: Das zerstörte Loch
Der Bundesgerichtshof wird Künstler voraussichtlich besser gegen die Willkür von Museen und anderen Kunstkäufern schützen
Von Christian Rath
Darf der Käufer eines Kunstwerks dieses vernichten? Oder verletzt er damit Urheberrechte des Künstlers? Das muss jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Fall aus Mannheim entscheiden.
Klägerin ist die in England lebende Multimedia-Künstlerin NatHalie Braun Barends. Sie schuf für die Kunsthalle Mannheim zwei Arbeiten, die inzwischen entfernt wurden: die Lichtinstallation „PHaradise“ und die multimediale Rauminstallation „HHole for Mannheim“. Die Kunsthalle berief sich auf notwendige Umbauten. Die Künstlerin glaubt, dass ihre umstrittenen Werke nach einem Leitungswechsel bei der Kunsthalle nicht mehr genehm waren. Sie verlangt Wiederherstellung der Installationen, ersatzweise Schadenersatz.
„Der Urheber hat das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden“, heißt es im Urheberrechtsgesetz (§ 14). Bisher hatte die Rechtsprechung diese Norm eng ausgelegt. Der Käufer eines Kunstwerks darf dieses zwar nicht verändern, aber durchaus vernichten. Hierauf beruft sich auch die Stadt Mannheim. Sie habe ein „uneingeschränktes Zerstörungsrecht“ an der erworbenen Kunst. Am BGH deutet sich nun aber eine Änderung der Rechtsprechung an.
„Man kann die Norm auch so verstehen, dass sie dem Künstler sichert, in seinem Werk fortzubestehen und auch weiter am künstlerischen und gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen“, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Koch. Dann wäre auch die Vernichtung des Werks eine Beeinträchtigung des Urheberrechts.
Volkert Vorwerk, Anwalt der Kunsthalle, warnte den BGH vor dieser Auslegung: „Damit schaffen Sie Kunst für die Ewigkeit.“ Museen müssten immer das Gleiche zeigen. NS-Kunst könnte aus dem öffentlichen Raum nicht mehr entfernt werden.
Christian Rohnke, der Anwalt der Künstlerin, ließ das nicht gelten. „Auch wenn ein Schutz vor Zerstörung anerkannt wird, ist das kein absoluter Schutz, sondern nur ein Schutz der ‚berechtigten Interessen‘.“ Es fände dann eine Abwägung des Eigentumsrechts des Käufers mit dem Urheberrecht der Künstlerin statt.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte als Vorinstanz bereits eine Abwägung vorgenommen. Es wollte jedoch immer dann den Interessen des Eigentümers Vorrang geben, wenn das Kunstwerk fest mit dem Gebäude verbunden ist. Anwalt Rohnke forderte dagegen eine differenzierte Lösung. „Natürlich muss eine Kunsthalle umbauen können, wenn es der Brandschutz erfordert. Und nach einer gewissen Zeit darf sie dem Publikum auch neue Kunstwerke präsentieren. Sie darf aber ein Kunstwerk nicht nur deshalb abbauen, weil es ästhetisch nicht mehr gefällt.“
Auch der BGH tendiert wohl zu einer flexiblen Abwägung. „Ein privater Bauherr muss sein Haus ändern können, auch wenn der Architekt ein Urheberrecht an den Plänen hat. Hier aber ging es um ein öffentliches Museum und um zweckfreie Kunst“, gab Richter Koch zu bedenken.
Das Urteil wird in einigen Wochen verkündet.
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