: Vorne räumen, hinten bauen
Räumung eines israelischen Außenpostens auf palästinensischem Privatland kaschiert neue Siedlungspläne
Aus Jerusalem Susanne Knaul
Rund 1.000 junge israelische Siedler protestierten mit brennenden Müllcontainern sowie mit Farbe und Wasserflaschen, die sie auf Polizisten warfen, gegen die Räumung einer auch nach israelischem Recht illegalen Kleinstsiedlung. Ein Sonderaufgebot von Sicherheitskräften erreichte am Dienstagfrüh den 2001 errichteten sogenannten Siedlungsaußenposten Netiv Ha’avot südlich von Bethlehem, um insgesamt 15 Häuser, die auf privatem palästinensischen Land errichtet worden waren, abzureißen.
Die Räumung folgte einer vor knapp einem Jahr getroffenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Jerusalem, die sieben palästinensischen Grundstücksbesitzern Recht gab. Die Friedensbewegung Peace now hatte die Palästinenser mit Rechtsbeistand unterstützt.
Die Polizisten kamen in blauen T-Shirts und unbewaffnet. Zwei Polizisten trugen bei dem Gerangel mit den nationalreligiösen Aktivisten der „Hügel-Jugend“, die sich für die Ausbreitung jüdischer Siedlungen im besetzten Westjordanland einsetzt, Verletzungen davon.
Bereits im Vorfeld der Räumung hatten Siedler und Sicherheitsapparat eine Einigung über einen weitgehenden friedlichen Abzug und allenfalls passiven Widerstand in zwei der Gebäude, aus denen sich die Hügel-Jugend einer nach dem anderen von den Polizisten raustragen ließ, erzielt. „Das ist unlogisch“, stand auf einem der Protestplakate, die die Jugendlichen an den für den Abriss bestimmten Häusern befestigten.
Absurd ist, dass nur wenige Meter entfernt auf einem Gebiet, das erklärtermaßen kein Privatbesitz ist, möglicherweise 350 neue Wohnungen entstehen sollen. Bildungsminister Naftali Bennett, Chef der Siedlerpartei, bestätigte am Montag: „Wer immer 15 Häuser abreißt, wird 350 neue dafür bekommen.“ Die große Schlacht sei indes erst gewonnen, wenn Regierungschef Benjamin Netanjahu „sein Versprechen erfüllt und den Bau einer riesigen Nachbarschaft auf genau diesem Hügel genehmigt“.
Obschon die Häuser illegal errichtet wurden, entschied die Regierung vor einigen Monaten über eine Kompensation der Siedler in Höhe von umgerechnet 15 Millionen Euro. Netiv Ha’avot dürfte zu einer der letzten Räumungsaktionen im Westjordanland gehören, denn Anfang letzten Jahres entschied das israelische Parlament über das sogenannte Reglementierungsgesetz, das wild errichtete Siedlungen, selbst wenn sie sich auf privatem Landbesitz befinden, rückwirkend legalisiert. Das Gesetz war sogar von Parteifreunden Netanjahus kritisiert worden. Der Likud-Politiker Benni Begin sprach von einem „Landklaugesetz“.
Laut Informationen von Peace now plant die israelische Regierung aktuell die Genehmigung von weiteren knapp 4.000 Wohnungen für Siedler im Westjordanland – mehrheitlich in abgelegenen Siedlungen, die im Falle einer Zweistaatenlösung mit den Palästinensern aufgelöst werden würden. Die Pläne der Regierung umfassten außerdem die komplette Neugründung zweier Siedlungen, heißt es weiter.
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