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Zusammen für ein tolerantes Neukölln!

Heute am Samstag lädt die Initiative „Rudow empört sich“ zu einem internationalen Buffet an der Alten Dorfschule ein – ein Ausrufezeichen gegen rechte Gewalt und Einschüchterung

Es gibt Grund, sich zu empören in Rudow: Heinz Ostermann vor seinem Buchladen Leporello Foto: Natalie Mayroth

Von Natalie Mayroth

Am Tresen der Buchhandlung Leporello liegen bunte Postkarten aus. „Rudow empört sich!“, steht darauf. Adressiert sind sie an Berlins Innensenator Andreas Geisel. Die Empörung richtet sich gegen rechtsextreme und rassistisch motivierte Straftaten der vergangenen zwei Jahre in Rudow. Mit den Karten wird die Ermittlung der bisher nicht gefassten Täter gefordert. Wer sich beteiligen möchte, muss lediglich frankieren, unterschreiben und sich den nächsten Postkasten suchen. 5.000 Stück hat die Bürgerinitiative „Rudow empört sich“ gedruckt, nur noch ein paar sind übrig. Die Nachfrage war groß, erzählt Heinz Ostermann, der Inhaber von Leporello.

Und die nächste Aktion der Empörten wartet schon. Am heutigen Samstag findet die „Offene Tafel“ vor der Alten Dorfschule im Herzen Alt-Rudows statt. Eingeladen sind alle Bürger der 160 Nationen, die im Bezirk leben. Für musikalische Untermalung sorgt Sara Rilling, Leiterin des MitMachOrchesters Neukölln. Insgesamt acht Institutionen von Kirchen bis zum islamischen Verein I-ISIN organisieren das internationale Buffet. „Wir wollen zeigen, wie viel­fältig Rudow ist“, sagt Ostermann.

Er weiß aber auch: „Wenn wir die Veranstaltung machen, müssen wir damit rechnen, dass auf der anderen Seite Rechte stehen.“ Während unseres Gesprächs hält wieder mal eine Polizeistreife vor dem Geschäft. Das, sagt der 61-Jährige, gebe ihm Sicherheit.

Ins Visier rechter Kreise geriet Ostermann im Dezember 2016, nachdem er Vertreter des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“ in seinem Buchladen zu Gast hatte. Statt einer klassischen Lesung ging es dabei um Strategien, sich Gruppierungen wie der AfD verbal entgegenzustellen. Es war eine der Aktionen der „Neuköllner Buchläden gegen Rechtspopulismus und Rassismus“. Ostermann ist ein Gründungsmitglied dieser Initiative.

Nach der Veranstaltung begannen die Einschüchterungen. Die Fensterscheiben seines Ladens in der Krokusstraße wurden eingeschlagen. Damals wurde außerdem ein für Respekt und Vielfalt werbendes Banner der evangelischen Kirchengemeinde Rudow, nur ein paar Hundert Meter von der Buchhandlung entfernt, zerschnitten.

Seitdem brannte auch zweimal das Auto von Ostermann. Einmal wurde der Wagen dabei vor seiner Haustür abgefackelt. Im Februar dieses Jahres brannte außerdem das Auto von Ferat Kocak, Vorstandsmitglied in der Linken Neukölln. Bis heute weiß man nicht, wer genau hinter diesen Anschlägen steckt. Eben daran will man mit der Postkartenaktion erinnern.

Sein Engagement aber bereut Ostermann nicht. Als sich nach den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin vor zwei Jahren abzeichnete, dass auch in Neukölln Abgeordnete der AfD in die Bezirksverordnetenversammlung gewählt worden sind, war ihm eines klar: dass er handeln müsse. So kamen mit auf seine Initiative die Neuköllner Buchhändler zusammen, und er suchte auch in Rudow den Dialog und gründete die Bürgerinitiative „Rudow empört sich“.

Es geht auch darum, sich nicht einschüchtern zu lassen. „Wichtig ist es mir, ein Zeichen für Vielfalt und Toleranz zu setzen und Mut zu machen, den Mund aufzumachen“, sagt Pfarrerin Beate Dirschauer.

Als vor eineinhalb Jahren „Ausländer raus“ auf die Fassade der Kirche geschmiert wurde, übermalte das die Aktivistin Irmela Mensah-Schramm auf Wunsch der Pfarrerin. Und auch als ihr die Autoreifen zerstochen wurden, ließ Dirschauer ein weiteres Mal das Kirchenbanner gegen Rechtsextremismus an der Fassade anbringen. „Ich war auch empört“, sagt sie. Deshalb hat sie in Kitas und Schulen für die „Offene Tafel“ am Samstag geworben. Das „stille Dulden“ solle ein Ende haben. Bevor sie nach Rudow kam, war Dirschauer in der Flüchtlingskirche in Kreuzberg. Neu für die Pfarrerin war die Resignation, auf die sie oft in ihrer neuen Gemeinde stieß.

Neben Heinz Ostermann und Ferat Kocak wurden in den vergangenen zwei Jahren auch weitere Personen in Neukölln zum Ziel von Attacken, etwa weil sie sich gegen NPD-Flyer ausgesprochen hatten wie Christiane Schott oder politisch aktiv sind wie die SPD-Bezirksverordnete Mirjam Blumenthal, die Morddrohungen bekam.

Die Polizei reagierte auf die Vorfälle mit Ermittlungsgruppen, die seit Anfang 2017 aktiv sind. Neue Straftaten verhindern können sie jedoch nicht. Erst Ende August wurde in Neukölln erneut ein Fahrzeugbrand gemeldet. Diesmal passierte es in der Krokusstraße. Die Straße, in der Ostermann seinen Buchladen hat.

Die Behörden ermitteln, doch könne man im laufenden Verfahren keine Aussagen machen, sagt ein Polizeisprecher.

So bleibt erst mal nur eines: das bürgerliche Engagement. Mit der Bürgerinitiative könne man andere erreichen als durch politische Parteien, sagt Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel. „Demokratie muss von den Bürgern verteidigt werden“, so Hikel, der seine Unterstützung mit seinem Kommen zur „Offenen Tafel“ angekündigt hat.

Die „Offene Tafel“ findet am Samstag von 15 bis 18 Uhr vor der Alten Dorfschule, Alt-Rudow 60, statt. Kulinarische Mitbringsel und musikalische Beiträge sind erwünscht.

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