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Hessen: Tarek for president

Bei einer Umfrage zehn Tage vor der hessischen Landtagswahl liegen die Grünen erstmals vor der SPD

Aus Wiesbaden Christoph Schmidt-Lunau

Wird Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir neuer Ministerpräsident in Hessen? Nach einer jüngsten Wahlumfrage hat der Spitzenkandidat der Grünen gute Chancen, bei der Landtagswahl am 28. Oktober den bisherigen Amtsinhaber Volker Bouffier in Pension zu schicken und selbst Regierungschef zu werden. Das ZDF veröffentlichte am Donnerstag eine aktuelle Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen mit sensationellen Zahlen: Wenn am Sonntag in Hessen gewählt würde, käme die CDU danach nur noch auf 26 Prozent und die SPD auf 20 Prozent. Die Grünen könnten mit 22 Prozent zweitstärkste Kraft werden. FDP und Linkspartei wären mit jeweils 8 Prozent weiter im Landtag vertreten, die AfD würde mit 12 Prozent erstmals in den Landtag einziehen.

Für die Regierungsbildung würde das bedeuten: Weder die amtierende schwarz-grüne Landesregierung noch eine „Große“ Koalition aus CDU und SPD hätten nach der Wahl eine Mehrheit. Möglich wären dagegen gleich zwei Regierungskonstellationen ohne die CDU, die in Hessen seit 19 Jahren den Ministerpräsidenten stellt: eine „Ampel“ aus Grünen, SPD und FDP wie auch ein grün-rot-rotes Bündnis. In beiden Fällen würden die Grünen als stärkster Partner den Ministerpräsidenten stellen. Dem SPD-Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel bliebe die Rolle des Juniorpartners. CDU-Mann Bouffier hätte dagegen nur eine einzige Option: Er müsste eine „Jamaika-Koalition“ mit den Grünen und der FDP schmieden.

Zur möglichen Option, dass die Grünen den nächsten hessischen Ministerpräsidenten stellen könnten, wollte der grüne Landtagsfrak­tionsvorsitzende Mathias Wagner nichts sagen. Mit den guten Zahlen für seine Partei konfrontiert, sagte er der taz: „Die Zahlen glaube ich nicht.“ Am Rande einer Veranstaltung fügte er hinzu: „Wir machen unsern Stiefel weiter und halten den Kurs der Eigenständigkeit, Wir wollen aus der Landtagswahl so stark wie möglich hervorgehen.“

Beim Sommerinterview des hessischen Fernsehens war der grüne Spitzenkandidat Al-Wazir gefragt worden, wen er sich als nächsten Ministerpräsidenten wünsche, seinen Koalitionspartner, den amtierenden Ministerpräsidenten Bouffier oder den SPD-Herausforderer Thorsten Schäfer-Gümbel. Al-Wazirs diplomatische Antwort: „Der Bessere möge gewinnen.“ Ob er dabei insgeheim auch an sich gedacht hat, ist nicht bekannt.

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