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Ab jetzt Annegreat!

Übergabe erfolgreich gemeistert. Annegret Kramp-Karrenbauer gewinnnt mit 51 Prozent die Wahl zur CDU-Chefin

Aus Hamburg Anja Maier und Sabine am Orde

An diesem Freitag hat sich Angela Merkel nach 18 Jahren aus der Parteiführung verabschiedet. Das Motto ihrer Rede: „Zusammenführen. Zusammen führen.“ Ganz schön trocken, typisch Merkel. Es ist das Ende einer politischen Ära.

„Die Zukunft wird uns alles abverlangen“, sagte die scheidende Vorsitzende. Dafür brauche die CDU nicht Missmut, Missgunst und Pessimismus, sondern „Fröhlichkeit im Herzen“. Ein ehrlicher Satz, wie aus der Zeit gefallen. Sie stellte Fragen an die Partei, benannte Zweifel. Und beendete ihre Rede: „Es war mir eine Freude. Es war mir eine Ehre.“ Jubel, fast zehn Minuten feierten die Delegierten Angela Merkel und wählten dann ihre Nachfolge an der Parteispitze.

Im ersten Wahlgang rutschten Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz, wie von vielen erwartet, in die Stichwahl. Nach der zweiten Runde ist klar: AKK hat gewonnen. Sie erhielt 517 der 999 abgegebenen gültigen Stimmen, Merz kam auf 482. Im Saal brandet Applaus auf. AKK hebt die Hände vors Gesicht, kurz. Dann wischt sie sich Tränen aus den Augen und geht nach vorn auf die Bühne. Angela Merkel geht ihr entgegen und gratuliert ihr. AKK ist fassungslos vor Erleichterung.

Im Saal klatschen die Delegierten, rufen „Annegreat!“. Es war ein hartes Ringen. Die Partei, das wird deutlich, ist gespalten. Aber sie hat sich auf offene demokratische Weise eine neue Vorsitzende gewählt.

Kramp-Karrenbauer bedankt sich bei Merz und Spahn „für diesen fairen Wettbewerb, den wir uns geliefert haben“. Ein Wettbewerb, um den andere Parteien die CDU beneiden würden und die den Konservativen neuen Auftrieb gegeben habe. Das Ziel müsse sein, „aus der Union mit allen Flügeln die große Volkspartei der Mitte zu gestalten und zu erhalten“. Sie würde sich freuen, wenn Friedrich Merz und Jens Spahn daran mitarbeiteten.

Wenige Stunden zuvor, um zehn vor zwei, ist Annegret Kramp-Karrenbauer ans Mikro­fon getreten. Sie war die erste der KandidatInnen, die sich in alphabetischer Reihenfolge vorstellten. AKK wusste, sie muss der Partei den Glauben an die eigene Zukunft zurückgeben. Und das tat sie. Sie sprach von Europa und dem Schengen-Raum, von Busverbindungen auf dem Land, vom starken Staat und den Schulen, von Digitalisierung und Bürokratieabbau.

Vor allem aber sprach sie von Mut. Vom Mut, den die Partei braucht, vom Mut, den die Partei hat. Und der dafür sorgen wird, dass die CDU den Weg in die Zukunft schaffen wird. Zurück, das machte AKK ganz klar, will sie nicht.

Sie bedankte sich bei Merkel, die die CDU zu dem gemacht habe, was sie heute ist. „Das letzte Einhorn in Europa“ nennt sie das und meinte damit die „letzte starke Volkspartei“. Aber AKK setzte sich auch deutlich von Merkel ab: Ein „Mini-Merkel“, eine „Kopie“, das sei sie nicht.

Und dann fuhr sie die Erfahrungen auf, von denen sie deutlich mehr als ihre beiden Kontrahenten vorzuweisen hat: als Mutter, als Innen- und Bildungsministerin, als Ministerpräsidentin. Sie sprach von ihrer Zuhörtour, mit der sie als Generalsekretärin durch die Basis gezogen ist, und von ihrem Führungsstil, bei dem sie mehr „auf Stärke als auf Lautstärke“ setze.

AKK, die sich sonst gerne mal sperrig ausdrückt, nahm die Delegierten mit. Ihr Auftritt war besser, als viele erwartet hatten. Der Applaus war laut und dauerte an. Am Ende sagte sie: „Wir können das. Wir wollen das. Wir werden das.“ Ganz ähnlich hatte sie es bei ihrer Bewerbung als Generalsekretärin formuliert. Da war sie mit 99 Prozent gewählt worden.

Zwanzig Minuten nach Kramp-Karrenbauer trat Friedrich Merz ans Mikrofon. Er dankte Angela Merkel und sagte, von diesem Parteitag müsse ein Signal des Aufbruchs und der Erneuerung der CDU ausgehen. Ganz Europa blicke an diesem 7. Dezember auf die CDU.

Dann ging er erst mal zurück ins Jahr 1994, als die CDU ihren Parteitag ebenfalls in Hamburg abhielt. Damals schien die Zeit der globalen Konflikte vorbei. „Wir müssen uns klar sein, dass von diesen Gewissheiten kaum noch etwas geblieben ist. Wir ­leben in einer Zeit des Umbruchs.“ Merz sagte, er streite niemandem den guten Willen ab, die WählerInnen zurückzuholen, die an die AfD verloren wurden. „Aber es gelingt uns nicht.“ Die rechte Partei sei keine vorübergehende Erscheinung. „Dieser Zustand ist für mich unerträglich.“ Dann holte er gegen die Führung unter Merkel und AKK aus: „Wir brauchen einen Strategiewechsel“, und er meint vor allem die Kommunikation.

Zwar habe die Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer während ihrer Zuhörtour mit der Mitgliedschaft gesprochen, aber was folge daraus? „Unsere Umweltpolitik ist voller Widersprüche.“ Diesel, Sicherheit, Staatsvertrauen, Gewalt – „die Bürger erwarten, dass der Staat die Kontrolle über seine Grenzen und auch über die Menschen, die zu uns kommen, behält.“ Er meinte deshalb, die CDU brauche „eine Agenda für die Fleißigen“. Da hüpfte das CDU-Herz. Fleiß, Arbeit, Planbarkeit; Merz machte groß Versprechen. Der Applaus für Merz war kämpferisch. „Ohne klare Positionen bekommen wir keine besseren Wahlergebnisse.“

Merz holte das gute CDU-Silber raus: Verantwortung des Einzelnen, Zutrauen, Sozialpartnerschaft, Privatwirtschaftlichkeit, unternehmerische Verantwortlichkeit, staatliches Gewalt­monopol. Der Nationalstaat als Heimat, er ist Merz’ Narrativ. „Es gibt Grenzen, auch unserer Möglichkeiten.“

In Ostdeutschland, wo drei Landtagswahlen anstehen, bräuchten die Konservativen wieder eine Heimat, „wir überlassen den Osten nicht den Populisten von links und rechts“. Aus den angesprochenen Landesverbänden ertönte Jubel.

„Ich hätte natürlich gern gewonnen, aber es hat trotzdem Spaß gemacht“

Friedrich Merz

Merz sprach deutlich länger als die vorgegebenen 20 Minuten, AKK hatte sich daran gehalten. Der Applaus fiel bei beiden ungefähr gleich aus.

Jens Spahn hatte seine Rede mit seinem für CDU-Verhältnisse jugendlichem Alter begonnen. „Eine gute Zukunft braucht Ambitionen und, ja, manchmal auch Ungeduld.“ Es müsse einen Unterschied machen, ob man morgens aufstehe und zur Arbeit gehe oder liegen bleibe, ­wiederholte er Sentenzen aus der zurückliegenden ­Mitgliedertour. Spahn setzte sich für einen „entspannten Patrio­tismus“ ein. Die Freiheit sei „unter Druck von linken Moralisten und ­rechten Radi­kalen und religiösen Fundamentalisten“.

Spahn war chancenlos, aber er kämpfte. „Es fühlt sich richtig an, hier zu stehen. Ich laufe nicht weg, wenn es eng wird“, rief er. In der Partei habe man in den letzten Wochen eine Bewegung spüren können. „An ­Tagen wie diesen“ spüre man den Geist der CDU.

Viel freundlicher Applaus, die Botschaft: Jens, versuch’s beim nächsten Mal wieder. Immerhin schien Spahns Chancenlosigkeit ihn nicht bitter, sondern locker gemacht zu haben.

Als Friedrich Merz um 17.04 Uhr ans Podium tritt, um zu erklären, ob er für das Amt des Vizeparteivorsitzenden kandidert, ist der Applaus mehr als herzlich. Er gratuliert AKK und wünscht ihr „viel Erfolg und Gottes Segen auf dem Weg, den du jetzt vor dir hast“. Er dankt der Partei und bittet sie um Unterstützung für die neue Vorsitzende. „Ich hätte natürlich gern gewonnen, aber es hat trotzdem großen Spaß gemacht“, sagt Merz. Er sei bereit, der CDU auch weiter zu helfen. Und er bittet um Unterstützung für Spahn bei der Wahl zum Präsidium.

Auch der gratuliert AKK. Er habe für die Führung des Teams kandidiert, aber „möchte in jedem Fall im Team bleiben“. Deshalb werde er fürs Präsidium kandidieren. AKK, immer noch etwas verquollen vom Weinen, bittet ihre beiden Mitbewerber auf die Bühne. Die groß gewachsenen Männer nehmen sie in die Mitte – gute Bilder fürs Familienalbum der CDU.

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