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SPD-nahe SammlungsbewegungPlattform gegen die Krise

Die „Progressive Soziale Plattform“ soll die SPD sozialer machen. Eine Kooperation mit Sahra Wagenknechts linker Sammlungsidee ist möglich.

Der Testballon für die neue SPD ist noch ganz klein: dem Aufruf zur „PlattformPRO“ sind bisher rund 5.000 Menschen gefolgt Foto: imago/IPON

Berlin taz | Der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow und seine Mitstreiter*innen haben sich viel vorgenommen. Mit ihrer neuen parteiübergreifenden Bewegung „Progressive Soziale Plattform“ wollen sie nicht nur die gesamte Demokratie in Deutschland aus der Krise holen – sie wollen damit auch die SPD retten. Am Dienstag gab Bülow zusammen mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Cansel Kiziltepe in Berlin den offiziellen Start der Initiative bekannt.

Die Bewegung soll ein Zusammenschluss engagierter Menschen sein, die sich für progressive und soziale Politik einsetzen. „Deutschland ist reich, aber immer weniger Menschen profitieren vom Wohlstand“, so Bülow. „Wir wollen, dass Deutschland von der Abstiegsgesellschaft wieder zur Aufstiegsgesellschaft wird. Deswegen wollen wir uns auf soziale Themen konzentrieren.“

Konkret möchte die „PlattformPRO“, wie sie auch genannt wird, dazu eine Doppelstrategie fahren. Zum einen soll der Diskurs in die Gesellschaft transportiert werden. Zum anderen brauche es aber auch die SPD für eine linke Mehrheit in Deutschland, so Kiziltepe (SPD): „Die SPD muss die führende Kraft sein.“

Für die Verbreiterung ist eine Kampagne geplant. Unter dem Titel #sozialstart wollen Gründungsmitglieder und Unter­stützer*innen durch Deutschland touren. Dazu wurden diejenigen, die die Petition unterschrieben haben, in einem ersten Schritt gefragt, was sie sich von einer sozialen Politik erwarten. Die rund 2.000 Antworten hat ein Team dann gebündelt und in zehn Forderungen verpackt. Dort schlägt die Initiative beispielsweise ein Sofortpaket gegen Armut vor, definiert bezahlbares Wohnen als Grundrecht, will soziale Sicherungssysteme reformieren und Wohlstand umverteilen. Auch das umstrittene Hartz-IV-System soll komplett umgekrempelt werden. Die Ergebnisse dieser Tour sollen dann in Anträgen an die SPD herangetragen werden, aber über Medien auch an die Öffentlichkeit gelangen.

Was PlattformPRO sein will

Die Bewegung kann vor allem als Reaktion auf die Krise der SPD verstanden werden. „Nichts hat sich seit der Wahlniederlage verändert“, kritisiert Bülow. „Und jetzt wurde gestern das Analyse-Papier zur Wahlniederlage der SPD veröffentlicht. Darin stehen alle Punkte, die wir schon die ganze Zeit genannt haben.“ Die Strukturen seien zu ­hierarchisch, die Linie der Partei sei zu unklar, der Kuschelkurs mit der Union habe sie unglaubwürdig gemacht. Kritische Stimmen würden ausgegrenzt und nicht in Gremien gewählt.

Trotzdem: Eine ­Alternative zur SPD will PlattformPRO auch nicht sein. „Das Potenzial der Partei ist riesig, wir müssen es nur ausnutzen“, erklärt Bülow. Aber trotzdem will er den Diskurs auch zwischen den Parteien anstoßen. Auch eine Kooperation mit der von Sahra Wagenknecht geplanten linken Sammlungsbewegung schließt er nicht kategorisch aus.

Vor drei Monaten hatten linke Aktivist*innen, vor allem aus SPD-Kreisen, zur Unterstützung des Projekts aufgerufen. Mittlerweile sind über 5.000 Menschen dem Aufruf gefolgt. Rund die Hälfte der Unterstützer*innen sei SPD-Mitglied, die andere Hälfte Mitglied in anderen Parteien oder parteilos, so Bülow. Unter ihnen ist seit Neuestem auch Simone Lange. Die Flensburger SPD-Oberbürgermeisterin hatte kürzlich vergeblich gegen Andrea Nahles als Parteivorsitzende kandidiert.

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5 Kommentare

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  • Es existiert keine wie auch immer dimensionierte soziale Umverteilungspolitik, die dem klassischen linken Wählerpotenzial (die Bier-, nicht die Smoothietrinker) eine Politik der offenen Grenzen versüßen könnte.

  • Und tschüss

     

    Nützt auch nix!

    Sie bleiben nämlich eine harte Hartz-Partei!

     

    Tschüss SPD.

  • Ich habe die SPD über 30 Jahre als Wähler unterstützt. Genau an dem Tag als sich Schröder zu Hartz IV bekannt hat, war damit ein Punkt für mich erreicht, an dem ich mich von der SPD und ihren Politikern betrogen sah!

     

    Ich würde mich freuen, wenn die Plattform Pro etwas erreichen würde, durch das die soziale Gerechtigkeit in Deutschland hergestellt werden könnte.

    Leider wird der Weg, falls er mit Erfolg gekrönt sein würde, sehr holprig und steinig werden, denn es gilt nicht nur die Politiker von diesem Weg zu überzeugen, sondern vor allem ein Umdenken bei den Protagonisten in der Wirtschaft, der Industrie und der Banken zu erreichen, denn von dort aus wird die Ungerechtigkeit weitest gehend befördert!

     

    Durch die Erfindung der prekären Arbeitsplätze, den Ausbau von Leiharbeit und der befristeten Arbeitsverträge, wurde dem Kapital ermöglicht, immer mehr Einkommen durch zu niedrige Löhne zu generieren, um dadurch auch einen viel höheren Einfluss auf die Politik zu nehmen, durch den Drohmechanismus Arbeitsplätze abzubauen, oder abbauen zu müssen, sollten die Aktionäre nicht zufrieden gestellt werden können!

     

    Bestes Beispiel ist zur Zeit, der Dieselskandal und der Abbau der Braunkohleförderung!

    Wie man deutlich erkennen kann, hat die Automobilindustrie unsere Politiker so fest in der Tasche, dass sie trotz angedrohter Konsequenzen, immer noch weiter Schummel Software in ihre Fahrzeuge verbaut, wohlwissend, dass die Konsequenzen verschwindend niedrig sind, im Gegensatz der zu erwartenden Gewinne, wie man bestens bei Daimler und Verkehrsminister Scheuer sehen kann.

     

    Was ist aus der Milliarden Strafandrohung geworden?

     

    Ob es der Plattform Pro gelingen wird die SPD zu retten, nach dem sie sich nach der Wahl als absoluter Wendehals der verschiedenen Richtungen erwiesen hat, glaube ich nicht, denn in der jetzigen GroKo zerstört die SPD ihr letztes bisschen Glaubwürdigkeit!

     

    Es wäre vielleicht besser für die Akteure der Plattform Pro sich als alternative zur SPD aufzustellen!!!

  • Das System Schröder, Clement, Müntefering, Riester, Gabriel, Scholz, Kahrs & Co. hat es als Komplementäre der geistig-moralischen Wende der Kohl-Genscher-Bande bewerkstelligt, aus dem vormals freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat der Bundesrepublik Deuschland und der sozialen Marktwirtschaft nach Eucken, Müller-Armack und Erhard, die heute faktische Geldherrschaftsdiktatur und eine Investitionskapitalplanwirtschaft zu schaffen.

     

    Ein neues Deutschland, in dem rasante Steigerungen der Vermögen und fast schon perfide Einkommensprivilegierungsentwicklungen in der Wirtschaft zu Gunsten der immer reicheren Haves und zu Lasten der immer ärmeren Have nots scheinbar völlig normal sind, dürfte keine Basis für konstruktive und intelligente Realpolitik sein.

     

    Ob die politische Analyse der neuen PlattformPRO und/oder der neuen SAW (Sozialistische Alternative Wagenknecht), hinreichend realistisch ist, um die gegenwärtig desolate politische Lage der Parteien des Nichtgeldherrschaftsdiktaturlagers und damit der unteren Hälfte der deutschen Bevölkerung zu verbessern, scheint angesichts der offen zu Tage tretenden intellektuellen, strategischen und politischen Graben- und Parteitagsk®ämpfe doch sehr fraglich. Da muss wohl noch viel Realitätsbewusstsein entstehen und von "fähigen" Parteimitgliedern geschaffen werden.

  • Nach dem Wahldebakel hat sich die SPD im Sinne des Seeheimer Kreises aufgestellt und versucht jetzt diese Tatsache mit sozial zu übertünchen. Also bisschen früher als sonst links blinken. Abgebogen wird sowieso nur rechts.