Andreas Wyputta über den Tod eines Syrers in Kleve: Kein Rechtsstaat für Amed A.
R ückhaltlose Aufklärung und völlige Transparenz haben Nordrhein-Westfalens Minister für Inneres und Justiz, Herbert Reul und Peter Biesenbach, im Fall des zu Unrecht eingesperrten und nach einem Brand in seiner Zelle gestorbenen Syrers Amed A. versprochen. Allerdings: Aufgeklärt ist der Tod des 26-Jährigen noch lange nicht. Stattdessen tauchen mit fast jeder neuen Erklärung, fast jeder Richtigstellung der beiden Christdemokraten neue Fragen auf.
Dubios erschien der Fall von Anfang an: Erst als Amed A. im Sterben lag, fiel auf, dass in der Justizvollzugsanstalt Kleve der falsche Mann einsaß – zuvor hatten Polizei und Justiz es monatelang geschafft, einen Araber aus Syrien mit einem Afrikaner aus Mali zu verwechseln.
Dann hielten die Behörden den Brand zunächst für einen tragischen Unfall, jetzt ist von Suizid die Rede. Völlig unglaublich erscheint die Behauptung der Justiz, der Gefangene habe in mehr als zwei Monaten nur einmal darauf hingewiesen, dass er zu Unrecht in Haft sei. Nach seinem Anwalt, den er aus seinem Asylverfahren gut kannte, soll er nie verlangt haben.
An diesem Mittwoch – zehn Tage nach dem Tod von Amed A. – musste Justizminister Biesenbach auch noch einräumen, dass der Gefangene schon bei Haftantritt als akut suizidgefährdet eingestuft wurde. In Syrien soll er gezwungen gewesen sein, der Gruppenvergewaltigung seiner Verlobten zuzuschauen, die danach verblutet sein soll. Intensiv beobachtet wurde er seit Anfang September trotzdem nicht mehr. Nach all diesen Fehlern, Unterlassungen und Merkwürdigkeiten wundert es dann kaum noch, dass Polizisten aus Kleve als Erste den ausgebrannten Haftraum untersuchen durften. Zumindest theoretisch hatten sie damit die Chance, Beweismaterial zur Seite zu schaffen, das ihre Kollegen vor Ort belasten könnte – nicht umsonst untersucht mittlerweile die Polizei Krefeld den Fall. All das ist mehr als Schlamperei: Es scheint, als habe der Rechtsstaat zumindest für Amed A. nicht existiert. Dafür muss es Verantwortliche geben – und die haben Namen.
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