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Nachruf Pawel AdamowiczDanzigs Lokalpatriot

Pawel Adamowicz stand für Weltoffenheit und Engagement. Am Sonntag wurde Danzigs Bürgermeister Ziel eines tödlichen Angriffs.

Einer für Danzig: Pawel Adamowicz (1965-2019) Foto: agencja gazeta/reuters

Warschau taz | Der Stadtpräsident von Danzig, Pawel Adamowicz, liebte den direkten Kontakt mit den Bürgern. Einen persönlichen Bodyguard lehnte er ab. So ging er auch am vergangenen Sonntag mit einer bunten Sammelbüchse des Großen Orchesters der Weihnachtshilfe durch die Straßen der polnischen Ostseestadt, sammelte Geld für die Ausstattung von Kinderkrankenhäusern, umarmte Freunde und Bekannte, drückte viele Hände und gab hin und wieder auch mal ein Küsschen.

Erst vor Kurzem hatten die Danziger den 53-Jährigen zum sechsten Mal in Folge zu ihrem Stadtoberhaupt gewählt. Am Sonntagabend sprach er vor Beginn des großen Benefizkonzerts, mit dem die Straßensammlung abgeschlossen wurde, noch ein paar Worte auf der offenen Bühne, dankte den Danzigern für ihre großartige Spendenbereitschaft, pries das „solidarische, offene und geliebte Danzig“ – und wandte sich einem Mann zu, der auf ihn zustürzte.

Dieser, ein 27-jähriger vorbestrafter Danziger, rammte Adamowicz ein 15 Zentimeter langes Messer in den Leib, stach dreimal zu, riss dann das Mikrofon an sich und brüllte in die Menschenmenge, dass Adamowicz sterben müsse, weil er der PO angehöre, die ihn unschuldig ins Gefängnis geworfen habe. Die liberal-konservative Bürgerplattform war damals Regierungspartei. Am Montag erlag Adamowicz seinen schweren Verletzungen im Krankenhaus.

Erst jetzt, so scheint es, begreifen viele Polen, wen sie mit Adamowicz verloren haben: Einen mutigen Politiker, der es als einer der ganz wenigen wagte, an der Spitze einer Schwulen- und Lesben-Demonstration mitzulaufen, der sich mit der jüdischen Gemeinde von Danzig solidarisch zeigte, als die Synagoge angegriffen wurde. Adamowicz gründete einen Ausländerrat, setzte sich für Flüchtlinge ein und verteidigte das pazifistisch konzipierte Museum des Zweiten Weltkriegs. Damit machte er sich nicht nur Freunde.

Attacken von der PiS-Regierung

Seit dem Regierungsantritt der nationalpopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Herbst 2015 verging kaum ein Tag, an dem er nicht von Ministern und regierungsnahen Publizisten attackiert wurde: So nahm der Justizminister ein bereits abgeschlossenes Gerichtsverfahren wegen der von Adamowicz fehlerhaft ausgefüllten Vermögenserklärung wieder auf; ein anderer Minister fragte ihn auf der Westerplatte bei den Gedenkfeiern zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, ob er nicht zufällig „auch einen deutschen Pass“ habe.

Auch Kirchenvertreter legten sich immer wieder mit Adamowicz an, weil er kinderlosen Paaren mit einem städtischen Programm zur künstlichen Befruchtung half und auch keine Berührungsängste vor der Begegnung mit Schwulen und Lesben hatte – und sich sogar für ihre Rechte einsetzte. Seine offene Haltung zu Minderheiten, Ausländern und Flüchtlingen wurde ihm von rechts als „Verrat am polnischen Volk“ ausgelegt. Sein enger Freund, der Senator Bogdan Borusewicz, sagte dem polnischen Fernsehsender Polsat: „Es war eine inszenierte Hasskampagne, an der die Regierungssender großen Anteil hatten.“

Adamowicz kam 1965 in Danzig zur Welt. Seine Eltern waren nach der Westverschiebung Polens nach 1945 aus dem Wilnaer Raum nach Gdansk, dem früheren Danzig, umgesiedelt worden. Schon als Schüler engagierte sich Adamowicz in der Gewerkschafts- und Freiheitsbewegung Solidarność, studierte später Jura und trat schon 1990, kurz nach der politischen Wende, in den Danziger Stadtrat ein.

Erste Kandidatur mit 33 Jahren

Ein ausgeprägter Lokalpatriotismus bewog ihn dazu, 1998 mit gerade einmal 33 Jahren für den Posten des Stadtpräsidenten Danzigs zu kandidieren. Eine politische Karriere in Warschau hat ihn nicht interessiert.

Er gewann die Wahlen und setzte fortan all seine Kraft ein, um aus der verschlafenen Ostseestadt eine moderne, lebens- und liebenswerte Metropole zu machen. Die Danziger dankten es ihm und wählten ihn im Herbst 2018 erneut zu ihrem Stadtpräsidenten – trotz der Hass- und Schmutzkampagne in den Regierungs- und rechten Medien des Landes.

Am Montagabend waren landesweit Menschen zu Trauermärschen zusammengekommen. Allein in Danzig gedachten mehrere Tausend dem Stadtpräsidenten.

Pawel Adamowicz hinterlässt seine Frau Magdalena Adamowicz, Juristin an der Danziger Universität, und die beiden Töchter Antonina (16) und Teresa (9). Seine Beerdigung soll kommende Woche in Danzig stattfinden. Ein genauer Termin steht noch nicht fest.

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2 Kommentare

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  • Dass der Täter eindeutig psychische Probleme vorweist, erwähnt Frau Lesser nicht. Genauso wenig, dass auch schon ein PIS-Politiker von einem Geistesverwirrten ermordet wurde. Hat jemand 1990 bei Schäuble/Lafontaine versucht irgendwelche politische Dimension dieser abscheulichen Taten zu kreieren?

    • Marcus Welsch , Autor*in ,
      @agerwiese:

      Vor allem von Seiten der PIS versucht man die These vom verwirrten Psychopathen auszubauen, vor allem auch auf TVP. Der Danziger Schriftsteller Stefan Chwin widerspricht, es bleibt ein politisch motivierte Tat. Es leuchtet ein, dass gerade labile Täter auf öffentliche Hasskampagnen reagieren. Im Fall des Mords an Adamowicz gab es eine klarre Kampagne gegen den weltoffenen Bürgermeister in Danzig, der ganz klar ein Feindbild der rechtskonservativen war. Im staatlichen PIS nahen TVP Fernsehen, gab es diese Clips gegen ihn, die nicht nur geschmacklos waren, sondern auch in dieser Form (Marionetten gelenke Figur) in der dt.Geschichte unrühmlich Verwendung fanden, was doppelt dubios ist. Das kann man nicht einfach so relativieren mit Verweise auf Lafontaine/Schäuble. Die dt. Debatte über diese Politiker verlief anders als in Polen.