Deutsche Konzerne in Südamerika: Menschenrechte sind variabel

Laut einer Studie handeln deutsche Unternehmen in Südamerika mit in der EU verbotenen Pestiziden und kaufen Kupfer aus verseuchten Minen.

Gefährdungszeichen mit Totenkopf im Kornfeld

In vielen Entwicklungsländern werden als hochgefährlich eingestufte Pestizide eingesetzt Foto: imago/Christian Ohde

BERLIN taz | Deutsche Unternehmen kommen ihrer Verantwortung bei der Achtung der Menschenrechte „nur in Ansätzen nach“. Das ist das Fazit einer aktuellen Fallstudie des Öko-Instituts. Die Bundesregierung sorge außerdem nicht ausreichend dafür, dass die Firmen in der EU geltende Standards auch im außereuropäischen Ausland einhalten.

Die Forscher*innen des Öko-Instituts haben verschiedene Fälle untersucht, in denen deutsche Unternehmen zweifelhaften Handelsgeschäften in Übersee nachgehen. Kupferimporte für die deutsche Automobilindustrie etwa stammen demnach zu großen Teilen aus Peru und Chile, wo im Bergbau hochgiftige Schwermetalle eingesetzt werden. Die Grubenabwässer verseuchen die umliegenden Gewässer. Das verletze verschiedene von den Vereinten Nationen postulierte Menschenrechte wie das Recht auf sauberes Wasser, Gesundheit und angemessene Ernährung. Immer wieder gebe es auch Zwangsumsiedlungen und weitere Eingriffe.

Als problematisch bezeichnen die Autor*innen außerdem den Vertrieb hochgiftiger Schädlingsbekämpfungsmittel, die in der EU verboten sind. Europäische Agrarchemiekonzerne verkaufen in vielen Entwicklungsländern Pestizide, die die Welternährungsorganisation FAO und die Weltgesundheitsorganisation WHO als „Highly har­zardous“ (kurz: HHP), also hochgefährlich, klassifizieren.

Laut taz-Recherchen gehören in der Tat mindestens 164 der 229 in Bolivien zugelassenen Ackergifte zu diesen HHPs. 105 sind in anderen Ländern verboten, davon 75 in der EU. Hierzu zählt beispielsweise das Bienengift Imidacloprid sowie das Herbizid Atrazin. Beides wird vom deutschen Chemiekonzern BASF hergestellt.

164 der 229 in Bolivien zugelassenen Ackergifte sind hochgefährlich

Auf Anfrage der taz erklärte BASF, ausschließlich Produkte zu vertreiben, die auch in mindestens einem OECD- bzw. „Hochregistrierungs“-Land zugelassen seien und zusätzlich zu den Anforderungen des Ziellandes auch die Prinzipien des „Internationalen Verhaltenskodex über Pestizidmanagement“ der FAO und der WHO erfüllten.

Das Unternehmen wich der Frage nach dem toxischen Risiko seiner in der EU verbotenen Pestizide allerdings aus und verwies darauf, dass das Produktportfolio immer „auf den regionalen Markt zugeschnitten“ werde. Teilweise handle es sich um Produkte für „Kulturpflanzen, die aufgrund klimatischer Bedingungen nicht in Deutschland angebaut“ werden.

Der jährliche Pestizideinsatz in Bolivien nimmt stark zu. In den vergangenen zehn Jahren hat er sich auf mehr als 40 Tonnen vervierfacht. Der sprunghafte Anstieg geht vor allem auf den Einsatz des umstrittenen Totalherbizids Glyphosat im Anbau genveränderter Sojabohnen zurück. Viele Kleinbauern sind finanziell von den Pestizidhändlern abhängig – oft kennen sie die Gefahren nicht, viele vergiften sich chronisch.

Krebsfälle nehmen zu, Nervenerkrankungen wie Parkinson ebenfalls. Auch hormonelle Störungen, schwere Missbildungen und Fehlgeburten sind Folgen des Herbizideinsatzes. Bolivien steht damit exemplarisch für viele Entwicklungsländer, in denen die Bevölkerung unter dem ausufernden Einsatz von Pflanzenvernichtungsmitteln leidet.

Öko-Institut fordert gesetzliche Regelungen

Die Autor*innen der Studie fordern die Unternehmen auf, Umwelt- und Menschenrechtsrisiken entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette – also von der Herstellung über die Nutzung bis zur Entsorgung ihrer Produkte – zu analysieren und dabei die Betroffenen miteinzubeziehen. Ziel sei die Entwicklung wirksamer Schutzmaßnahmen, wie etwa die Einrichtung von Beschwerdestellen.

Allerdings zeigten die untersuchten Fälle, „dass Unternehmen, solange sie selbst entscheiden dürfen, inwieweit sie Menschenrechte und Umweltfragen berücksichtigen, dies entweder nur teilweise oder gar nicht tun“, schreiben die Autoren der Studie. Freiwilligkeit reiche deshalb nicht, gesetzliche Regelungen seien notwendig.

Die Behörden müssten die Umsetzung kontrollieren und sanktionieren. Parallel dazu sei es aber auch sinnvoll, Geschädigten aus dem Ausland Zugangsmöglichkeiten zu deutschen und europäischen Gerichten zu verschaffen, damit sie Unternehmen auch auf Schadenersatz verklagen können.

Zudem fordert das Öko-Institut in seiner Studie, die Standards für die innereuropäische Zulassung und für zu exportierende Stoffe zu vereinheitlichen. Das heißt zusammengefasst: Produkte, die in der EU oder Deutschland verboten sind, weil sie Menschen oder Umwelt gefährden, sollen auch nicht exportiert werden dürfen.

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