Tödliche Selbstüberschätzung

Im zweiten Prozess um das Ku’damm-Rennen mit Todesfolge sagt erstmals einer der Angeklagten aus

Vier beschriebene Seiten sind es, die einer der Angeklagten überfliegt und wieder zu einem Verteidiger schiebt. Es ist die mit Spannung erwartete Erklärung eines der Männer, die als Ku’damm-Raser bekannt geworden sind. Mehr als drei Jahre nach dem tödlichen Autorennen in der Berliner City bricht der 27-Jährige am Dienstag vor dem Landgericht sein Schweigen. Er sei damals überzeugt gewesen, dass durch seine Raserei „niemals etwas passiert, weil ich einfach zu gut war“.

Er habe sich in seiner Selbstüberschätzung für einen perfekten Fahrer gehalten. Er habe geglaubt, dass er „jede vorstellbare komplizierte Situation im Griff haben würde“. Bis heute verstehe er nicht, wie es zu einem solchen Maß an Selbstüberschätzung gekommen sei.

Die beiden Angeklagten sollen sich in der Nacht zum 1. Februar 2016 ein illegales Rennen auf dem Kurfürstendamm geliefert und bei der Raserei mit bis zu 170 Kilometern in der Stunde tödliche Folgen billigend in Kauf genommen haben. An einer Kreuzung war es zu einem Zusammenstoß mit einem Jeep gekommen, für den die Ampel auf Grün stand. Der Wagen wurde 70 Meter weit geschleudert. Der 69-jährige Fahrer starb noch in seinem Auto.

Die Angeklagten befinden sich seit drei Jahren in Untersuchungshaft. Für Aufsehen sorgte das erste Urteil: Erstmals in Deutschland wurde in einem Raser-Fall auf Mord und lebenslange Freiheitsstrafen entschieden. Doch im März 2018 hob der Bundesgerichtshof (BGH) die Entscheidung auf und ordnete eine neue Verhandlung vor einer anderen Kammer des Berliner Landgerichts an. Der BGH sah den bedingten Tötungsvorsatz nicht ausreichend belegt.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagten einen tödlichen Unfall als möglich erkannt, das aber billigend in Kauf genommen haben. Die Verteidiger dagegen sagen, der Mordvorwurf sei nicht zu halten. Solchen Rasern käme das Risiko ihrer Fahrt erst gar nicht in den Sinn, sagte einer der Anwälte im Laufe des Verfahrens. Sie seien „zu einem bedingten Tötungsvorsatz schlichtweg nicht fähig“.

Einer der Söhne des Getöteten sagt nach der Erklärung des 27-Jährigen, er erwarte eine Verurteilung wegen Mordes. Dass einer der Angeklagten sein Schweigen gebrochen habe, halte er für „ein taktisches Manöver und den Versuch, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen“. Ein neues Urteil des Landgerichts scheint in Sicht: Am 7. März soll der Staatsanwalt plädieren. Zum Urteil könnte es nach derzeitigen Planungen am 26. März kommen. (dpa)