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Stefan Alberti über Kostenschätzungen für EnteignungEin Blick aufs Preisschild kann nicht schaden

Stefan Alberti ist Redakteur für Landespolitik bei der taz.berlin

Es war der 8. Januar, als das Thema Enteignung, getragen von der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, das Großthema in Berlin wurde. In einer an jenem Dienstag veröffentlichten Tagesspiegel-Umfrage gaben nämlich rund 55 Prozent der Befragten an, sie fänden es richtig, „dass es Bestrebungen gibt, Großvermieter gegen Entschädigung zu enteignen“. Weniger als 34 Prozent waren dagegen. Für Enteignung votierte sogar mehr als jeder dritte FDP-Wähler.

Das ließ die Politik rotieren, vor allem Regierungschef Michael Müller (SPD). Der mühte sich merklich, Druck aus dem Kessel zu nehmen, und kündigte an, von der Deutsche Wohnen über 50.000 Wohnungen zurückkaufen zu wollen, die mal in Landeshand waren.

Was bei der Befragung damals leider fehlte, war ein Preisschildchen: Was es denn das Land Berlin kosten würde, wenn es als Ergebnis eines Volksbegehrens die Eigentümer von rund 240.000 Wohnungen entschädigen muss. Solche Kostenschätzungen aber gibt es inzwischen, und die aktuellste ist die wichtigste: Sie kommt von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Deren Chefin Katrin Lompscher steht nicht in dem Ruf, auf Bestrebungen zu mehr Landeseinfluss allergisch zu reagieren. Ihre Linkspartei hat sich schon im Dezember hinter das Volksbegehren gestellt.

Das gibt dieser Schätzung einen besonderen Wert. Sie liegt mit 29 bis 36 Milliarden Euro nämlich nicht nur über der Schätzung der Initiative – 7 bis 12 Milliarden –, sondern auch deutlich über der des Wohnungsverbands BBU, der von über 25 Milliarden ausgeht.

36 Milliarden, das ist im schlechtesten Fall fünf Mal so viel wie bei der Schätzung der Initiative und mehr als ein kompletter Berliner Jahreshaushalt, der bei rund 30 Milliarden liegt. Diese Zahl macht das Vorhaben und seine Folgen um einiges konkreter als bei der Umfrage vom Januar. Ob bei einer Wiederholung erneut eine Mehrheit Enteignung so toll fände, dürfte darum ziemlich fraglich sein.

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