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„Dieser kleine schwarze Mann“

Vor dem Bundesgerichtshof geht das Urteil gegen die Führer der ruandischen FDLR-Miliz in die Revision

Aus Karlsruhe Dominic Johnson

Über drei Jahre, nachdem Deutschlands erster Kriegsverbrecherprozess unter dem Völkerstrafgesetzbuch mit Schuldsprüchen geendet hatte, hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe am Mittwoch darüber verhandelt, ob diese Urteile rechtskräftig werden. Sowohl Anklage als auch Verteidigung wollen die Aufhebung des Urteils, mit dem das Oberlandesgericht Stuttgart am 28. September 2015 den Präsidenten und den Ersten Vizepräsidenten der in der Demokratischen Republik Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni, wegen Rädelsführerschaft einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu jeweils 13 und 8 Jahren Haft verurteilt hatte, Murwanashyaka zusätzlich wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen.

Das Urteil – das erste unter dem Gesetz, mit dem Deutschland das Statut des Internationalen Strafgerichtshof in eigenes Recht übernommen hat – sei „widersprüchlich“ und „lückenhaft“, konstatierten beide Parteien, aber aus unterschiedlichen Gründen.

Die Bundesanwaltschaft will schärfere Verurteilungen. Für sie ist FDLR-Präsident Murwanashyaka in Bezug auf die Verbrechen der Miliz, die 2009 im Ostkongo als Reaktion auf kongolesische Armeeangrife Dörfer anzündete und Zivilisten massakrierte, als Täter zu verurteilen, nicht nur als Gehilfe: „Der Angeklagte war nicht nur ein kleines Rädchen im System, sondern stand an der Spitze der politischen Verantwortungskaskade.“ Er müsse unter der Vorgesetztenverantwortung verurteilt werden. Zudem handele es sich bei den Verbrechen der FDLR um Verbrechen gegen die Menschlichkeit und nicht bloß um Kriegsverbrechen – das würde eine höhere Strafe bedeuten.

Für die Verteidiger Murwanashyakas und Musonis sind die Verurteilungen komplett falsch. Weder sei die FDLR eine terroristische Vereinigung, noch habe das Gericht eine „unmittelbare Auswirkung“ der Tätigkeit ihrer politischen Führer in Deutschland auf Handlungen des militärischen Flügels im Kongo festgestellt. Insbesondere Musoni habe sich gegen Angriffe auf Zivilisten gewandt, betonte dessen Anwältin Andrea Groß-Bölting und verwies auf „diesen kleinen schwarzen Mann hinter mir“, der nichts mit Taten einzelner Milizionäre im Kongo zu tun habe. Die Verteidiger monierten überdies Verfahrensmängel.

Straton Musoni erinnerte in einem Schlusswort daran, wie er am Tag seiner Verurteilung in Stuttgart auf freien Fuß kam, weil er da schon fast sechs Jahre in U-Haft gesessen hatte – und seine Zelle nicht mehr betreten durfte, die sein Zuhause gewesen war. Musoni lebt als freier Mann in Deutschland, nachdem eine Ausweisung nach Ruanda vergangenes Jahr per Eilantrag gestoppt wurde. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Murwanashyaka sitzt in Haft in Stuttgart-Stammheim, seit fast neun Jahren. Er ist formell FDLR-Präsident, wenngleich sein Amt von einem Interimspräsidenten im Kongo ausgeübt wird. Am 20. Dezember will der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs sein Urteil verkünden.

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