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Heiße Phase

Der Sommer 2018 gab einen Vorgeschmack auf das, was der Klimawandel bedeutet: für die Landwirtschaft allgemein – und für Biobauern. Auf der Biofach wird das Wetter in diesem Jahr auch ein relevantes Thema sein

Von Alina Schwermer

Ende 2018 lief eine Geschichte auf vielen Kanälen: Mehrere Biobauern verklagen zusammen mit Greenpeace die Bundesregierung. Die drei Familien aus Norddeutschland erklärten, sie sähen sich durch den Klimawandel in ihrer Existenz bedroht. Eine Familie musste wegen steigender Durchschnittstemperaturen ihre Kirschbäume abholzen, weil sich dort Fruchtfliegen angesiedelt hatten, eine andere auf der Insel Pellworm klagte über heftige Ernteeinbußen durch Sturmfluten und Starkregen. Drei Biohöfe und Greenpeace also wollen die Einhaltung der Klimaschutzziele 2020 erkämpfen, die längst als verpasst gelten. Was indes der Klimawandel für Biobauern und auch für konventionelle Landwirte bedeuten könnte, hat möglicherweise der Sommer 2018 illustriert.

„Besonders betroffen von den extremen Wetterbedingungen sind die Biobäuerinnen und -bauern“, schrieb der Dachverband BÖLW (Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft) Ende Juli 2018. Der BÖLW hatte gewiss im Ringen um Finanzhilfen ein Interesse daran, seine Klientel als besonders notleidend zu schildern. Dass sie grundsätzlich schlimmer dran wären, ist gar nicht eindeutig. Wer wie stark betroffen ist, kommt offensichtlich auf das Produkt an. Für Bio­bauern war die Dürre vor allem in Sachen Tierhaltung problematischer als für ihre konventionellen Kollegen. „Biobauern pflanzen einen Großteil des Tierfutters auf dem eigenen Hof an“, so Joyce Moewius, Sprecherin des BÖLW.

„Im Nordosten zum Beispiel war die Futterernte durch die lange Trockenheit extrem schlecht. Als Ausnahmen durften die Biobauern, die deshalb besonders stark von der Dürre betroffen waren, Futter zukaufen, damit ihre Tiere satt werden. Beim Ackerbau waren Biobauern generell nicht stärker von der Dürre betroffen als konventionelle Bauern.“

Anton Hofreiter erklärte während des Hitzesommers sogar: „Biobauern sagen, dass im Vergleich zu konventionellen Kollegen ihre Ernten bei Weitem nicht so stark betroffen sind.“ Ist Biolandwirtschaft widerstandsfähiger oder empfindlicher im Klimawandel? Das muss sich zeigen. Teilweise sind Biohöfe besser gerüstet: Größere Diversität kann helfen, wenn ein Wetterextrem den Ertrag einer Frucht bedroht. Biogetreide scheint weniger hitzeempfindlich als konventionelles Getreide. Und weil die Bio­bauern keine chemischen Pestizide nutzen, sind die Böden gesünder, vielfältiger und können in einer Trockenphase Wasser besser speichern.

Allerdings gibt es auch spezifische Probleme: Der norddeutsche Hof mit den Fruchtfliegen etwa musste die Kirschbäume fällen, weil der Bauer keine Pestizide nutzen wollte. Im Sommer gab es außerdem Berichte, dass gerade viele alte Obst- und Gemüsesorten, die in Biobetrieben gern angebaut werden, mit der Hitze überfordert seien. Und die Einbußen bei den Futterpflanzen trafen vor allem die Biobetriebe. Die Frage, wie man mit solchen Wetterextremen in Zukunft umgehen kann, betrifft die Landwirte hingegen gleichermaßen.

„Die Bauern müssen sich anpassen“, so Moewius. „Man kann immer dafür sorgen, dass man ein stabiles System hat. Man kann etwa den Boden gesund halten mit Ökoanbau, dann ist er resilienter und kann Wasser schneller aufsaugen. Bio ist in so etwas besser und kann Wetterlagen zu einem gewissen Grad abpuffern. Aber Extreme wie die Dürrekatastrophe 2018 kann kein System bewältigen.“ Auch müsse man über andere Produkte nachdenken. „Die Bauern schauen, welche Kulturen sie anbauen und welche Sorten sich gut eignen, wenn Regionen trockener, wärmer oder kälter werden. Soja oder Erdnüsse in Bayern oder Wein in Schleswig-Holstein.“ Damit könnte der Klimawandel zu ganz grundsätzlichen Umstellungen führen.

Ende August hatten acht Bundesländer Schäden in Höhe von 3 Milliarden Euro durch die Dürre gemeldet. Eine Milliarde Euro Entschädigungszahlungen wollte der Bauernverband gern von der Bundesregierung haben. Die beschloss letztlich maximal 340 Millionen Euro Nothilfen, je zur Hälfte vom Bund und von den Ländern gezahlt. Allerdings nur für die Betriebe, die mindestens 30 Prozent ihrer durchschnittlichen Jahresernte einbüßten und in ihrer Existenz gefährdet waren. Vor allem im deutschen Nordosten waren Landwirte betroffen, darunter in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, und Schleswig-Holstein.

Dass die Landwirtschaft dabei eine zwiespältige Rolle einnimmt, dessen ist man sich auch beim BÖLW bewusst. „Die Landwirtschaft ist Täter und Opfer der Klimakrise zugleich“, sagt Joyce Moewius, „und kann auch helfen, Kohlenstoff des überschüssigen CO2 der Atmosphäre zu entziehen und im Boden festzusetzen. Die Politik ist gefragt. Agrarpolitik muss klimafreundliches Wirtschaften fördern, und schädliche Praktiken müssen gestoppt werden. Es wird wenig populär werden, Landwirtschaft zu unterstützen, wenn das System gleichzeitig eine schädliche Rolle fürs Klima hat.“ Insgesamt ist Bio-Landwirtschaft in Deutschland laut BÖLW gewachsen. So stieg 2017 die Zahl aller deutschen Biohöfe um 7,5 Prozent auf insgesamt 29.174 an. Mehr als jeder zehnte Hof in Deutschland sei von einem Biobauern bewirtschaftet.

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