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Herzlichen Glückwunsch! Ihr Adolf Messer*

Seit über 20 Jahren zeichnet die Adolf Messer Stiftung an der TU Darmstadt NachwuchswissenschaftlerInnen aus.Nun gibt es zum ersten Mal Kritik am Stifter – wegen der Vergangenheit des Namensgebers. Die Uni sieht darin kein Problem

Von Adrian Schulz

Großvaters Erbe kommt nicht zur Ruhe – und die Adolf Messer Stiftung nicht aus den Schlagzeilen. Nach der Debatte über die Benennung eines Gruppenraumes an der Goethe-Universität Frankfurt, dessen aufwändige Verschönerung sie bezahlt hatte (siehe taz vom 27. Juli), steht die Stiftung nun auch an der Technischen Universität Darmstadt in der Kritik. Dort vergibt sie kommenden Montag an einen Nachwuchsforscher den 1994 ins Leben gerufenen „Preis der Adolf Messer Stiftung“. Gegründet wurde die Stiftung von den Nachfahren des Rüstungsunternehmers Adolf Messer, der selbst an der TU Darmstadt Maschinenbau studiert hat – ehe er im Nationalsozialismus an der Entwicklung kriegsrelevanter Industrien wie Panzerwannen und Schweißtechniken beteiligt war und bis zu 350 Zwangsarbeiter beschäftigte.

„Dass Adolf Messer eine problematische Figur ist, dürfte in den vergangenen Monaten mehr als klar geworden sein. Wir verstehen nicht, wie das an unserer Universität völlig unkommentiert bleiben kann“, sagt Tobias Huber vom AStA der TU Darmstadt. Er fordert, die Stiftung solle sich zu Messers Rolle im Nationalsozialismus „klar bekennen“, also die von ihm beschäftigten Zwangsarbeiter und ihre Angehörigen finanziell entschädigen und verstärkt Aufklärungsarbeit leisten. Sonst müsse die Uni ihre Zusammenarbeit mit der Stiftung beenden.

Nazi oder Opportunist?

Bisher existiert in dieser Hinsicht nur ein zwölfseitiges Kapitel in der 2007 veröffentlichten Jubiläumsschrift „100 Prozent Messer“, die der inzwischen am Frankfurter Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte beschäftigte Historiker Jörg Lesczenski verfasst hat. Aus diesem Kapitel finden sich wortgleiche Passagen in einem Gutachten, das er zusammen mit seinem Chef Werner Plumpe und dessen Kollegen Andreas Fahrmaier vom Historischen Seminar als Expertise für das im Zuge der Raumbenennung unter Druck geratene Frankfurter Uni-Präsidium abgab. Darin wird Messer als „Alltagsopportunist“ entschuldigt, als in die Enge getriebener „Unternehmer“, der seine „Chancen“ in einem prekären Umfeld nutzen und Zwangsarbeiter beschäftigen musste, „um die Produktion aufrechtzuerhalten“.

Auf dieses Gutachten stützt man sich jetzt auch in Darmstadt. Noch am Mittwoch zog es der TU-Sprecher Jörg Feuck der Frankfurter Rundschau gegenüber als Beleg für seine Einschätzung heran, die bevorstehende Preisverleihung sei „völlig unproblematisch“. Am Donnerstag rudert er zurück und sagt der taz, Kritik an der Entstehung des Frankfurter Gutachtens könne er „nicht beantworten“. Allerdings: „Wir haben auch einen Professor von der TU mit einem eigenen Gutachten beauftragt.“ Öffentlich zugänglich sei dieses leider nicht; selbst den Namen des Autors dürfe er nicht nennen.

Stefan Messer, Enkel von Adolf, Ehrensenator der Frankfurter und der Darmstädter Universität sowie Leiter der Stiftung, steht nur per Mail zur Verfügung. Er schreibt: „Ich habe Verständnis für die kontroverse Debatte, die an der Universität geführt wird, denn auch ich stehe dem aktuell erneuten Aufflammen nationalistischer Gedanken in Europa mit Entsetzen gegenüber.“ Und fügt an: „Denn nur mit Vielfalt, Vertrauen und Respekt können wir den Frieden in unserer komplizierter werdenden Welt wahren.“ Was aber heißt das? Wovon müsste Messer genau entsetzt sein, wenn er für die Debatte Verständnis hat? Von der eigenen Stiftung?

Die wolle 2019 eine Neuauflage von „Hundert Prozent Messer“ herausbringen und habe dafür erneut Jörg Lesczenski beauftragt. Dieser solle seine Recherchen „intensivieren“ und alle neuen Erkenntnisse einfließen“ lassen. Überdies ist – nach langer Abwesenheit – die Homepage der Stiftung wieder erreichbar und ganz neu gestaltet. Am Ende des Textes im Unterreiter „In Gedenken an Adolf Messer“ wurde ein PDF-Dokument mit dem Titel „Historischer Blick auf Adolf Messer“ verlinkt. Darin heißt es: „Die von der Familie gewünschte Aufnahme des Namens in die Bezeichnung der Stiftung soll nicht einer undifferenzierten Respektsbezeugung Vorschub leisten. Sie soll als Akt der Transparenz verstanden werden, der auch den Ursprung der Stifterfamilie benennt.“ Adolf Messer sei in die NSDAP eingetreten, aber habe vorher und nachher „nie“ einer Partei angehört; er habe mit den Nazis kollaboriert, aber es gebe „keine schriftlichen Belege“, dass er ihre „antisemitisch-rassistische Ideologie“ geteilt hätte – wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.

In Darmstadt Ehrendoktor

Zeugt es also von Intransparenz, alle einstigen Hitlerplätze der Republik umbenannt zu haben? Wo Adolf Messer, nach Krieg und zwangsweisem Austritt, den Neueintritt in eine Partei verwehrt, da bekommt er, von den Alliierten als „Mitläufer“ eingestuft, bereits 1949 den Ehrendoktortitel der damals noch „Technischen Hochschule“ Darmstadt verliehen. Das passt zusammen: Unter anderen Fahnen war sie zehn Jahre vorher größter Partner in der Entwicklung der V2-Raketen („Vorhaben Peenemünde“) geworden. Beteiligt waren auch – die Messer-Werke.

Anders als die Frankfurter Universität hat die TU Darmstadt ihre eigene braune Vergangenheit schon in einem Forschungsprojekt aufgearbeitet. Vor allem ist sie finanziell längst nicht so abhängig von der Messer Stiftung. Während deren Engagement sich in Frankfurt im „oberen einstelligen Millionenbereich“ bewegt, wie Stefan Messer im Juli der taz schrieb, bleibt es in Darmstadt bei dem Preis, der mit 50.000 Euro dotiert ist. AStA-Sprecher Huber sieht darin dennoch eine finanzielle Abhängigkeit: „Die TU stellt sich damit ja in den Dienst der Stiftung.“

„Wir haben keinerlei Zweifel an der Reputation der Stiftung“, stellt indes Jörg Feuck klar. Er trenne zwischen ihr und dem Namen Adolf Messer. Auch die Messer-Stiftung selbst verweist („in Gedenken an Adolf Messer“) darauf, nicht von Adolf Messer selbst gegründet worden zu sein. Aber warum hält sie dann so energisch an seiner Figur fest? Und damit auch an ihrer eigenen Vergangenheit? Für Stefan Messer ist sein Großvater „keine Figur, sondern eine Person, der ich trotz gemachter Fehler viel Respekt und Zuneigung zolle, wie das in einer Familie üblich ist“.

Braunes Geld regnet es jedes Jahr in der Darmstädter Universität. Wie das so üblich ist.

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