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Kinder an die Macht

Bei der Eiskunstlauf-WM in Japan will die 19-jährige Russin und einstige Seriensiegerin Evgenia Medvedeva ihre drei Jahre jüngere Thronfolgerin Alina Zagitova besiegen. Der Trend spricht jedoch gegen sie

Von Marina Mai

Wenn die russische Ex-Weltmeisterin im Eiskunstlauf Evgenia Medvedeva bei den Weltmeisterschaften diese Woche im japanischen Saitama ihr Comeback gibt, tut sie gut daran, vorher nicht in die sozialen Netzwerke zu schauen. Denn dort scheiden sich an der 19-Jährigen die Geister. Es gibt russische Eiskunstlauffans, welche die Moskauerin vergöttern, weil sie so ausdrucksstark über das Eis gleitet wie keine andere. Die anderen schimpfen sie eine Verräterin. Der Grund: Seit knapp einem Jahr trainiert Medvedeva nicht mehr an der Moskwa bei Eteri Tutberidze, die sie groß gemacht hat, sondern in Kanada bei Brian Orser gemeinsam mit der internationalen männlichen Weltelite ihres Sports.

2015 bis 2017 sammelte Medvedeva einen Titel nach dem anderen. Bei welchem Wettkampf sie auch antrat, sie gewann. Von ihrer heutigen Ausdrucksstärke war sie damals noch weit entfernt. Aber Medvedeva hatte eiserne Nerven und zauberte unter jedem Wettkampfdruck ihr beachtliches Sprungrepertoire sicher aufs Eis. Ihre Trainerin Tutberidze ist dafür bekannt, immer jüngere Mädchen zu wahren Meisterleistungen zu bringen. Doch wenn sie in die Pubertät kommen, wenn der Körper einer Sportlerin weibliche Formen bekommt und sich damit die Drehmomente beim Springen so stark ändern, dass oft alle Sprünge neu erlernt werden müssen, dann haben Tutberidze-Schülerinnen keine Chance mehr. Sie gelten als verbraucht. Die Trainerin kümmert sich dann lieber um jüngere Kufenkünstlerinnen aus ihrer Trainingsgruppe, die bereits Welt­spitze sind. So erging es Medvedeva in der letzten Saison. Über Monate fiel sie wegen zweier Ermüdungsbrüche aus und bei Olympia wurde sie von der drei Jahre jüngeren Trainingskameradin Alina Zagitova enttrohnt. Kanada war ihr Ausweg. Dort fasste sie wieder Selbstbewusstsein, hatte wieder Spaß an ihrem Sport und erlernte eine sauberere Sprungtechnik. Ihr Trainer Orser sagte einmal, sie hätte bei ihm erstmals eine Mitsprache bei Musikauswahl und Programmaufbau gehabt.

Doch bei den großen Wettkämpfen in dieser Saison lagen immer viele jüngere Russinnen vor ihr. Dass sie sich für einen der drei russischen Startplätze zu den Weltmeisterschaften qualifizieren konnte, grenzt an ein Wunder. Bei den Europameisterschaften war sie nicht dabei.

Der Zweikampf in Japan zwischen Medvedeva und Olympiasiegerin Zagitova ist für russische Fans ein hoch emotionales Thema. Die Auswanderin gegen die Einheimische. Die Abgeschriebene gegen die Junge. Dabei ist es gar nicht ausgemacht, dass diese beiden Frauen Gold und Silber unter sich ausmachen. Da will die dritte Russin Sofia Samodurowa, 16, ein Wörtchen mitreden. Aber auch drei sehr starke Japanerinnen wollen den Heimvorteil bei der auch in Japan sehr populären Sportart für Medaillen nutzen. Darunter ist die 16-jährige Rika Kihira, die das Grand-Prix-Finale gewann und als eine von ganz wenigen Frauen einen dreifachen Axel beherrscht.

Die ganz jungen Läuferinnen sind die Favoritinnen bei dieser WM. Dabei sind ältere Eiskunstläuferinnen künstlerisch oft stärker. Die Zuschauer kennen sie auch seit Jahren, haben die Höhen und Tiefen ihrer Karrieren miterleben können, hoffen mit ihnen. Die 32-jährige Italienerin Carolina Kostner allerdings, die seit 16 Jahren Europa- und Weltmeistertitel sammelte, ist ebenso wenig am Start wie Titelverteidigerin Kaetlyn Osmond aus Kanada.

Und es deutet sich bereits an, dass auch im nächsten Jahr wieder neue Gesichter bei internationalen Meisterschaften gewinnen werden. Denn die Plätze eins bis drei bei den Russischen Titelkämpfen haben drei Vierzehnjährige errungen, die altersbedingt erst im nächsten Jahr bei internationalen Meisterschaften starten können. Sie beherrschen Sprünge mit vierfacher Umdrehung und läuten damit eine neue Ära im Dameneiskunstlauf ein – genau wie die erst 13-jährige Amerikanerin Alysa Liu.

Davon ist die deutsche Meisterin Nicole Schott weit entfernt. Die 22-Jährige, die sich bei den Weltmeisterschaften im vergangenen Jahr über einen 13. Platz freuen konnte, hat kein gutes Jahr. Dass sie dennoch zur WM fahren darf, liegt daran, dass ihre nationalen Konkurrentinnen ein noch schlechteres Jahr hatten.

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