicht zerstörte. Er hat ihn Fridays for Future geschenkt. Als Fridays for Future den Landtag erreicht, füllt die Menge die Wiese. Und dann wird gesprungen. „Wer nicht hüpft, der ist für Kohle!“, schallt es aus heisernen Kehlen.
Aus Düsseldorf Anett Selle
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„Weil ich will, dass unsere Welt besser wird und alle Tiere leben und die Wale und Eisberge nicht verschwinden und die Tiere nicht Plastik fressen müssen“, begründete die zehn Jahre alte Ziporah aus London ihre Anwesenheit bei Fridays for Future. So wie sie waren mehrere Tausend aus ihren Schulen und Universitäten zum Parlament geströmt und liefen nun hier durch die Gegend vor dem Parlament mit selbst gemalten Plakaten.
Vor dem Amtssitz der Premierministerin Theresa May bei Downing Street bildeten sich Menschentrauben. Die Stimmung war gehoben, friedlich und voller Hoffnung, aber laut. Die Südlondonerin Raya Branfod, 9 Jahre, sagte, sie sei hier, weil sie noch kein Mitspracherecht habe und noch nicht wählen könne. Matilda Penfold, 12, aus Nordlondon glaubt, dass Politikern der Brexit wichtiger ist als der Klimaschutz.
Aoufe Legdon, 12, Ashleigh Hunt, 12, Didi Russell, 11, aus Ostlondon, hatte die Schulleitung sogar verboten, zum Protest zu kommen. „Wir kamen trotzdem“, verkündeten sie begeistert. „Wozu brauchen wir eine gute Schulausbildung, wenn wir wegen dem Klimawandel keine Zukunft haben?“ Fraser Wilson, 17, mit einem Sweatshirt der Umweltorganisation Sea Shepard war sogar aus dem Südwesten England angereist. „Ich bin der einzige meiner Schule der gekommen ist. Ich hab einen auf krank gemacht. Es ist einfach sehr wichtig hier zu sein.“
Aus London Daniel Zylbersztajn
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Der Friday for Future in New York beginnt um elf Uhr am Washington Square. Ein paar hundert SchülerInnen und StudentInnen trotzen der Klimaignoranz in ihrem Land. „Jetzt! Nicht Morgen!“ Und: „No future – No school“ Und: „Green New Deal Sofort!“ steht auf ihren Transparenten. Die jüngeren sind in Begleitung von LehrerInnen und Eltern gekommen. Die Älteren studieren an der benachbarten NYU-Universität. Gemeinsam wollen sie die Erwachsenen und Machthabenden drängen, sich um das Klima, statt um die Mauer an der Südgrenze zu kümmern. Gleichzeitig finden auch in anderen Städten des Landes Demonstrationen statt. Aber von der Stärke der Bewegung in Europa sind die jungen KlimaaktivistInnen in den USA noch sehr weit entfernt: Die 13-jährige Alexandria Villasenor sitzt seit Dezember jeden Freitag allein auf einer Parkbank vor dem Hauptsitz der UNO in New York, um für eine bessere Klimapolitik zu demonstrieren.
„Ich hatte nicht mehr Leute erwartet“, sagt die 19-jährige Audrey, die an der NYU Umweltwissenschaft studiert. Der „Green New Deal“ der Abgeordneten Alexandria Ocasio Cortez erscheint ihr als guter Anfang. Aber sie sagt auch: „Wir müssen viel mehr tun“. Für die 18-jährige Computerwissenschaftsstudentin Miranda ist das Klima eines der großen Themen ihres jungen Lebens. Das andere sind die „Race Relations“. Wegen beiden ist sie in den letzten Monaten immer wieder auf die Straße gegangen. „Ihr bringt nicht nur den Planeten um, sondern auch Euch selbst“ hat sie mahnend auf ihr Poster geschrieben.
Sie ist mit ihrer gleichaltrigen Freundin Lexie gekommen, die an der NYU Psychologie studiert. Für Lexie ist Klima das wichtigste Thema außer der Schusswaffengewalt. Vor beinahe exakt einem Jahr, nach dem Massaker in einer Schule in Florida, war sie zum ersten Mal beim „March for our Lives“ auf der Straße. An diesem 15. März demonstriert sie gegen die zweite große Bedrohung für ihre Generation. „Die Zeit läuft uns davon“, hat sie als skeptischen Kommentar auf ihr Transparent geschrieben.
Aus New York Dorothea Hahn
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In Paris sind nicht nur zehntausende Menschen zum „Friday for Future“ auf die Straße gegangen, sondern auch zum „Saturday for Future“: Am Samstag haben allein in der französischen Hauptstadt weit über hunderttausend Menschen aller Generationen am Marsch für das Klima teilgenommen.
Unter den Marschierenden zwischen dem Platz Opéra und der République befanden sich neben den Jugendlichen auch viele Familien. In die Reihen der Demonstranten mischten sich am Samstagnachmittag auch viele „Gelbwesten“. Bereits am Freitagnachmittag waren allein in Paris rund 50.000 Jugendliche auf die Straße gegangen.
Aus Paris Rudolf Balmer
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