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Neuer Facebook-AlarmDaten schon wieder weg?

Facebook hat 60 Hardwareherstellern jahrelang umfassenden Zugang zu Nutzer*innendaten gewährt. Ein neuer Skandal droht.

It's so sad Foto: imago/Hollandse Hoogte

Berlin taz | Mehr als 10 Jahre lang haben 60 Hersteller von Smartphones, Tabletts und anderer Hardware laut einem Bericht der New York Times (NYT) persönliche Daten von Freunden von Nutzern abgegriffen. Die Informationsweitergabe an Konzerne wie Apple, Amazon, BlackBerry, HTC, Microsoft, Samsung und Co. diente laut Facebook der Programmierung von Schnittstellen zwischen Hard- und Software, sogenannten API.

Facebook erklärte, die Schnittstellen seien in Zeiten vor dem Boom von Apps für die Facebook-Nutzung notwendig gewesen, dabei sei der Datenzugriff strikt eingeschränkt worden. Es seien keine Fälle bekannt, in denen über diesen Kanal erhaltene Informationen missbraucht worden seien.

In einem Selbstversuch stellte dagegen ein NYT-Reporter fest, dass Blackberry, indem er sich über das Smartphone bei Facebook anmeldete, knapp 300.000 Nutzer*innendaten von Freunden und Freundesfreunden mit der Facebook-App abgreifen konnte – darunter Angaben zum Beziehungsstatus, zur Religion, politischen Einstellung, Bildungshistorie und zu besuchten Veranstaltungen. Das habe auch bei Nutzern funktioniert, die einer Weitergabe ihrer Daten an „dritte Parteien“ – also nicht an Facebook und die Nutzer selbst – widersprochen hatten.

Die New York Times warf deshalb die Frage auf, ob Facebook damit gegen die nach einem früheren Datenskandal eingeführten Restriktionen der US-Verbraucherschutzbehörde FTC aus dem Jahr 2011 verstoßen haben könnte. Damals hatte sich Facebook unter anderem verpflichtet, keine Daten von Mitgliedern an „Dritte“ ohne ausdrückliche Zustimmung weiterzugeben. Facebook argumentiert, man betrachte die Smartphone-Firmen in diesem Fall als Service-Anbieter, die von dieser Regelung ausgenommen waren.

Facebook bricht Versprechen

Der NYT zufolge bricht Facebook mit dem Datenleak auch ein 2015 gemachtes Versprechen, keine Daten an Dritte weiterzugeben. Seitdem sollten Unternehmen wie Blackberry eigentlich nur noch den Namen von Freunden registrieren dürfen, wenn diese selbst einen Blackberry nutzen.

Facebook begründet die Weitergabe damit, dass die Hersteller nicht als „Dritte“, sondern als „Service Partner“ betrachtet würden. Die Aushändigung von Daten an „Service Partner“ ist laut dem Konzern erlaubt, auch wenn Nutzer*innen die Weitergabe ihrer Daten an „Dritte“ – wie Werbeunternehmen – ausdrücklich untersagt haben.

Die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, sprach in diesem Zusammenhang von einem „völlig falschen Rechtsverständnis“ Facebooks. Der Internetkonzern nehme die Einwilligung eines Nutzers zur Datenweitergabe als Erlaubnis, die Daten der Freunde des Nutzers ebenso weiterzugeben.

Die Weitergabe von Freundesdaten stand auch im Zentrum des Skandals um Cambridge Analytica, bei dem Informationen von 87 Millionen Facebook-Nutzern an die Firma geflossen waren – und dort offenbar zur Manipulation des Verhaltens bei den US-Wahlen genutzt wurden. Sollte sich der Verdacht erhärten, sieht Winkelmeier-Becker den nächsten gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung durch den Konzern.

Facebook wehrt ab

Infolge des Cambridge-Skandals hatte Facebook im April begonnen, die Partnerschaften mit 60 Unternehmen nach und nach zu beenden. Apple sagte der NYT, der Konzern hätte seit Herbst 2017 keine Daten mehr bezogen. BlackBerry betonte, es würde die Facebook-Daten weder sammeln noch statistisch auswerten. Teilweise sind die Daten sogar auf den Servern der Unternehmen gespeichert worden, so die Zeitung.

Facebook widerspricht auf seiner Homepage der Darstellung der NYT. Die Verträge mit den Hardware-Herstellern, die teilweise bis auf das Jahr 2007 zurückgehen, funktionierten ganz anders als die mit App-Entwicklern. Diese hatten Cambridge Analytica Zugang zu Daten von Nutzer*innen erlaubt, die die Firma offenbar nutzte, um Wählerverhalten zu manipulieren.

Die geheimen Verträge mit Apple & Co. hingegen erlauben laut Facebook den Unternehmen ausschließlich, die Daten für die Facebook-kompatible Entwicklung ihrer Geräte zu nutzen. Bei einer Anhörung in einem Bundestagsausschuss im April hatte der Konzern lediglich die Partnerschaft mit BlackBerry zugegeben – ohne jedoch Details zu nennen.

In Deutschland löste der Zeitungsbericht empörte Reaktionen in der Politik aus. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) erklärte, der Fehler liege im Facebook-System. „Es ist ein Geschäftsmodell, seine Nutzer bis ins Kleinste auszuforschen, und die Daten mit Geschäftspartnern auszutauschen.“ Elisabeth Winkelmeier-Becker warf die Frage auf, „ob Facebook aufgrund seiner falschen Rechtsansicht auch an anderer Stelle bewusst Nutzerdaten ohne dazu berechtigende Einwilligung weitergegeben hat“.

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6 Kommentare

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  • ... und ehrlich gesagt bin ich manchmal sogar ein bisschen froh, wenn die Leute, die sich nur für den Rasen interessieren, keine Politik machen ...

     

    ... trotzdem ist es natürlich eine Katastrophe, dass wir in unserer Demokratie so viele Leute haben, die sich nur für den Rasen interessieren

  • Zitat: "Facebook argumentiert, man betrachte die Smartphone-Firmen in diesem Fall als Service-Anbieter, die von dieser Regelung ausgenommen waren."

     

    Das läuft dann nach dem gleichen Muster, wie die Sache mit den Sub-Sub-Sub-Unternehmern. Die Hauptfirma zieht sich aus der Verantwortung, und die Angeschmierten sind sowohl die Arbeitnehmer als auch die Kunden.

  • In unserer toll aufgeklärten, Wirtschaftlich bestens aufgestellten, Gesellschaft gelten im grunde die gleichen Regeln wie zu Cäsars Zeiten ... Brot und Spiele ! Hinterfragt wird in der heutigen Zeit doch nur ob der Nachbar auch rechtzeitig den Rasen gemäht hat , nicht zu früh die Hecke schneidet ,das Treppenhaus gefeudelt ist, der Nachbarshund nicht auf den Gehweg geschissen hat, die Musik zu laut ist und zum Feierabend die Parkplatzsuche zur Lotterie wird ! Datenkraken wie Facebook und Consorten sind meiner Meinung nach ebenfalls Nachbarn, nur dort meckert und hinterfragt kaum jemand ! Das heutiges Selbstwertwertgefühl vieler Menschen beruht doch zu großen Teilen aus Likes der Internetblase. Wie unbedeutend das alles im grunde ist und welche Wertigkeit diese art von Freunden und Komunikation ist kann jeder sehr schnell herausfinden .... einfach mal den ''Stecker'' für einen Monat ziehen ! Unterm Strich kann ich deshalb die Aufregung um dieses Thema nur zum Teil verstehen ! Denn : wer von den Nutzern hält es denn wirklich für gefährlich was Facebook & co mit den Daten anstellen ? Die meißten laufen doch auch nur wieder den Lettern der großen Zeitung nach und setzen sich nicht wirklich mit der Thematik auseinander und warten darauf das sich etwas ändert ohne das eigene Verhalten zu ändern. Nichts ist einfacher als von Hamsterrad zu Hamsterrad zu spingen oder ?!

  • Und wo ist der Aufreger oder die Neuigkeit? Facebook ist ein Stollentrollunternehmen und verhält sich nur arttypisch.

     

    //de.zamonien.wikia.com/wiki/Stollentroll

     

    P.S.: Es gibt ein Internet ausserhalb von Facebookwhatsappinstagrammimgur.

  • Ich verstehe die Aufregung nicht. Es war von vornherein klar, dass diese Dienste nicht zu humanitären Zwecken und als Non-Profit-Organisationen eingerichtet wurden, sondern um möglichst viel Geld mit den Daten zu verdienen.

    Was ich aber schlimm finde, ist dass so viele Institutionen (aus Bequemlichkeit?) diese Dienste nutzen. Wenn ich zum Beispiel bei "Quer" im Bayerischen Rundfunk über Facebook darüber diskutieren soll, warum man Facebook nicht benutzten sollte (meine Formulierung), dann werde ich hilflos. Ganze Presseartikel beruhen mittlerweile auf Facebook- oder Twittermeldungen. Unter den Zeitungsartikeln locken die Logos zum Teilen und "Liken". Warum ist wohl niemand willig, eine sinnvolle Alternative auf die Beine zu stellen? Wir sollten mal überlegen, was wir alles der Privatisierung mit ihren freiwilligen Selbsterklärungen überlassen wollen - und was nicht! Jetzt Facebook, Twitter, Google und wie sie alle heißen für böse erklären, nachdem wir sie viele Jahre liebevoll gefüttert und groß gezogen haben, halte ich für unredlich.

    • 4G
      42736 (Profil gelöscht)
      @Michael Dietz:

      Die Idee mit der Alternative ist schon okay. Nur müßte das Ding recht leistungsfähig sein bei momentan vier Milliarden Nutzern. Solange die Software im Großen und Ganzen zentralisiert arbeitet (Betreiber bietet die Features, Teilnehmer benutzen es mit dem Browser) wird das Nutzungskosten verursachen, oder es geht halt wieder nur mit Werbung.

      Mein Ansatz wäre eine Verbundlösung :

      Jeder kümmert sich selber um einen netzweit erreichbaren Speicherplatz und klinkt diesen mehr oder weniger ins Gesamtsystem ein. Dabei gibt es keinen speziellen Server mehr und gleichzeitig auch keinen Betreiber mit seinen ganz eigenen Interessen. Alles wird durch ein noch zu entwerfendes Community-Protokoll erledigt. Die großen Anbieter unterstützen dann dieses Protokoll, was sie ja heute mit HTTP,WebDAV,POP,... auch schon tun. Allerdings muß man dann auch damit leben, daß im Zweifelsfall keine Instanz existiert, die in Streitfällen jeglicher Art schlichtet oder aufräumt.

      Meiner Ansicht nach sollte in diese Richtung entwickelt werden.

      Nur so eine Anregung als Software-Entwickler.