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Nicolas Hulot verlässt die französische Regierung

Umweltminister kritisiert Politik der kleinen Schritte und faulen Kompromisse. Sein Rücktritt ist ein weiterer Tiefschlag für Präsident Macron. Er verliert weiter an Zustimmung

Nicolas Hulot beim Besuch einer Windkraftanlage im vergangenen Januar Foto: Jean-Francois Monier/afp

Aus Paris Rudolf Balmer

Mehrfach seit seinem Amtsantritt vor 14 Monaten hat er schon mit dem Gedanken eines Rücktritts gespielt. Jetzt hat der französische Staatsminister für Umwelt und Klimawandel, Nicolas Hulot, seine Drohung wahr gemacht. Angeblich sollen Präsident Emmanuel Macrons Zugeständnisse an den einflussreichen Jägerverband das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Sein Engagement für die Umwelt und einen solidarischen Klimawandel sei am Widerstand gewisser „Lobbys“ gescheitert, meinte Hulot verbittert. „Man sagte mir, ich müsse geduldig sein und Prioritäten setzen. Aber wir gedulden uns seit dreißig Jahren. Und alles im Bereich der Umwelt und des Klimawandels ist prioritär und dringend“, fügte er hinzu.

„Ich mag nicht länger lügen“, erklärte er im Gespräch mit Radio France Inter. Er habe keine Lust mehr, „nur kleine Schritte machen“ zu können. Zu häufig musste er in der Regierung nachgeben oder unbefriedigende Kompromisse akzeptieren, so bei der versprochenen Verringerung des Anteils der Atomenergie an der Stromproduktion oder beim Verbot der Glyphosate und anderer Pestizide. Sein Rücktritt ist für Macron, dessen Zustimmungswerte sinken, ein politischer Tiefschlag. Denn der in der Bevölkerung sehr beliebte Hulot ist nicht einfach ersetzbar.

Populär wurde der 1955 in Lille geborene Hulot nicht als Minister, sondern ab Ende der 80er Jahre als Fernsehjournalist mit spektakulären Reportagen in Urwäldern oder auf arktischen Gletschern für seine Sendung „Ushuaia – le magazine de l’extrême“. Diese begründete seinen Ruf als Naturschützer.

Er zählte in den Umfragen seither immer zu den Lieblingen der Franzosen. Er verwandelte das in ein Geschäftsmodell mit einem Fernsehsender, einer eigenen Stiftung und den nach seiner Sendung benannten Duschgels sowie anderen Kosmetikprodukten. Wenige Monate nach seiner Ernennung zum Staatsminister wurde er in einer Zeitschrift der Vergewaltigung einer Frau beschuldigt. Wegen Verjährung des von Hulot dementierten Vorfalls von 2008 wurde die Voruntersuchung eingestellt.

Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy und François Hollande boten ihm Ministerposten an, die er bis zur Wahl von Macron ablehnte. Er zog es vor, seinen Einfluss zu nutzen – 2006 mit einem „Ökologischen Pakt“, den die wichtigsten Präsidentschaftskandidaten, unter ihnen der spätere Präsident Nicolas Sarkozy und dessen sozialistische Gegnerin Ségolène Royal, unterzeichneten. Unter Hollande wirkte er als Sonderberater für Umwelt und Gesandter für die Pariser Klimakonferenz COP21 (2015).

Populär wurde Nicolas Hulot ab Ende der 80er Jahre als Fernsehjournalist

Mit dem Ausscheiden aus der Regierung bekommt Hulot Meinungs- und Handlungsfreiheit zurück. Das könnte ihm eventuell ermöglichen, für 2022 eine Kandidatur gegen Macron vorzubereiten.

Regierungssprecher Benjamin Griveaux „bedauerte“ den Rücktritt, der ihm in seiner abrupten Form „unhöflich“ vorkomme. Ein Jahr reiche nicht für eine „Umweltrevolution“, und er persönlich ziehe es vor, „kleine Schritte zu machen, anstatt auf der Stelle zu treten“, sagte Griveaux. Die Opposition dagegen begrüßte einstimmig Hulots Entscheidung. „Ich teile nicht unbedingt seine Ansichten, aber ich kann verstehen, dass er sich verraten fühlte“, kommentierte Laurent Wauquiez, Vorsitzender der konservativen Partei Les Républicains.

Für Jean-Luc Mélenchon von der linken France insoumise ist der Rücktritt „wie ein Misstrauensvotum gegen Macron“. Der grüne EU-Abgeordnete Yannick Jadot twitterte: „Hulot hat Recht, nicht länger als Feigenblatt zu dienen.“

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