Ermittlungen im Abgasskandal: Audi-Chef Stadler festgenommen
Topmanager Stadler kommt wegen Verdunkelungsgefahr in U-Haft. Er soll Dieselautos mit manipulierter Abgasreinigung in den Verkehr gebracht haben.
Stadler ist seit elf Jahren Audi-Chef. Vor einer Woche hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, ein Ermittlungsverfahren gegen ihn sowie ein weiteres Mitglied des Vorstands der VW-Tochter eingeleitet zu haben. Sie legt ihnen „Betrug sowie mittelbare Falschbeurkundung zur Last“. Die beiden hätten Dieselautos mit manipulierter Abgasreinigung in Europa in den Verkehr gebracht.
Zur Sicherung von Beweismaterial waren nach Angaben der Staatsanwaltschaft die Privatwohnungen von Stadler und dem nicht genannten Vorstandsmitglied durchsucht worden. Die Zahl der Beschuldigten stieg damit auf 20.
Stadler soll nach der Aufdeckung der Manipulationen in den USA von den falschen Abgaswerten auch in Europa gewusst haben, aber anders als in den USA keinen Vertriebsstopp angeordnet haben. Die Ermittler stützten sich auf die Auswertung von Korrespondenz, verlautete aus Ermittlerkreisen. Im März 2017 und im Februar 2018 hatte es in der Audi-Zentrale in Ingolstadt und im Werk Neckarsulm bereits Razzien gegeben.
Stadlers Posten an der Spitze der VW-Oberklassetochter und damit auch im Vorstand des VW-Konzerns soll vorläufig der Niederländer Bram Schot übernehmen, wenn der Audi-Aufsichtsrat zustimmt. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur von mit der Angelegenheit vertrauten Personen. Der 56-Jährige ist seit rund einem Dreivierteljahr Vertriebsvorstand bei Audi.
Stadler ist nicht der einzige Manager in U-Haft
Neben Stadler sitzt als Beschuldigter auch ein ehemaliger Chef der Audi-Motorenentwicklung und Porsche-Entwicklungsvorstand in Untersuchungshaft. Er war im September 2017 verhaftet worden. Einer seiner früheren Mitarbeiter bei Audi in Neckarsulm war nach mehreren Monaten Untersuchungshaft im November 2017 wieder freigekommen.
Audi soll in den USA und Europa von 2009 an rund 220.000 Dieselautos mit Schummelsoftware verkauft haben. Seit Ende 2015 hatten sechs Audi-Vorstände ihren Hut nehmen müssen. Gegen Stadler waren immer wieder Rücktrittforderungen laut geworden.
Die umfangreichsten Ermittlungen in Deutschland wegen Dieselgate laufen bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig, die für den Volkswagen-Konzernsitz in Wolfsburg zuständig ist. Die niedersächsischen Strafverfolger führen vier Strafverfahren gegen aktuelle und ehemalige Manager. Im größten Verfahren mit aktuell 39 Beschuldigten geht es um den Vorwurf der Manipulation von Stickoxidwerten in Abgasen. Dieser Betrugsverdacht richtet sich auch gegen den früheren Konzernchef Martin Winterkorn, der ebenso wie andere Beschuldigte strafrechtliche Verfehlungen bestritten hat.
Weitere Ermittlungsverfahren, teilweise mit identischen Beschuldigten, befassen sich mit dem Verdacht der Schönunng von Kohlendioxid-Werten (sechs Beschuldigte), der Datenlöschung (ein Beschuldigter) und der Marktmanipulation (drei Beschuldigte). Grundlage des letzten Vorwurfs ist der Verdacht, dass Volkswagen seine Aktionäre zu spät über den Dieselskandal informiert hat. Diese Ermittlungen richten sich gegen Winterkorn, den jetzigen Konzernchef Herbert Diess, der zuvor schon VW-Markenchef war, sowie den früheren Finanzvorstand und jetzigen Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch.
Ordnungsgeld von 1 Milliarde Euro
Das Bußgeld-Verfahren in Braunschweig wurde in der vergangenen Woche mit dem Akzeptieren des Ordnungsgeldes von einer Milliarde Euro durch Volkswagen beendet.
Die Staatsanwaltschaft in München hat 20 aktuelle und frühere Mitarbeiter der Ingolstädter Volkswagen-Tochter Audi im Visier – darunter auch Stadler. Ähnlich wie in Braunschweig geht es hier um den Verdacht, dass bei Audi Abgaswerte von Dieselmotoren manipuliert wurden, um gesetzliche Vorgaben zu umgehen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs, strafbarer Werbung und Urkundenfälschung. Ein weiterer verhafteter Ingenieur aus der Motorenentwicklung, bei dem die Justiz wegen seiner italienischen Staatsangehörigkeit Fluchtgefahr befürchtete, kam gegen eine Kaution wieder auf freien Fuß.
Die Staatsanwaltschaft in Stuttgart ermittelt beim Sportwagenhersteller Porsche wegen Betrugs zuletzt gegen drei Beschuldigte, darunter den amtierenden Entwicklungsvorstand Michael Steiner. Ein ehemaliger Motorenchef des Stuttgarter Autobauers kam im April in Untersuchungshaft. Porsche entwickelt zwar selbst keine Dieselmotoren, soll dem Verdacht zufolge aber manipulierte Motoren von Audi wissentlich übernommen haben.
Auch das Thema Marktmanipulation beschäftigt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft. In diesem Zusammenhang ermittelt sie gegen Winterkorn, Pötsch und den gerade abgetretenen VW-Chef Matthias Müller. Die Beschuldigten waren zum fraglichen Zeitpunkt Vorstände der Porsche Automobil Holding SE, die einen Großteil der VW-Aktien hält.
Die Behörde prüft außerdem, ob sie wie Braunschweig und München Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die VW-Tochter Porsche und den VW-Großaktionär Porsche SE einleitet.
Die US-Behörden sind bei der Strafverfolgung schon einen Schritt weiter – insgesamt neun Personen wurden wegen des Dieselskandals angeklagt. Zuletzt erhob die Staatsanwaltschaft in Detroit Anklage gegen den ehemaligen VW-Vorstandschef Winterkorn. Sie wirft ihm in der 42-seitigen Anklageschrift Verschwörung zum Betrug vor. Seit 2006 habe VW die Abgase von Dieselmotoren manipuliert und die US-Behörden und die Kunden jahrelang wissentlich getäuscht. Neben Winterkorn sind seit Januar 2017 fünf ehemalige VW-Manager mit deutscher Staatsbürgerschaft deswegen in den USA angeklagt, darunter der ehemalige Chef der VW-Motorenentwicklung, Heinz-Jakob Neußer. Keiner von ihnen sei bisher gefasst, sie hielten sich wahrscheinlich in Deutschland auf, heißt es in der Klageschrift. Im Juni 2017 waren die fünf Angeklagten zur internationalen Fahndung ausgeschrieben worden.
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