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„Wir nehmen das ernst“

Die Polizei Schleswig-Holstein hat eine Ansprechstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und LSBTIQ-Personen eingerichtet. Ihr Initiator erklärt, warum

Von Naomi Bruhn

taz: Herr Puschmann, mit einer der ersten zentralen Anlaufstellen für LSBTIQ Personen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Intersexuell, Queer) reiht sich die Landespolizei Schleswig-Holstein ganz vorn neben Hamburg und Berlin ein, wie kam es dazu?

Jens Puschmann: Über Velspool, dem Verein für schwule und lesbische Polizeibeamte bin ich 2016 darauf aufmerksam geworden, dass es in einigen Landespolizeien Ansprechpartner für LSBTIQ-Personen gibt. Daraufhin habe ich mich mit dem Landespolizeidirektor und dem Innenministerium in Verbindung gesetzt und meine Idee von einer Ansprechstelle für LSBTIQ-Personen vorgestellt. An dem Thema war großes Interesse ,dann wurde diese Stelle eingerichtet.

Wie wird man Ansprechpartner einer solchen Anlaufstelle ?

Indem man sich für das Thema LSBTIQ interessiert und sich auch für diese Community innerhalb der Polizei, aber auch Polizei-extern einsetzen will.

In Berlin gibt es eine solche Stelle seit 1992, warum ist das Projekt in Schleswig-Holstein auf ein Jahr begrenzt ?

Meine Idee wurde vom Ministerium und der Polizeiführung als Pilotprojekt gestartet, weil man sich ein Bild machen möchte, inwieweit der Bedarf in Schleswig-Holstein besteht und hat dann vor, es als dauerhafte Einrichtung fest zu verankern.

Sie und Ihr Kollege sind Männer, wäre es nicht gerade hier besser Bezugspersonen beider Geschlechter in der Beratungsstelle zu haben ?

Ja, unser Ziel ist es, und so ist es auch in unserem Erlass vorgesehen, dass die Stellen paritätisch besetzt werden sollen. Leider hat sich keine Kollegin gefunden, die bereit war, das Projekt mit mir anzufangen, weswegen wir mit zwei Männern starten.

Die Beratungsstelle richtet sich sowohl an BürgerInnen als auch an PolizistInnen …

Die Beratungsstelle

Die Landespolizei von Schleswig Holstein hat seit dem erstem September in Eutin eine zentrale Beratungsstelle mit Ansprechpersonen für gleichgeschlechtliche Lebensweisen/LSBTIQ.

Eine solche Ansprechstelle gibt es bisher nur in Berlin (1992) und in Hamburg (2016).

Die Ansprechstelle ist für die Beratung von Opfern homophober und transphober Gewalt zuständig. Sie kümmert sich auch um polizeiinterne Beratung sowie um Fortbildungen im Bereich der Hasskriminalität.

Zurzeit ist das Projekt mit zwei Vollzeitstellen besetzt und könnte in Zukunft aber noch weiter ausgebaut werden.

Genau, wir sind auch innerhalb der Polizei die Beratungsstelle, in der sich die Kolleginnen und Kollegen zum Thema LSBTIQ informieren können. Weiterhin sind wir in dem Bereich der Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter tätig, wo wir das Thema Hasskriminalität unterrichten. Außerdem sind wir für präventive Konzepte mit LSBTIQ-Bezug verantwortlich.

Und Polizei-extern?

Außerhalb der Landespolizei liegt unser Schwerpunkt auf vertrauensbildenden Maßnahmen. Im Besonderen sind wir Ansprechpartner für LSBTIQ Gewaltopfer. Des Weiteren gehen wir aktiv auf Verbände zu und wollen der LSBTIQ-Community zeigen, dass wir ein Verbündeter sind und dass wir für sie da sind. Hierzu gehört auch die Ermöglichung eines professionellen Opferschutzes. Außerdem unterstützen wir als Landespolizei den Aktionsplan für Akzeptanz vielfältiger sexueller Identitäten und wollen fester Bündnispartner des Netzwerkes „Echte Vielfalt“ werden.

In der Polizeischule in Eutin sind mehrmals Schüler wie Lehrer wegen Fällen von Sexismus, Fremdenfeindlichkeit und rechtem Gedankengut aufgefallen, soll das Projekt ein Entgegenwirken dessen sein?

Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen den genannten Vorwürfen und der Einrichtung der Zentralen Ansprechstelle in Eutin.

Wie wird das Projekt von den KollegInnen angenommen?

Wir stellen fest, dass es ein sehr großes Interesse an unserer Stelle gibt. Gerade die Auszubildenden haben eine große Aufgeschlossenheit uns gegenüber und wir haben viele Besucher in unserem Büro.

Jens Puschmann, 60, war im Bereich der Aus- und Fortbildung tätig, hat Verkehrs- und Strafrecht unterrichtet. 2016 hatte er die Idee der Anlaufstelle für LSBTIQ-Personen.

Es gibt diverse Beratungsstellen für LSBTIQ, warum sollte man sich explizit an die Polizei wenden?

Eine EU-Studie aus dem Jahr 2012 besagt, dass es im Bereich der Hasskriminalität eine sehr große Dunkelziffer gibt. Viele der Befragten gaben an, dass sie sich nicht trauen, zur Polizei zu gehen, aus Angst nicht ernst genommen zu werden. Deswegen wollen wir mit den Betroffenen ins Gespräch kommen und Vertrauen aufbauen. Wir wollen zeigen, dass die Landespolizei Schleswig-Holstein jeden Sachverhalt im Bereich von Straftaten ernst nimmt.

Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) hat gesagt, es wäre ihm wichtig, dass keinE PolizistIn wegen Sexualität, Geschlecht, Glaubens oder Herkunft benachteiligt wird. Soll es demnach künftig eine Anlaufstelle für Opfer rassistischer oder sexistischer Gewalttaten geben?

Leider ist mir dazu nichts bekannt. Es gibt dafür die Anti-Diskriminierungs-Stelle des Landes und noch Organisationen wie „Zebra“, die sich mit rechter Gewalt auseinandersetzen.

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