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Theresa May im Unterhaus zum BrexitGroßbritannien bleibt in der Bredouille

Großbritanniens Premierministerin hat ihren Plan B vorgestellt – doch fest steht noch nichts. Sie will wieder mit der EU verhandeln.

Theresa May während der Unterhaussitzung am Montag Foto: dpa

London taz | Großbritanniens Premierministerin Theresa May will die schwierige Irland-Frage aus den Brexit-Gesprächen wieder aufmachen. Die bisherige Regelung, wie sie im Abkommen über den EU-Austritt festgelegt ist, der sogenannte Backstop, treffe weiterhin auf Besorgnis im Parlament, sagte May in einer Erklärung im Unterhaus in London am Montag.

Die Premierministerin gab an, dass sie mit der nordirischen DUP in den kommenden Tagen darüber verhandeln werde, wie der gordischen Knoten über die Grenzfrage in Nordirland gelöst werden könne. Mit dem Ergebnis wolle sie anschließend die EU konfrontieren. Der Backstop sieht vor, dass das Vereinigte Königreich in einer Zollunion mit der EU bleibt, wenn keine andere Vereinbarung getroffen wird.

May widersprach Medienberichten, wonach sie das Karfreitagsabkommen ändern will, um das Problem mit einer Grenze in Irland nach dem Brexit zu lösen. Das Abkommen hatte vor gut 20 Jahren den blutigen Konflikt in Nordirland beendet.

Mays mit Brüssel ausgehandeltes Brexit-Abkommen war in der vergangenen Woche mit überwältigender Mehrheit vom Parlament in London abgelehnt worden. Nun musste sie vor den britischen Abgeordneten ihren „Plan B“ für den Austritt aus der EU vorstellen. Allein: Der Plan steht noch nicht fest. Die letzten Details sollten erst vor der Abstimmung darüber am kommenden Dienstag angekündigt werden, so May. Sie gab zu verstehen, dass sie weder auf die Forderungen nach einer zweiten Volksabstimmung eingehen noch Artikel 50 stoppen würde. Nach diesem Artikel des EU-Vertrags endet die EU-Mitgliedschaft spätestens zwei Jahre, nachdem der Austritt offiziell erklärt wurde.

Suche nach breiter Basis

Beides stehe nicht im Einklang mit den Wähler*Innen, so May. Der einzige Weg vorwärts sei es, gemeinsam mit dem Parlament, den demokratischen Vertreter*Innen aus Nordirland, Schottland, Wales und England, mit allen parlamentarischen Ausschüssen, den Gewerkschaften und der Geschäftswelt einen neuen Plan zu entwickeln. Dies würde zu dem besten Abkommen führen und auch die Unterstützung der EU erhalten.

Eine Überraschung war ihre Ankündigung, dass die 65 Pfund Gebühr (73 Euro) für EU-Bürger*innen, die das permanente Aufenthaltsrecht beantragen wollen, abgeschafft werde.

May widersprach Berichten, sie wolle das Karfreitagsabkommen ändern

Das Unterhaus muss sich nun durch eine große Anzahl von parlamentarischen Änderungsanträgen wälzen, deren Reichweite von einem zweiten Referendum bis zu Bürger*innenräten geht, die statt den Politiker*innen eine Entscheidung treffen sollen. Vor allem verlangen einige einen Stopp des Artikel 50, sollte ein No-Deal-Szenario Ende Februar wahrscheinlich werden. Darauf bezieht sich ein Antrag von Yvette Cooper, die den parlamentarischen Innenausschuss leitet.

Die Situation bleibt somit vertrackt. Die EU lehnte den neuen Vorstoß Mays für Nachverhandlungen zum Brexit ab. Seit vergangener Woche habe sich nichts geändert, erklärte ein Sprecher von EU-Ratschef Donald Tusk nach dem Statement. „Wir sind immer bereit, uns zu treffen und zu reden.“ Doch hätten die bleibenden 27 EU-Staaten schon im Dezember gesagt, dass das Austrittsabkommen nicht nachverhandelt werden könne. (mit dpa)

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12 Kommentare

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  • May befindet sich halt auch "between a rock and a hard place". Ihr Wahlauftrag ist, das erste Brexit-Referendum umzusetzen. Ein zweites zu veranstalten, würde UK vielleicht den Brexit ersparen, aber im Zweifel um den Preis eines noch zerstritteneren Landes und weit weniger Status innerhalb der EU. Es scheint noch nicht einmal so, als sei die Stimmung wirklich contra Brexit gekippt, also wäre der Ausgang auch noch unsicher.

    Das Parlament (bzw. der Teil der am Brexit festhalten möchte) auf der anderen Seite erwartet von ihr, dass sie genau die Dinge noch in die Trennung hineinverhandelt, die die EU ihr partout nicht geben will. Das Votum vergangene Woche dürfte - außer von den Hard-Brexiteers - sicher auch als Versuch zu verstehen sein, ihr dafür ein Druckmittel in die Hand zu geben (Madman-Konzept), aber Pokern kann Brüssel halt auch.

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Plan B ist Plan A. May will also einen ungeregelten Brexit. Endlich ist es raus.



    Wie offenbar der "Oppositionsführer", der weder Opposition ist, noch führt. Corbyn ist ein lächerlicher Hanswurst, allerdings mit einer klaren Anti-EU-Agenda.



    Nimmt man jetzt die Anderen, ehrlicherweise schon immer erklärten hardline-brexiteers hinzu, plus die übrigen Verirrten in den Reihen der nordirischen Fanatiker, ist die Mehrheit für einen No-Deal perfekt.



    Aber die Unvernunft und die gegen die Menschen und ihre Wünsche gerichtete Politik der Zerstörung wird auch nach dem Austritt GB aus der EU weiter gehen.



    In Nordirland gärt es, die Schotten planen ihren Austritt, der Chauvinismus in England wird noch weiter zunehmen und kein einziges echtes Problem wird angegangen.



    Cui bono ?



    Die englische Seele wird gestreichelt, auch wenn das Empire verloren bleibt und egal, ob das satt macht.



    Wenigstens wird es den Strippenziehern dieses desasters nicht schlechter gehen.



    Rupert Murdoch wird weiter seine Schundblätter verkaufen, Boris Johnson und Nigel Farage werden weiter ihree Umwelt verhöhnen und den lustigen Clown abgeben, der unsägliche Rees-Mogg posiert weiter als konservativer Staatsmann aus dem vorvergangenen Jahrhundert mit vorsintflutlichen Vorstellungen; die reiche Oberschicht, die das Land im Würgegriff hat, transferiert ihr money dann eben von der Insel in Richtung Steueroasen.

    www.spiegel.de/wir...ien-a-1244351.html

    Rees-Mogg macht vor, wie man sein Geld vor den Folgen einer Politik der Unvernunft gewinnbringend in Sicherheit bringt.

    www.theguardian.co...ond-irish-fund-scm

    • @60440 (Profil gelöscht):

      "Corbyn ist ein lächerlicher Hanswurst, allerdings mit einer klaren Anti-EU-Agenda."

      Das ist zwar falsch, aber es ist typisch, dass Sie auf die Linken einschlagen.

      Die jetzige Situation wurde von den Konservativen geschaffen. Und sie besitzen die Mehrheit im Parlament, um sie zu lösen. Die Opposition kann das mangels Mehrheit garnicht.

      • 6G
        60440 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Corbyn ist gottlob nicht die Linke in GB. Drum schlage ich auch nicht auf "die Linken" ein, sondern auf den lächerlichen Hanswurst (und auf die anderen Amateure wie May, Rees-Mogg, Johnson, die DUP), die einem englischen Chauvinismus fröhnen und sich an ihrer eigenen Mediokrität erfreuen).



        Corbyn ist nur immer gegen Alles, er war schon Anfang der 70er Jahre gegen einen EU Beitritt GB und hat an seiner Haltung nichts geändert. Was sind schon 40 Jahre ? Im Referendumswahlkampf blieb er weitgehend still, auf den zum Teil machtvollen Demos für den Verbleib GB in der EU in London, erschallten "Wo ist Corbyn"-Rufe. Er war nicht da.



        Er wurde und wird seiner Aufgabe nicht gerecht, die Opposition zu führen und klare Alternativen zu präsentieren. Zwischen 72--78 % der Labour-Anhänger und zwischen 52-58 % der Menschen in GB sind mittlerweile für den Verbleib ihres Landes in der EU.



        Corbyn kann somit nicht einmal die Interessen seiner Parteianhänger, geschweige denn die des Landes vertreten.



        In einem Parlament, das dank eines Mehrheitswahlrechts im großen und ganzen aus zwei Parteien besteht, muss es in einer existentiellen Frage eine Alternative geben, sonst bricht der Laden auseinander. Wie man gerade sieht.



        Und ein Oppositionsführer, der nach einer historischen Schmach einer Premierministerin im Unterhaus - beigebracht - gerade auch von mehr als einem Drittel ihrer eigenen Leute, keinen Nutzen zieht, ist nur in der Person Corbyns zu finden.



        Es gibt einige überzeugte EU-Anhänger unter den Tories. Ein echter Oppostionsführer hätte sich klar zur EU bekannt, zu einem zweiten Referendum, die zahlreichen Fehler Mays und die Unmöglichkeit ihrer Politik der Quadratur des Kreises aufgezeigt und versucht über die Parteigrenzen hinweg Mehrheiten zu finden.



        Wie es in Spanien Pedro Sanchez beim Misstrauensvotum gegen Mariano Rajoy gelang. Sanchez hatte ursprünglich auch keine parlamentarische Mehrheit.

        • @60440 (Profil gelöscht):

          Sie haben scheinbar wirklich keine Ahnung, wie das britische Parlament funktioniert. Koalitionen sind dort unbekannt. Die Regierung führt und die Opposition gibt Kontra. So läuft das in GB seit Jahrhunderten.

          C. macht genau das, was man in GB von einem Oppositionsführer erwartet. Als Reaktion auf Mays Versagen, hat er versucht, Neuwahlen herbeizuführen, um sich ein Mandat für eine Regierungsbildung zu besorgen. Im Wahlkampf hätte er natürlich dann auch seinen Plan bekanntgeben müssen. Darüber hätten die Briten dann abstimmen können. So ist es nicht gekommen. Es kommt nicht zu Neuwahlen, weil die konservativen Abgeordneten zu Recht um ihre Posten fürchten. Dort sitzen die Hanswurste und Hanswurstinnen. Sie dreschen in die falsche Richtung.

          PS: Natürlich ist C. links. Ihm wird ja sogar ständig vorgeworfen, dass er zu links ist. Und er hat ein Programm zum Umbau des Landes. Der Brexit steht aber nicht im Mittelpunkt. Warum auch? Sein Programm geht mit und ohne.

          • 6G
            60440 (Profil gelöscht)
            @warum_denkt_keiner_nach?:

            Es gab in GB sehr oft Koalitionen. Schlagen Sie mal nach. Noch öfter gabs Abstimmungen einzelner Abgeordneter gegen die Parteilinie.



            Schlagen Sie mal nach.



            Das ging seit Jahrhunderten so.



            Ein Oppositionsführer muss natürlich erst einmal einen Standpunkt haben, Mehrheiten herbeiführen, gestalten wollen.



            Nur dagegen zu sein, wie die Abgeordneten der DUP und die hardcore-brexiteers (eine unheilige große Koalition des grundfalschen Weges) und stets und ständig zu polarisieren reicht da natürlich nicht.



            Aber das ist bei Sahra Wagenknecht, Luc Melenchon, Alexander Gauland, Putschdämon oder Le Pen nicht anders.

            PS: Wer gegen Europa ist, wie die vorgenannten und Corbyn, ist nicht links. Sondern irgendwie anders.



            Dagegen halt.

            Kommentar gekürzt. Bitte bleiben Sie sachlich.

            Die Moderation

            • @60440 (Profil gelöscht):

              "Bitte bleiben Sie sachlich."

              Koalitionen gab es sehr selten. Meist im Krieg. Schlagen Sie mal nach.

              "Noch öfter gabs Abstimmungen einzelner Abgeordneter gegen die Parteilinie."

              Ja und? Ist ja auch gerade passiert. Aber trotzdem waren diese Abgeordneten nicht bereit, die Regierung zu stürzen und Neuwahlen herbeizuführen. Und die braucht es nun mal, damit C. regieren kann. Im Wahlkampf hätte er zusätzlich zu seinem Programm für einen massiven Umbau Großbritanniens auch einen Plan bezüglich des Brexit vorstellen müssen. Das haben ihm die konservativen Abgeordneten erspart.

              Sie haben übrigens eine sehr merkwürdige Vorstellung davon, was links ist. Bedingungslose Gefolgschaft zu einer EU, die hauptsächlich auf die Interessen von Konzernen zugeschnitten ist, ist jedenfalls alles andere als links. Linke stellen die Bürger in den Vordergrund. Und das tun Sahra Wagenknecht, Luc Melenchon und Corbyn. Sie sind für die EU. Aber für eine andere, bessere EU. Das ist in der Tat "irgendwie anders".

  • Ich denke, sie hat einfach die Memoiren von Maggie Thatcher gelesen und ist davon überzeugt, dass sie die eiserne Lady jetzt noch übertreffen kann: Nachdem die EU sich jahrelang zur Mitgliedschaft der Briten zu Sonderbedingungen erpressen ließ, will Sie ihr jetzt die Sonderbedingungen auch noch nach dem Austritt abpressen. Und ich glaube, sie hat dafür wesentlich bessere Chancen, als es im Moment für uns alle aussieht. Sie wird am Ende bekommen, was sie will.

  • Gibt es nicht irgend ein altes Gesetz, dass die Übergabe der Macht an die Queen regelt, wenn die Premierministerin unzurechnungsfähig ist?

    Oder an ein schottisches Highlandschaf oder irgend etwas anderes, das die Situation begreift?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Die Queen hat "die Macht". Sie ist das Staatsoberhaupt und hat - theoretisch - alle Macht (Judikative,Legislative,Exekutive). Die Queen kann eine beliebige Person aus dem Volk zum Premier bestimmen, falls Dieser/Diese das Amt nicht mehr ausüben kann (Ausnahme: die Person darf nicht dem House of Lords angehören). Seit dem 18. (?) Jahrhundert hat kein Monarch mehr vom Einspruchsrecht Gebrauch gemacht. Es heißt gemeinhin, daß wenn die Queen das täte, "das politische Erdbeben" daraufhin "unvorhersehbar" wäre und die Kosnsequenzen nicht vorhersehbar.

  • Teresa May ist seit 2 Jahren in einer psychotische Phantasie gefangen. Wir haben es hier mit einem Wahnssystem zu tun. Die Brexiteers wähnen sich in Wakanda, dabei sind sie auf dem Weg nach Airstrip One.

    Da hilft nur abwarten bis der psychotische Schub vorbei ist.