piwik no script img

Wohnungen zur Wahl

Nord stimmt in einem Bürgerentscheid über den Bau von 109 Wohnungen am Mühlenkamp ab. Dichte Bebauung steht gegen bezahlbare Mieten

Von Frieda Ahrens

In Winterhude wehren sich Bürger gegen den Bau von 109 bezahlbaren Wohnungen. Sie haben mehr als 10.000 Unterschriften gesammelt und damit einen Bürgerentscheid durchgesetzt: Seit gestern können 240.000 Einwohner des Bezirks Nord über das Bauvorhaben abstimmen.

Zwischen Dorotheenstraße und Mühlenkampkanal will die Robert Vogel KG ein Hochhaus neben schon drei bestehende Gebäude der Firma auf eine Tiefgarage setzen. Es sollen zwei bis vier Zimmerwohnungen werden, deren Miete nicht über neun Euro pro Quadratmeter liegen soll. Vogel-Pressesprecherin Madeleine Beil weist darauf hin, dass hier ohne Fördergeld bezahlbarer Wohnraum geschaffen werde. Die Bürgerinitiative „SOS Mühlenkampkanal“ dagegen will, dass „der Mühlenkampkanal umgrünt bleibt und die Uferzone von Bebauung freigehalten wird“.

In den vergangenen Monaten hatten Investor, Bezirksversammlung und Initiative miteinander verhandelt. Die Vogel KG erklärte sich bereit, fünf Meter Abstand zum Kanal zu halten und statt sieben drei Stockwerke mit Staffelgeschoss zu bauen. Diese Verhandlungen hat die Initiative aber Mitte September verlassen. „Es war abzusehen, dass die enorme Baumasse nicht mehr als 20 Prozent weniger werden würde.“ sagt Karl-Lorenz Ottensmeyer von der Initiative.

Der Investor bestätigt, dass er angeboten habe, die Baumasse zu reduzieren. Um bezahlbaren Wohnraum anbieten zu können, könne er aber eine bestimmte Anzahl an Wohnungen nicht unterschreiten. Ottensmeyer ist der Meinung, die versprochene niedrige Miete sei nur ein Köder: „Aufgrund der extremen Verdichtung von Bestand und Neubau ist eine hohe Mieterfluktuation zu aktuellen Neumieten garantiert.“

Bei den Verhandlungen hat die Vogel KG aber weitere Zugeständnisse gemacht: Das Ufer des Mühlenkampkanals soll erstmals überhaupt öffentlich zugänglich sein. „Mit dem Erhalt von Grünflächen zu argumentieren, die erst durch den Bau öffentlich zugänglich werden, finde ich absurd“, sagt Vogel-Sprecherin Beil zur Argumentation der Initiative.

„Es war abzusehen, dass die enorme Baumasse nicht mehr als 20 Prozent weniger würde“

Karl-Lorenz Ottensmeyer, Initiative

Auch der SPD Fraktionsvorsitzender des Bezirks Nord, Thomas Domres, versteht das Anliegen der Initiative nicht: „Es wird mehr und günstiger Wohnraum geschaffen, was will man mehr.“ Er wünscht sich wie in anderen Bundesländern ein Abstimmungsquorum von 20 Prozent, um zu einer repräsentativen Entscheidung zu kommen. Bei Bürgerentscheiden gilt zurzeit die einfache Mehrheit der Abstimmenden.

Michael Werner-Boelz, Fraktionschef des grünen Koalitionspartners, sagt: „Im eher teuren Winterhude könnten etwa 100 bezahlbare Wohnungen für unter neun Euro pro Quadratmeter Wohnfläche entstehen: Das unterstützen wir.“ Der Investor habe viele Forderungen der Initiative berücksichtigt. Leider habe die Initiative sämtliche Kompromisse abgelehnt. Trotzdem begrüßen die beiden Fraktionen die Abstimmung.

„Nun können die Bürger*innen entscheiden“, sagt Werner-Boelz: „Sollen sich auch normal verdienende Menschen ein Wohnen in Winterhude leisten können oder nicht?“ Damit wirbt auch Madeleine Beil: „Ich würde in der Zukunft gerne ein durchmischtes Winterhude sehen, wo auch Menschen sich die Wohnungen leisten können, die keinen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen