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Kommentar 40 Jahre Mullah-RegimeDer Irrtum der iranischen Linken

Andreas Fanizadeh
Kommentar von Andreas Fanizadeh

40 Jahre nach Chomeinis Machtübernahme ist der Lack des islamistischen Regimes ab. Wenn die Generation von 1979 ausstirbt, brechen viele Konflikte auf.

Unterdrückte Konflikte werden auch im Iran irgendwann an die Oberfläche dringen Foto: dpa

A uch 40 Jahre nach der Machtübernahme der Islamisten im Iran beschäftigen diese die Weltöffentlichkeit. Im vergangenen Sommer versuchten Agenten des Re­gimes, eine Veranstaltung der iranischen Exil­opposition in Paris anzugreifen. Drahtzieher war ein Botschaftsrat Irans in Wien. Und in Syrien oder Jemen sind Irans „Revolutionsgarden“, die Pasdaran, militärisch offen und entscheidend tätig. Die Mullahs fördern im ganzen Nahen Osten den religiös-fundamentalistischen Extremismus, etwa die palästinensische Hamas oder die libanesische Hisbollah.

In Iran selbst sind die sich selbst ernennenden Abgesandten Gottes auf Erden mehr gefürchtet als geliebt. Vier Jahrzehnte nachdem der damals 77-jährige Ajatollah Ruhollah Chomeini mit seiner Rückkehr in den Iran am 1. Februar 1979 die Macht an sich riss, ist der Lack des islamistischen Regimes ab.

Der heutige Iran besteht aus Parallelwelten, wo im Geheimen, im Privaten so ziemlich alles betrieben wird, was im Sinne der Theokratie auf keinen Fall betrieben werden dürfte: Sex, Drogen, Internet. Dazu ist die Ökonomie des an und für sich reichen Landes dauerhaft im Keller. Während die Konten von Mullahs und Pasdaran-Generälen prall gefüllt sind, geht es der breiten Öffentlichkeit schlecht. Immer wieder kommt es zu sozialen Protesten, die das Regime gewaltsam niederschlagen lässt – und mit religiös-nationalistischen Phrasen zu ersticken sucht. Die Rhetorik der Mullahs spult sich verlässlich an USA, Weltkapital und Israel auf.

Die agitatorische Verbindung national-religiö­ser Behauptungen mit sozialen Fragen ist seit Ajatollah Chomeini bestimmendes Element iranischer Politik. Er wetterte gegen die Reformen des Schahs, als der in den 1960er Jahren das Land modernisieren wollte. Chomeini war die Gleichberechtigung der Frauen ebenso ein Dorn im Auge wie die Landreformen, mit denen der Schah die Macht des Großgrundbesitzes einschränken wollte. Es war der große Irrglaube der iranischen Linken, mit diesem Demagogen und Menschenhasser ein Bündnis eingehen und diesen gar lenken zu können. Der islamistische Extremismus duldet keine Macht neben sich.

Das Regime verausgabt sich derzeit mit seinen kostspieligen militärischen Abenteuern in Syrien und im Jemen

Beerbt wurde Chomeini nach seinem Tode 1989 von seinem Kampfgefährten Ali Chamenei. Legendär die Worte des heute obersten Führers Irans, mit denen er 1982 den Krieg mit dem Nachbarland Irak begrüßte: „Der Segen des Krieges ist für uns unvorstellbar groß.“ Tatsächlich konnten die Mullahs im Schatten der religiös-nationalistischen Mobilisierung ihre Terrorherrschaft erst durchsetzen.

Schon 1979 war der gemäßigte Flügel der schiitischen Geistlichkeit mit der Entwicklung zum religiösen Totalitarismus nicht einverstanden. Er strebt auch heute – wie die Kräfte aus der organisierten Zivilgesellschaft und der im Untergrund tätigen politischen Opposition – eine laizistische Staatsordnung an.

Spannend ist die Frage, wer den 1939 geborenen Chamenei als Führer der Diktatur beerben wird. Das Regime verausgabt sich derzeit mit seinen kostspieligen militärischen Abenteuern in Syrien und im Jemen. Die Führer der Pasdaran benehmen sich wie Anführer eines Staats im Staat. Beim Ableben der alten Revolutionsgeneration von 1979 dürften all die Konflikte zutage treten, die unter der Oberfläche die iranische Gesellschaft heute prägen. Der neuen Generation von Pasdaran und Hardliner-Mullahs dürfte die Autorität der Alten fehlen, um weiterhin der Bevölkerung ihren Willen aufzuzwingen. Allein mit Waffengewalt, das zeigte schon der Sturz des Schahs im Januar 1979, lässt sich nicht dauerhaft regieren.

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Andreas Fanizadeh
Ressortleitung Kultur
Andreas Fanizadeh, geb. 1963 in St.Johann i.Pg. (Österreich). Kulturpolitischer Chefkorrespondent der taz. Von Oktober 2007 bis August 2024 Leiter des Kulturressorts der taz. War von 2000 bis 2007 Auslandsredakteur von „Die Wochenzeitung“ in Zürich. Arbeitete in den 1990ern in Berlin für den ID Verlag und die Edition ID-Archiv, gab dort u.a. die Zeitschrift "Die Beute" mit heraus. Studierte in Frankfurt/M. Germanistik und Politikwissenschaften.
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22 Kommentare

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  • Mossadegh war ein strammer Rechter der Ölquellen durch Verstaatlichung in seine Hände brachte.

    1951 konnte mit der Wahl Mossadeghs zum Premierminister des Iran die Nationale Front dieses Ziel verwirklichen und die Anglo-Iranian Oil Company (AIOC) wurde der britischen Kontrolle entzogen. Auch durch den auf die Verstaatlichung folgenden Boykott iranischen Öls (Abadan-Krise), ließ sich Mossadegh nicht von seiner nationalen Politik abbringen.

    de.wikipedia.org/w...onale_Front_(Iran)

    Ich glaube das die iranische Bevölkerung liebend gerne die amerikanische Lebenweise bevorzugen würde statt im Mittelalter sich drangsalieren zu lassen.

  • Das ganze Elend mit dem Iran fing doch schon mit dem Putsch gegen Mossadegh (Operation Ajax) und dem Einsetzen des Schahs aus der Pahlevi-Dynastie an.

    Der Rückhalt der Mullahs in der Bevölkerung ist bis heute dem Terror durch das Schah-Regime geschuldet, mit dem die Verbandelung des Iran mit den USA einherging.

    Natürlich haben die Menschen im Iran etwas besseres als die Mullahs verdient, aber gegen eine "Beglückung" nach USA-Vorbild werden sie sich definitiv zur Wehr setzen. Sollte wirklich ein Regime Change oder handfester Krieg des Westens gegen den Iran starten, wird das folgende Chaos alles, bisher diesbezüglich dagewesene in den Schatten stellen.

  • "Es war der große Irrglaube der iranischen Linken, mit diesem Demagogen und Menschenhasser ein Bündnis eingehen und diesen gar lenken zu können. Der islamistische Extremismus duldet keine Macht neben sich."

    Wie wahr - vor allem kostete es zwei bis drei Generationen jegliche Freiheiten und Entwicklung. Stattdessen Folter und Mittelalter.

    Man kann nur hoffen das der Spuk bald vorbei ist.

  • Es dauert wirklich 40 Jahre bis die Linken sich ihren falschen Jubel eingestehen.

  • Die CIA und die britischen Kollegen haben den gewählten iranischen Präsidenten gegen den Schah ausgetauscht. Der hat dann diktatorisch das Land längere Zeit geführt. Als er ersertzt wurde wurde der Krieg Irak gegen den Iran angezettelt.

    Man muss nicht immer nur auch den Schleier der Frauen schauen und behaupten alle wollten ihn oder auch nicht, aber wie geht es denn den Bürgern, und warum sollte es falsch sein, die Supermacht, die durch Sanktionen am Wirtschaftsdesaster zumindest mitschuldig ist zu kritisieren. Es werden einfach so Verträge gebrochen, und hier regt man sich darüber auf, dass es mit dem Land nicht vorwärtsgeht.

  • 2x untergebracht, dass der Iran im Jemen kämpfe... ts ts ts

    "Der Iran wurde – ohne vorliegende Beweise[76] – beschuldigt, Geld und Kleinwaffen geliefert haben, doch verfügte auch der ehemalige Präsident Salih, der sich mit den Huthis verbündet hatte, über diese Ressourcen.[46] Ob die Huthis tatsächlich stark vom Iran abhängig sind, galt als umstritten.[69] Während Saudi-Arabien seine Militär-Intervention im Jemen unter anderem damit begründete, dass der Iran die Huthi-Rebellen unterstütze, gab es dafür nach westlichen Berichten nur vage Hinweise,[86][99] Es blieb vollständig unerwiesen, ob der Iran tatsächlich Waffen an die Huthis geliefert hatte.[50][58] Experten waren uneins, ob der Iran den Huthi-Rebellen wirklich mehr als politische Unterstützung gewährt oder nennenswerten Einfluss auf ihr Vorgehen hat.[99] Auch unabhängige Beobachter äußerten Zweifel daran.[103] Experten vermuten, dass der Iran die Huthi-Miliz möglicherweise finanziell unterstützte, eine regelrechte Kontrolle wie bei der Hisbollah oder schiitischen Milizen im Irak aber nicht bestand.[59] Der Nahost-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hält die Huthi-Rebellen für unabhängige Akteure, die eigenständig für ihre lokalen Belange entscheiden..."



    de.wikipedia.org/w...men_seit_2015#Iran

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ..."Er wetterte gegen die Reformen des Schahs, als der in den 1960er Jahren das Land modernisieren wollte"?



    Nun ja, das ist eine Sichtweise, auf den Schah.



    Eine andere sieht so aus "Benno Paul Johann Ohnesorg (* 15. Oktober 1940 in Hannover; † 2. Juni 1967 in West-Berlin) war ein Student und Teilnehmer an der Demonstration am 2. Juni 1967 in West-Berlin gegen den Staatsbesuch von Schah Mohammad Reza Pahlavi".

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Ihre Sichtweise ist von ignorantem Provinzialismus und vergilbter Szenefolklore geprägt.

  • "Er wetterte gegen die Reformen des Schahs, als der in den 1960er Jahren das Land modernisieren wollte. "

    So etwas nenne ich Geschichtsrevisionismus. Soll Reza Pahlavi, dieser Schlächter, jetzt als der Gute verkauft werden? Unfassbar.

    • @Rolf B.:

      Sie suchen nicht nach Antworten sondern nach den richtigen Gartenzwergen für Ihren geistigen Schrebergarten. Werden Sie mal erwachsen und hören Sie auf die Weltpolitik nach gut und bös zu sortieren.

    • @Rolf B.:

      Naja mehr vom Regen in die Traufe - der Schah hätte mit seiner Modernisierung des Landes zumindest Kleinbauern und Frauen geholfen.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      Mit Verlaub,man muss doch nicht immer alles so schlicht sehen. Natürlich war der Schah ein Schlächter, aber das schließt doch nicht aus, dass er zu Reformen in der Lage war:

      "Chomeini war die Gleichberechtigung der Frauen ebenso ein Dorn im Auge wie die Landreformen, mit denen der Schah die Macht des Großgrundbesitzes einschränken wollte."

      Deshalb wäre der Iran natürlich kein Reich der Freiheit geworden, aber was dann tatsächlich kam, ist menschlich gesehen die völlige Finsternis.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Ich kenne Ihre Vorlieben für Reformer.

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @88181 (Profil gelöscht):

        ...ja, stimmt, auch Hitler 'reformierte' das Deutsch Reich.

        • @81331 (Profil gelöscht):

          So schnell das Todschlagargument Hitler?

          Das benutzt man eigentlich erst wenn man keine Argumente mehr hat...

          • 8G
            81331 (Profil gelöscht)
            @Sven Günther:

            ...was haben Sie erwartet, soweit ich informiert bin, lebte Gandhi in Indien und für viele Deutsche war Hitler ein 'Reformator' (zumindest bis 1945).

          • 8G
            88181 (Profil gelöscht)
            @Sven Günther:

            Wobei er auf eine Art ja recht hat, auch wenn er es nicht so meint. Der Nationalsozialismus schuf eine noch nie dagewesene Volksgemeintschaft, die die Verbrechen ermöglichte und trug.

            Und das ganze weitgehend widerspruchsfrei und fast ohne Widerstand. Aus Deutschen werden keine Partisanen.

            Und das Gepränge, die Inszenierungen waren hochmodern, ebenfalls noch nie dagewesen.

            Hitlers Wahlkampf per Flugzeug, auch das ein Novum.

            Und nicht zuletzt das Band, das alles umschloss, der Antisemitismus. Die Vernichtung der Juden erstmalig und einzigartig nicht dem mehr oder weniger zufälligen Pogrom überlassen, sondern als gigantisches System von Lagern geplant und prioitär umgesetzt.

            Also alles sehr modern, was man ja mit "Reform" immer verbindet.

            • @88181 (Profil gelöscht):

              Eine Volksgemeinschaft im NS Sinne war aber nicht Ziel von Reza Pahlavi und seiner "weißen Revolution."

              Der NS Bezug wird hier ausschließlich genutzt, um Ihren Beitrag ohne die Nennung eigener Argumente zu diskreditieren.

              • @Sven Günther:

                Etschuldigung, das ist nicht korrekt. Klar kann der NS/Hitler etc ein Totschlagargument sein, hier ist es allerdings eindeutig ein Argument.



                Es ging um die (positiv konnotierte) Darstellung einer Person als "Reformer" - die Alternative wäre "brutaler Diktator, der sein Volk unterdrückt". Da Hawkins diese zumindest tendenziöse Darstellung rationalisiert hatte, kam als (leicht spöttische) Extremwert-Argumentation, quasi die "Überrationalisierung", man könne auch von Hitler (strukturell, in gewisser Weise und unter Vernachlässigung vieler anderer wichtigerEr Punkte) sagen, er sei ein "Reformer" gewesen. Hawkins hat dem übrigens zugestimmt.



                Ziel war, die Unsinnigkeit der Bezeichnung (bzgl. Chomeinis) deutlich zu machen.



                Das hätten Sie auch verstehen können. Ob das hier sein muss, ist ne andere Frage.



                Es besteht übrigens die Möglichkeit, dass Sie den Begriff "Totschlagargument" hier als Totschlagargument benutzen - was wiederum ein Totschlagargument meinerseits sein könnte, wenn Sie nicht so deutlich im Unrecht wären ;-)

              • 8G
                88181 (Profil gelöscht)
                @Sven Günther:

                Sie haben natürlich recht.

                Vielleicht lerne ich es ja noch, erst nachzudenken anstatt mich aufzuregen und draufloszuschreiben.

                Ein altes Leiden.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Es waren auch die deutschen Linken, die sich irrten. Kurz nach der Machtübernahme erschien ein Heft der "Autonomie" mit dem schlichten Titel "Der Iran". In dem Heft bemühten sich u.a. Karl Heinz Roth dem Islamismus fortschrittliche Elemente zuzuschreiben.

    Wer Mu?e hat, kann hier nachlesen:

    autonomie-neue-fol...mie-Nr.-1-1979.pdf

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Ach, heute gibt es keine Linken mehr, die den Islamismus feiern? Als Befreiungsbewegung gegen die teuflischen "Zionisten"? Als Rachewerkzeug gegen den weltverderbenden "weißen Mann"? Als authentische postkoloniale Kulturemanzipation? Da bin ich aber beruhigt...