: Der Kohle wegen: Die AfD macht auf „Altpartei“
Mit der Anerkennung einer parteinahen Stiftung hofft die Partei nun auf Millionen aus Steuermitteln. Tausende protestieren friedlich gegen den Parteitag der radikal Rechten
Aus Augsburg Sabine am Orde und Patrick Guyton
Erika Steinbach wird sich künftig ganz in den Dienst der AfD stellen. Die parteilose Politikerin, die jahrzehntelang Mitglied der CDU war, ist Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung, die der AfD-Bundesparteitag am Wochenende als parteinahe Stiftung anerkannt hat.
Dazu hat wohl auch Steinbachs Rede beigetragen. Sie beklagte den „immer noch nicht abreißenden Strom von Migranten“ und zeigte sich bekümmert über den mangelnden Nationalstolz: „Deutschland ist ein Fall für den Psychiater und mit dieser Stiftung wollen wir die Therapeuten sein, um diesen deutschen Selbstwertdefekt heilen zu helfen.“ Dafür erhielt sie Standing Ovations. Mit knapp zwei Dritteln der Stimmen erkannten die gut 500 Delegierten die DES, wie die Erasmus-Stiftung abgekürzt heißt, als parteinahe Stiftung an.
Die Konkurrenz, die Gustav-Stresemann-Stiftung, ist damit als parteinahe Einrichtung aus dem Spiel. Fraktionschefin Alice Weidel hatte sich von Anfang an für die DES starkgemacht, während ihr Ko-Chef Alexander Gauland die Gustav-Stresemann-Stiftung favorisierte – vor allem wegen des Namens.
Allerdings soll die DES nach dem ehemaligen Reichskanzler umbenannt werden, wenn dies juristisch nicht mehr umstritten ist. Die Nachfahren Stresemanns wollen sich gegen die Verwendung des Namens wehren. Die AfD wird indes ihr Ziel weiter verfolgen, parteinahe Stiftungen grundsätzlich abzuschaffen.
Aber damit rechnet niemand. Schon eher mit viel Geld für die Verbreitung des AfD-Weltbildes durch Veranstaltungen, Seminare und die Verteilung von Stipendien. Vermutlich ab der nächsten Legislaturperiode kann die DES Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung erhalten – gerechnet wird mit einem hohen zweistelligen Millionenbetrag.
Der Entscheidung war eine hitzige Debatte vorausgegangen. Schließlich war die AfD mit dem Versprechen angetreten, mit dem System der Parteienfinanzierung der verhassten „Altparteien“ ganz grundsätzlich aufzuräumen. In der Debatte war, mitunter lautstark, von fehlender Prinzipientreue, Opportunismus und dem Verrat an einem Teil der Seele der Partei die Rede. Die Befürworter dagegen sprachen von der zu schaffenden „Waffengleichheit“ mit den anderen Parteien.
Im Kuratorium der ErasmusStiftung sitzen mit der ehemaligen DDR-Bürgerrechtlerin Angelika Barbe und dem Wirtschaftsprofessor Max Otte zwei CDU-Mitglieder, aber auch Vertreter der Neuen Rechten wie der Publizist Karlheinz Weißmann und der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider.
Im Vergleich zu Steinbach verlief das Wochenende für Parteichef Jörg Meuthen weniger erfolgreich. Auch er drückte die populistischen Knöpfe, die eine Rede bei der AfD gewöhnlich zu einem Erfolg machen – aber erhielt nur mäßigen Applaus. Zwar beschimpfte er die Antifa und die Kanzlerin, geißelte den Multikulturalismus, forderte den Bau einer „Festung Europa“ und lobte den österreichischen Rechtpopulisten Heinz-Christian Strache, den Chef der fremdenfeindlichen italienischen Lega Matteo Salvini und den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán als Bündnispartner.
Doch er warf den gut 500 Delegierten in der Augsburger Messe auch einen schweren Brocken vor die Stuhlreihen: Meuthen plädierte für einen schrittweisen Ausstieg aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Staat soll nur für die aufkommen, die es allein nicht schaffen. Auch der Vorstellung, dass Selbstständige und Beamte wie Angestellte in die Rentenkasse einzahlen, hat Meuthen eine Absage erteilt. Der AfD fehlt bislang ein sozialpolitisches Programm, es wird aber daran gearbeitet. Meuthens Beitrag dazu blieb nebulös. Klar ist aber: Er widerspricht grundsätzlich dem, was der radikal rechte Flügel der Partei um Thüringens Partei- und Fraktionschef Björn Höcke jüngst vorgeschlagen hat. Der verfolgt einen national-sozialen Kurs, der unter anderem staatliche Zuschläge für niedrige Renten nur für deutsche Staatsbürger vorsieht.
Höcke setzte in Augsburg einen Sonderparteitag zum Thema Sozialpolitik durch, der im kommenden Jahr stattfinden soll, nach seiner Vorstellung in Sachsen. Dort sowie in Thüringen und Brandenburg finden 2019 Landtagswahlen statt. „Wenn wir soziale Gerechtigkeit mit dem Thema Identität verknüpfen, werden wir zur stärksten Volkspartei“, sagte Höcke.
Ko-Parteichef Alexander Gauland traf gleich zu Beginn des Parteitags die Stimmung. Und zwar mit einer gezielten Provokation, wie sie der AfDler liebt. Er verglich die Kanzlerin indirekt mit Adolf Hitler, als er Putin und Trump nannte, die Beziehungen zu Polen, Ungarn, Italien und Österreich als miserabel bezeichnete und dann erklärte: „Der letzte deutsche Regierungschef, der eine solche Feindkonstellation gegen sich aufgebracht hat …“ Der Zusatz „nein, lassen wir das lieber“ ging im Applaus unter, steht aber so im Redemanuskript.
Während Gauland und Co. ab Samstagmorgen munter hetzten, sammelten sich vor der Halle 5.000 Menschen zu Gegenprotesten. Die Messe war abgeriegelt und mit Stacheldraht umzäunt, einige Dutzend AfD-Gegner versuchten, die Barrikaden zu überwinden. Die Polizei setzte Pfefferspray ein, es gab zwei Leichtverletzte und 20 Platzverweise. Dutzende Organisationen hatten zum Protest aufgerufen. In der Innenstadt ging es bei den DemonstrantInnen trubelig und gut gelaunt zu, die Polizei hielt sich im Hintergrund. „Zeig Solidarität, Herz und Tole-ranz“, stand an vielen Orten geschrieben.
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