: Sport mit Zukunft
Viele Paralympic-Athlet*innen können ihre Leistungssportkarriere bisher nur schwer finanzieren. Das will Niedersachsen jetzt ändern –mit Förderung und Jobs
Von Nina Hoffmann
Wer vom Leistungssport leben möchte, ist in den meisten Sportarten auf Sponsoren und Stipendien angewiesen. Für Athleten der Paralympischen Spiele reichen allerdings auch diese finanziellen Förderungen selten aus, um ihren Alltag langfristig durch sportliche Leistungen finanzieren zu können. Niedersachsen will das nun ändern und der Landtag hat den Antrag der Grünen für die Ermöglichung einer dualen Karriere von paralympischen und olympischen Athleten im Landesdienst einstimmig angenommen.
Geschaffen werden sollen zehn Sportförderstellen und neue Jobperspektiven in unterschiedlichen Behörden. „Um weiterhin gute Perspektiven für den Spitzensport in Niedersachsen zu haben, ist es unverzichtbar, die Vereinbarkeit von sportlicher und beruflicher Entwicklung der paralympischen und olympischen Athletinnen und Athleten zu stärken“, sagt Innen-und Sportminister Boris Pistorius (SPD).
Profitieren könnte davon auch Paralympic-Sportler Steffen Lehmker. „Ich stehe gerade vor genau der Herausforderung, Leistungssport und Beruf zu verknüpfen“, sagt der 30-Jährige, der vergangenes Jahr bei den Paralympischen Winterspielen von Pyeongchang Bronze im Para-Langlauf der Mixed-Staffel 4 mal 2,5 Kilometer geholt hat.
„Ich schließe gerade mein Studium ab und werde bald als Lehrer Wirtschaftswissenschaften und Sport unterrichten“, sagt der gebürtige Uelzener, der seinen rechten Arm aufgrund einer Plexuslähmung, also eines Funktionsausfalls des Nervengeflechts, nur eingeschränkt nutzen kann. Wie er in Zukunft seinen Beruf mit dem Para-Biathlon und -Langlauf vereinen wird, ist bisher noch unsicher. „Aktuell steht die Idee im Raum, dass ich eine halbe Stelle als Lehrer und eine halbe Stelle im Kultusministerium als Integrationsbeauftragter annehme“, sagt er. „Letztere würde dann als Deckmantel für den Leistungssport dienen. Im Gegenzug gehe ich zu Fototerminen oder besuche Messen.“ Sicher ist das allerdings noch nicht.
Auch auf die angekündigte Förderung des Landes will er sich noch nicht verlassen. „Wenn das mit der halben Stelle nicht klappt, werde ich mich vor allem auf meinen Beruf konzentrieren“, sagt Lehmker. „Es war definitiv eine schöne Zeit und ich würde gerne weitermachen, aber von 200 bis 300 Euro im Monat kann ich keine Familie ernähren.“
Steffen Lehmker, Paralympic-Sportler und Bronzemedaillen-Gewinner von Pyeongchang
Um zu verhindern, dass sich Sportler wie Lehmker von den Paralympics abwenden, sollen in Niedersachsen strukturelle Möglichkeiten geschaffen werden, um Sport und Beruf zu verknüpfen. „Es müssen Freiräume geschaffen werden, in denen die Athleten trainieren können. Wie das genau aussieht, hängt vom Einzelfall und der Disziplin ab“, sagt Belit Onay von den Grünen, der im Landtag Sprecher für das Thema Sport ist. „Das Konzept wird sich natürlich mit der Zeit weiterentwickeln.“
Bis das geschehen ist, könnte Nachwuchsathlet Phil Grolla bereits auf Jobsuche sein. Der 18-Jährige steckt gerade mitten im Abitur. Dass sein zukünftiger Beruf mit seinem Sport vereinbar sein muss, steht für ihn bereits jetzt fest. „Den Sport vermisse ich schon, wenn ich eine Woche pausiere“, sagt der Para-Leichtathlet, der ohne linken Unterarm zur Welt gekommen ist. „Durch den Sport habe ich einfach immer ein klares Ziel vor Augen, das möchte ich nicht aufgeben.“
Ob bei der Bundeswehr, dem Zoll oder bei der Polizei: Bereits vorhandene Sportförderstellen beweisen, dass Beruf und Leistungssport einander nicht unbedingt widersprechen müssen. Athleten bekommen die Möglichkeit, ihre Ausbildung zu verlängern und Trainingseinheiten zu integrieren. Dass dieses Konzept nun auf einen Bereich ausgeweitet wird, der für Paralympic-Athleten leichter zugänglich ist, freut sowohl Grolla als auch Lehmker. „Letztlich kann der Leistungssport eben nur funktionieren, wenn eine berufliche Entlastung stattfindet“, so Lehmker.
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