Eric Bonse über die EU-Einigung zu Nordstream 2: Deutschland zuerst
Deutschland legt bekanntlich großen Wert auf die Einhaltung der EU-Regeln. Nur wenn es um die Energiepolitik geht, drückt die Kanzlerin schon mal ein Auge zu. So auch bei der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2, die russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland pumpen soll.
Merkel wollte die Röhre in einem rechtsfreien Raum bauen, Brüssel sollte außen vor bleiben. „Es wäre ein schwarzes Loch gewesen“, so der Sprecher von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Doch Brüssel hat es, zusammen mit Frankreich, nun doch noch geschafft, ein wenig für Ordnung zu sorgen.
Nord Stream 2 wird dem EU-Recht unterworfen. Zugleich wird festgeschrieben, dass für alle Pipelines aus Drittstaaten die EU-Regelungen gelten. Der russische Anbieter Gazprom muss die Kontrolle über die Röhre abgeben, was Moskau nicht gefallen dürfte. Brüssel feiert das – gegen eine unsolidarische Politik des „Deutschland zuerst“ habe sich das „Europa zusammen“ behauptet, so Reinhard Bütikofer. Auch die EU-Kommission ist zufrieden – und wehrt kritische Nachfragen nach den Folgen der Einigung ab. Dabei steckt der Teufel im Detail.
Schon jetzt gibt es zwei gegensätzliche Interpretationen der Einigung – eine deutsche und eine französische. Die französische besagt, dass das Projekt ab sofort von der EU beaufsichtigt wird. Die deutsche Haltung: Zuständig sei jenes Land, in dem die Pipeline europäischen Boden erreicht – also Deutschland.
Tatsächlich spricht viel dafür, dass Nord Stream 2 unter deutscher Kontrolle bleibt. Damit ist das Problem aber nicht gelöst, die Osteuropäer fühlen sich weiter übergangen, die USA machen weiter Druck, um ihr schmutziges Frackinggas nach Europa zu verkaufen.
Auch hier plant die Bundesregierung einen faulen Kompromiss. Sie will neue Terminals für Flüssiggas made in USA bauen, auch wenn dieses Gas noch viel zu teuer ist. Letztlich will Merkel es allen recht machen, aber zugleich den wirtschaftlichen Vorteil behalten. „Deutschland zuerst“ – in der Energiepolitik gilt dies weiter. Leider.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen