piwik no script img

Ariane Lemme über das Lebenslang-Urteil für die beiden Berliner RaserDie Straße verteidigen

Das Urteil ist hart. Zu hart ist es aber nicht. Sondern genau richtig. „Lebenslänglich“ wegen Mordes haben die beiden Raser bekommen, die 2016 bei einem illegalen Rennen einen unbeteiligten Autofahrer getötet hatten. Es ist das zweite Mal, dass das Berliner Landgericht so urteilt, in der Zwischenzeit hatte der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil aufgehoben. Es ging um die Frage, ob sie vorsätzlich oder nur fahrlässig gehandelt hatten.

Anders als der BGH ist das Berliner Gericht jetzt vom Tötungsvorsatz ausgegangen. Sowohl Marvin N. als auch Hamdi H. hatten bei ihrem illegalen Wettrennen vor der Kreuzung nicht gebremst, sondern beschleunigt. Angesichts der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers hätten sie außerdem „heimtückisch“ gehandelt, „niedrige Beweggründe“ seien durch das Missverhältnis zwischen dem Anlass – dem Autorennen und eigenem Geltungsdrang – sowie der Tat gegeben.

Man kann das hart finden. Aber warum richtet der Staat überhaupt? Nicht allein um zu strafen und schon gar nicht um Vergeltung zu üben, sondern um abzuschrecken. Das Zusammenleben kann nicht funktionieren, wenn Regeln, die zur Sicherheit aller gelten – rote Ampeln etwa –, nahezu ohne Konsequenzen übertreten werden können. Und offenbar schreckt der potenzielle Verlust des Führerscheins präpotente Narzissten nicht genügend ab. Der öffentliche Raum muss für alle – auch die Schwächsten – sicher sein, sonst ist keine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft möglich. Straßen sind, was Sicherheit, das Recht auf körperliche Unversehrtheit betrifft, nun mal ein besonders sensibler Bereich des öffentlichen Raums. Es darf hier also nicht das Recht des Stärkeren oder des Dreisteren gelten, desjenigen, der sich mit dem schnelleren Auto durchsetzt. In diesem Fall saß das Opfer in einen Jeep und hatte dennoch keine Chance.

Der Staat muss dafür sorgen, dass die Straßen für alle Verkehrsteilnehmer sicher sind, vor allem für die schwächsten. Er muss sie deshalb gnadenlos ­verteidigen.

inland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen