Ermittlungen gegen Spaßdemo in Berlin: Schwerkrimineller Konfettiregen

Eine Satiredemo mit 72 Landfriedensbrüchen? Das will die Polizei am 1. Mai in Grunewald jedenfalls so gesehen haben.

Spitze eines sehr bunten Demozuges

Die Demo am 1. Mai 2018 im Grunewald Foto: imago/Christian Mang

BERLIN taz | Es war die Maidemo der Herzen. Ein paar Dutzend HedonistInnen wollten unter dem Motto „Wo eine Villa ist, ist auch Weg“ durch den „Problembezirk“ Grunewald ziehen. Ein „Quartiersmanagement Grunewald“ kündigte an, vor „eleganten Immobilien dekadent zu raven.“ Etwas unernst sollte so die Maitradition des sozialen Protestes zu geeignet erscheinenden Adressaten gebracht werden.

Die Angelegenheit wurde dann ein wenig größer. Die Polizei zählte 3.000 TeilnehmerInnen, die bunt und laut durch das Villenviertel demonstrierten. Mehr als 600 Einsatzkräfte begleiteten den Aufzug und stellten eine Vielzahl von Straftaten fest. Laut der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger mehr als 80, 72 davon Landfriedensbrüche.

Schmidberger hält die Einordnung so vieler Vergehen als Landfriedensbruch für überzogen: „Ich gehe davon aus, dass die Gerichte und die Staatsanwaltschaft das bereinigen werden. Die Demo war total friedlich und fröhlich. Von ihr ging zu keinem Zeitpunkt Gewalt aus.“ Zumal ein früherer Ermittlungsstand, abgefragt von der Linken-Abgeordneten Franziska Brychcy, eine ähnliche Zahl Sachbeschädigungen vermeldete, die offenbar innerhalb weniger Wochen zum schwerer wiegenden Tatbestand des Landfriedensbruchs aufgewertet wurden.

Dabei wirkte schon der Vorwurf der Sachbeschädigung in vielen Fällen kaum begründet, scheinen doch die Anbringung von Aufklebern und das Verschießen von Konfetti dazu gezählt worden zu sein. Eine konkrete Aufschlüsselung der Vorwürfe legte die Polizei nicht vor. Lukas Theune vom Republikanischen Anwaltsverein bestätigt, dass immer wieder als Bagatellen erscheinende Vorgänge mit schweren Vorwurf belegt würden. Dabei sei die Aufwertung für die Verfolgung von Straftaten nicht einmal nötig, wenn zum Beispiel eine Staatsanwaltschaft ein öffentliches Interesse an den Ermittlungen feststellen würde. Theune schränkt jedoch ein: „Wenn es tatsächlich nur um Aufkleber geht, wäre das ein bisschen albern.“

Die Veranstalter der Demo bezeichnen die Kriminalisierung derweil als skandalös. „Die Polizei macht hier mal wieder Politik, um soziale Proteste zu diskreditieren und kriminalisieren“, heißt es in einer Erklärung. Der Humor ist dem „Quartiersmanagement“ dennoch nicht verlorengegangen. Man überlege, „den Protest 2019 gleich als „härteste revolutionäre Satiredemo der Welt“ anzumelden“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.