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Mit Entertainment gegen fehlende Kitaplätze

Überall suchen Eltern Betreuungsplätze für ihre Kinder. Haben sie einen, kritisieren sie die Qualität der Einrichtung. Mit dem „Gute-Kita-Gesetz“ will Familienministerin Abhilfe schaffen

Franziska Giffey (rechts) präsentiert ihr Gute-Kita-Gesetz Foto: Gaertner/photothek/imago

Aus Berlin Simone Schmollack

Wie beim „Glücksrad“, einer TV-Spieleshow, bei der die Kandidat*innen Buchstaben kaufen können, um ein Wort zu erraten, klappt Franziska Giffey an einer Tafel mit bunten Würfeln diese nacheinander um. Darauf stehen aber keine Buchstaben, sondern ganze Wörter. Zum Beispiel „Bedarfsgerechtes Angebot“ und „Sprachliche Bildung“.

Giffey gibt am Mittwoch in einer Berliner Kita die Entertainerin, ist aber Familienministerin der Republik. Und als diese zuständig für die „Kitakrise“: zu wenig und zu teure Plätze, zu kurze Öffnungszeiten. Dazu kommen Personalmangel und schlechte Betreuung. Das will die SPD-Politikerin ändern, mit dem sogenannten Gute-Kita-Gesetz. Am Mittwoch hat das Kabinett einen entsprechenden Entwurf beschlossen. Welcher Ort eignet sich für die Präsentation desselben besser als eine Kita?

Um die geht es schließlich. Bundesweit sollen die Einrichtungen laut Gesetz mehr Erzieherinnen und Erzieher bekommen, länger offen sein, ein warmes und gutes Mittagessen anbieten, tolle Spielplätze haben und für sozial benachteiligte Familien kostenlos sein. Dafür will die Bundesregierung in den kommenden vier Jahren 5,5 Milliarden Euro ausgeben. Am 1. Januar 1919 soll es losgehen, wenn mit allen Bundesländern Verträge über die Vorhaben abgeschlossen sind.

Denn das Gesetz ist ein Novum im bundesdeutschen Föderalismus: Der Bund gibt das Geld und steigt damit in die Kitaplanung ein. Gewöhnlich ist Bildung Ländersache. Mit den Ländern werde jetzt ausgehandelt, welche Prioritäten sie setzen wollen: Öffnungszeiten bis 18 Uhr, mehr Männer in den Einrichtungen, mehr Erzieher*innen oder überhaupt erst mal mehr Plätze. „Die Länder wissen am besten, was sie brauchen“, sagt Giffey.

Denn Kita ist nicht gleich Kita und Bundesland nicht gleich Bundesland. Während Nordrhein-Westfalen das Problem hat, zunächst den hohen Bedarf an Kitaplätzen abdecken zu müssen, dürfte in Mecklenburg-Vorpommern vielleicht eher die Betreuungsqualität eine Rolle spielen. Der Osten ist bekanntermaßen mit Kitaplätzen besser ausgestattet als der Westen. Dem Institut der Deutschen Wirtschaft zufolge suchen in Mecklenburg-Vorpommern nur 3 Prozent der Eltern einen Kitaplatz, in NRW hingegen fast 16 Prozent.

Gute Kitas sind die Zukunftsaufgabe schlechthin

Familienministerin Franziska Giffey

Gute Kitas sind „eine nationale Aufgabe“, sagt Giffey. „Die Zukunftsaufgabe schlechthin.“ Wenn Giffey über Kinder, Bildung, Kitas und Schulen redet, ist sie in ihrem Element. Damit kennt sie sich aus, als frühere Bürgermeisterin des Berliner Problembezirks Neukölln kann sie ein Lied davon singen, wie schlecht Mädchen und Jungen sprechen, lesen und rechnen, wenn sich niemand mit ihnen beschäftigt.

Giffey weiß auch, dass manche Eltern ihre Kinder gern in eine Einrichtung bringen würden, wenn diese nicht so viel Geld kosten würde. So zumindest sagt das die Ministerin. Von den 4,6 Millionen Kindern unter sieben Jahren gehen 3 Millionen in eine Krippe oder in eine Kita. Künftig soll der Kitabesuch für Kinder von Eltern, die Wohngeld oder Hartz IV bekommen, kostenlos sein, insgesamt 1,2 Millionen Kinder.

Die Union erwartet trotzdem, dass „jedes Land zunächst Fortschritte bei der Betreuungsqualität anstrebt und nicht das gesamte Bundesgeld in die Gebührenfreiheit steckt“, sagt der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Marcus Weinberg. Norbert Müller, kinderpolitischer Sprecher von der Linksfraktion kritisiert das Gesetz als „handwerklich schlecht gemacht und finanziell bei Weitem nicht ausreichend“.

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