Beobachtung der AfD: Die Angst vor dem Verfassungsschutz

Die AfD geht gegen ihre eigenen Mitglieder vor, um nicht ins Visier des Geheimdienstes zu geraten. Das sorgt für Unruhe in der Partei.

Das Gesicht von AfD-Chef Alexander Gauland ist bei einer Pressekonferenz durch eine Kamera zu sehen

Die AfD will nicht so genau beobachtet werden – vor allem nicht vom Verfassungsschutz Foto: dpa

BERLIN taz | Nun hat die bayerische AfD doch die Reißleine gezogen: Uli Henkel, einer der drei neuen AfD-Landtagsabgeordneten, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, wird nicht als Landtagsvizepräsident kandidieren. An seiner Stelle tritt nun Raimund Swoboda an, ein Polizeidirektor im Ruhestand aus Mittelfranken. Das erfuhr die taz aus Fraktionskreisen.

Noch am Wochenende hatte Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner angekündigt, an Henkel festhalten zu wollen: „In einer konzertierten Aktion von SPD, Grünen und CSU wird aus ganz offensichtlich taktischen Gründen versucht, unseren Kandidaten zu diskreditieren, um seine Wahl zum Vize zu verhindern.“

Die anderen sind schuld, das ist bei der AfD eine gern genutzte Verteidigungshaltung. Sie kam am Montag auch in Berlin zum Einsatz, wo die Parteispitze zu einer Pressekonferenz unter dem Titel „Die AfD, der Verfassungsschutz und die Meinungsfreiheit in Deutschland“ geladen hatte.

Gleich zur Einleitung gab Parteichef Jörg Meuthen sein Bestes, um den Spieß umzudrehen: Eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz sei „komplett absurd“. Nicht die AfD, sondern die anderen Parteien, insbesondere die Regierungskoalition, gefährdeten Demokratie und Meinungsfreiheit. Eine mögliche Beobachtung der AfD sei allein politisch motiviert.

Von „Stasi“ und „Großinquisitoren“ ist die Rede

Und auch das führte Meuthen aus: Bei der Beurteilung, was in der Partei gehe und was nicht, werde man nicht vom eigenen Kurs abweichen: „Unsere Maßstäbe sind unsere Maßstäbe.“ Die Grenze sei allein das Grundgesetz. Ähnlich äußerte sich auch sein Co-Chef Alexander Gauland.

Der Hintergrund: Im Bundesamt für Verfassungsschutz werden derzeit mit Blick auf eine mögliche Beobachtung Berichte aus den Ländern ausgewertet, das thüringische Landesamt prüft eine Beobachtung des Landesverbands schon ganz konkret.

Man darf diese Einlassungen getrost auch als Signal in die eigene Partei hinein verstehen: Dort macht sich nämlich Unruhe breit, seit dem der Parteivorstand eine fünfköpfige Arbeitsgruppe eingesetzt hat, um eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu verhindern – durch rechtliche Schritte, aber auch durch bessere Kontrolle des Verhaltens von Parteimitglieder. In der AfD ist bereits von „Stasi“ und „Großinquisitoren“ die Rede. Eine Erklärung „gegen alle Denk- und Sprechverbote“ hat großen Zulauf.

Am Wochenende schlugen die Wellen besonders hoch: Da wurde bekannt, dass ein Gutachten der Partei zwecks Vermeidung einer Beobachtung empfiehlt, vieles zu unterlassen, was in der Partei zum guten Ton gehört: Die „pauschale Diffamierung“ von Flüchtlingen oder Muslimen zum Beispiel oder die Verwendung „extremistischer Reizwörter“ wie „Umvolkung“ oder „Überfremdung“.

AfD will vor Menschenrechtsgericht ziehen

Auch von der Pflege von Kontakten zu Organisationen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, rät der Gutachter ab. Ebenso von dem Infragestellen der Religionsfreiheit der in Deutschland lebenden Muslime. All das ist bei der AfD an der Tagesordnung.

Trotz Meuthens harscher Worte präsentierte die AfD auch bereits vollzogene Maßnahmen: So seien in den vergangenen Wochen mehrere problematische Mitglieder dazu bewegt worden, die Partei zu verlassen. Die Bürgerbewegung Pro Chemnitz habe man auf die „Unvereinbarkeitsliste“ gesetzt.

Auch soll neben der Arbeitsgruppe ein unabhängiges Gremium mit bis zu drei Mitgliedern berufen werden, die nicht der Partei angehören. Zudem will die AfD vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dagegen klagen, dass die Prüfung einer möglichen Beobachtung öffentlich bekannt wurde. Das schade der Partei.

Am Sonntag hatte sich die Junge Alternative, die AfD-Jugendorganisation, von ihrem niedersächsischen Landesverband getrennt, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Gauland befürwortete die Loslösung: „Da sind Dinge gesagt und geteilt worden, die unerträglich sind.“

Meuthen wurde auf Nachfrage grundsätzlicher. „In unserer Partei darf nicht alles gesagt werden“, so der Parteichef. Das wird vielen AfDlern nicht gefallen. Für die Partei, zu deren Gründungsmythos die absolute Meinungsfreiheit gehört, könnte die Angst vor dem Verfassungsschutz zu einer Zerreißprobe werden.

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