Kolumne Geht's noch?: Kein Verfassungsschutz

Ausgerechnet die NSU-Schredderbehörde soll die Nazinähe der AfD untersuchen? Das funktioniert nicht, vor allem nicht mit Maaßen.

Fehlt nur noch, dass Maaßen „Merkel muss weg“ brüllt – perfekt für die Beobachtung der AfD Illustration: TOM

Endlich, man konnte die Steine von den in diesen Zeiten schwer pumpenden Demokratenherzen fallen hören, endlich nimmt sich der Verfassungsschutz der AfD an – erst in Bremen und Niedersachsen, wo die Landesämter die Jugendorganisation Junge Alternative beobachten wollen, dann in Thüringen, wo die VerfassungsschützerInnen eine Beobachtung der Partei prüfen.

Nur: Glaubt tatsächlich noch irgendwer, dass die Verfassungsschutzämter die Lösung des Problems Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik sein könnten? Jene Leute, unter deren Augen Neonazis jahrelang ungestört morden konnten? Die nach dem Auffliegen des NSU nichts Besseres zu tun hatten, als in der „Operation ­Konfetti“ Akten mit Informationen zu V-Leuten zu schreddern? Die, wie in Hessen passiert, einen Bericht über den NSU für 120 Jahre sperren ließen?

Apropos Hessen: War nicht ein Mitarbeiter ebenjenes Landesverfassungsschutzes am Tatort, in einem Internetcafé, als Halit Yozgat in den Kopf geschossen wurde?

Und als reichte das nicht schon für berechtigte Zweifel an der Tauglichkeit der VerfassungsschützerInnen, kommt am Freitag dieser Woche Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, und erklärt, dass in Chemnitz wohl keine Hetzjagden stattgefunden hätten. Zumindest sehe er dafür „keine belastbaren Informationen“, wie er der Bild sagte.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Und das Video von Sonntagabend? „Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist.“ Die ReporterInnen vor Ort? Die vielen Zeugenaussagen? „Nach meiner vorsichtigen Bewertung sprechen gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken.“

Beweise legt Maaßen für all diese Behauptungen nicht vor. Er haut sie einfach mal so raus. Ganz abgesehen davon, dass es völlig egal ist, ob es „Hetzjagden“ waren oder „Jagdszenen“ oder „Übergriffe“ – alles schlimm genug und alles eigentlich alarmierende Signale für Verfassungsschützer –, greift er so direkt die Bundeskanzlerin (die von Hetzjagden gesprochen hatte) an und diskreditiert viele Medien. Maaßen, der Beschützer unseres Grundgesetzes, benimmt sich wie ein Verschwörungstheoretiker auf YouTube. Eigentlich hat nur noch gefehlt, dass er „Merkel muss weg!“ brüllt.

So, und jetzt lassen wir diese Ämter mal schön beobachten und prüfen. Wird schon.

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Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.

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