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Experten raten Agrarministerin zu ReformKlöckner versteckt kritische Gutachten

Berater der Agrarministerin fordern einen radikalen Umbau der EU-Subventionen für Landwirte. Die CDUlerin wollte das verheimlichen.

Umweltfreundlich oder nicht? Das ist weitgehend egal bei den EU-Direktzahlungen Foto: dpa

Berlin taz | Die beiden Gutachten sind für Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) unangenehm: Die von ihrem eigenen Ministerium eingesetzten Beiräte für Agrarpolitik und für Artenvielfalt empfehlen in den Stellungnahmen, die milliardenschweren EU-Subventionen für die Landwirtschaft grundlegend anders zu verteilen als bisher – und anders als von Klöckner befürwortet.

Kein Wunder, dass das Ministerium die Studien am Montagabend im Gegensatz zu früheren Gutachten klammheimlich entgegennehmen wollte. Weder verschickte es Einladungen an die Presse, noch trug es die Übergabe in den öffentlichen Terminkalender der Behördenleitung ein.

Die Gutachten kommen zu einem kritischen Zeitpunkt. Denn gerade verhandelt die Europäische Union darüber, was sie mit ihrem bislang rund 59 Milliarden Euro umfassenden Agrarbudget nach Ablauf der aktuellen Förderperiode im Jahr 2020 machen will. Maßgeblich darüber entscheiden wird auch die Bundesregierung.

Der Beirat für Agrarpolitik schlägt vor, innerhalb von etwa 10 Jahren die wichtigste Subvention abzuschaffen: die Direktzahlungen, in die bislang 73 Prozent des Etats fließen. Dieses Geld erhalten Bauern derzeit pro Hektar weitgehend nur dafür, dass sie auf dieser Fläche Landwirtschaft betreiben. Direktzahlungen „sind weder an der Bedürftigkeit der Landwirte noch an deren Leistungen orientiert“ und deshalb „heute nicht mehr zu rechtfertigen“, teilen die Wissenschaftler in ihrem Gutachten mit.

Die größten Höfe bekommen das meiste Geld

Tatsächlich spielt bei der Verteilung bisher keine Rolle, ob ein Betrieb das Geld wirklich braucht. Die höchsten Beträge bekommen sehr reiche Großgrundbesitzer. Und es ist auch weitgehend egal, wie umwelt- oder tierfreundlich die Bauern arbeiten.

Der Beirat lehnt den Vorschlag der EU-Kommission ab, die Direktzahlungen für besonders große Betriebe zu begrenzen. Denn es sei nicht belegt, dass kleine Höfe grundsätzlich besser etwa für die Umwelt seien. Zudem würde so eine Reform der Direktzahlungen den politischen Druck senken, das ihrer Meinung nach verkorkste System wirksam zu verändern.

Der Großteil des Geldes für die Direktzahlungen sollte den Forschern zufolge für Programme der EU-Länder genutzt werden, um zum Beispiel die Artenvielfalt auf Agrarflächen oder die Attraktivität ländlicher Räume zu steigern.

Die Forscher raten, von den Bauern mehr Leistungen für die Umwelt zu verlangen

Dass die Direktzahlungen schon bei der nächsten Reform abgeschafft werden, ist aber unwahrscheinlich. Die EU-Kommission will sie beibehalten und auch Klöckner etwa verteidigt sie als „wesentliches Element der Einkommenssicherung der landwirtschaftlichen Betriebe“.

Unter dieser Voraussetzung empfiehlt der Beirat für Biodiversität (Artenvielfalt), für die Subventionen von den Landwirten anspruchsvolle Umweltleistungen zu verlangen – also nicht nur „Minimalstandards“ wie bislang. „Es sollte ein Punktesystem zur Bewertung der ökologischen Leistungen der Empfängerbetriebe eingeführt werden. Die Höhe der Direktzahlungen sollte von den erworbenen Punkten abhängen.“ Öko-Anforderungen gibt es auch im bestehenden System, aber sie haben den Wissenschaftlern zufolge kaum Fortschritte gebracht. Deshalb müsse die neue Agrarpolitik zu erheblichen Unterschieden bei der Höhe der Direktzahlungen für Betriebe führen, „die viel oder wenig für die biologische Vielfalt leisten.“

Genau das hat das seit Jahren von der Union geleitete Agrarministerium bei früheren Reformen erfolgreich bekämpft. Naturschutzverbände dagegen befürworten schon lange, die Direktzahlungen abzuschaffen oder zumindest die Umweltauflagen drastisch zu verschärfen.

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11 Kommentare

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  • Leute!

    Versucht doch einmal ohne die ganz große Verschwörung zwischen Bauern(-Verband), Politik und Industrie auszukommen. Deren Interessen könnten nicht weiter auseinander liegen.

     

    Der Bauer will naturgemäß beim Einkauf (Saatgut, Dünger etc.) niedrige Preise, also die Industrie im Preis Drücken. Beim Verkauf seiner Waren möchte er hohe Preise haben. Es werden Erzeugergemeinschaften oder Genossenschaften gegründet oder der eigene Betrieb soweit vergrößert, dass man gegenüber dem Handel stärker auftreten kann.

     

    Die Agrarindustrie will Ihre Produkte absetzen und Märkte erschließen. Sie versucht deshalb selbstverständlich auf Bauern und Politik einzuwirken.

     

    Die Politik - und hier kommen wir zu den Subventionen – will die Macht über allem behalten.Die Direktzahlungen sind in Wirklichkeit ein Steuerungselement, über das man quasi Zugriff auf jeden Quadratmeter Ackerland hat. Um diese Zahlungen zu bekommen, muss der Bauer sämtliche Betriebsdaten preisgeben: Jedes Jahr beim Amt anmelden, was er anbauen will. Düngebilanzen führen. Schränkeweise Aktenordner für den (EU-)Bürokratieapparat anlegen. Naturschutz ist auch daran gebunden (Brach-/Blühflächen/Greening).

     

    Zuallererst will die Politik aber eines: Die Nahrungsmittel so günstig halten wie es irgendwie geht. 1.Damit es sich alle leisten können und vor Allem 2.genug Kaufkraft für den Konsum zu haben.

     

    ICH BEHAUPTE: Keine Partei, auch nicht Grün, hat wirklich ein Interesse daran z.B. alles auf Bio umzustellen und dann für 100-200% höhere Preise verantwortlich zu sein.

     

    Sollte die Ökolobby sich durchsetzten wird man eher hier im Land alles auf Blumenwiesen umstellen, die heimische Landwirtschaft verdrängen und für die Supermärkte billige „Bio“Produkte aus Afrika/Südamerika holen.

    Ein paar „Kleinbauern“ wird man sich noch erhalten für Landschaftspflege, den Urlaub oder um ab und an am Markt regional korrekt ein Pfund Spargel zu holen.Für die Nachhaltigkeit!

     

    Diskutieren, aus welcher Säule nun mehr Geld kommt? Lächerlich!

  • Weiter unten schreibe ich, dass ich es nicht verstehe. Aber dennoch habe

    ich eine Ahnung, warum sich so viele Menschen die Förderung von Umweltvergiftung bieten lassen.

     

    Durch die alltägliche Gehirnwäsche (Werbung) wird der Verstand stark geschädigt und manipuliert. Daraus folgt ein Gier nach materiellem Wohlstand und da Gier auch "Hirn frisst" ist der Verdrängung Tür und Tor geöffnet!

    So denkt der einfache Mensch, der bei Lebensmittel was sparen möchte für die neue "Kutsche" oder die neue Einbauküche oder sonstigen Plunder, dann:

    "Krebs, das kriegen die anderen, mich wird's schon nicht treffen!"

    Dabei wird offenbar die eigene Familie, die Freunde und die Bekannten und erst recht fremde Menschen vergessen!

     

    Der Mensch möchte allermeist unbedingt dabei sein (Egal bei was!) und andere "abhängen" und

    das wissen die Werbepsychologen ganz genau.

     

    Das Gift auf den Feldern und im Grundwasser sieht fast niemand und riecht fast niemand.

    Das macht es zusätzlich leicht es zu verdrängen.

     

    Zudem warten viele Paare vergeblich auf ein Kind. Auch das liegt höchstwahrscheinlich an der hormonellen Wirksamkeit

    der Pestizide, Herbizide und Fungizide.

     

    Frau Klöckner gibt sich jedoch geflissentlich zuversichtlich und lebt den dumpfen Optimismus des Altkanzlers Hr. Kohl.

    Solche medienwirksamen Figuren helfen beim Verdrängungsprozess, solche Personen brauchen die Konzerne und das Großkapital.

  • So is Polletick!

    ...

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Sorry - falscher Titel. Es handelt sich ja keineswegs um kritische Gutachten -eher wohl Stellungnahmen.

    Es handelt sich um Alternativen, die gegen die führende politische Meinung stehen. Und die sollen eben verschwinden. Politisches Alltagsgeschäft. Das gilt vermutlich für die gesamte Subventionslandschaft. Da hilft nur fachkundig aufdecken und aufklären!

  • 8G
    84935 (Profil gelöscht)

    Wundert sich da irgend jemand? Der Filz aus Politik, Bauernverband und Agrar-(Dünge-Saatgut-Pflanzenschutz)-Konzernen besteht doch seit Jahrzehnten und die Lobbyisten der Großverdiener sitzen mittlerweile im Ministerium. Ist auch viel praktischer, dann zahlt der Staat für die Lobbyarbeit!

  • Offenbar ist das Bundeslandwirtschaftsministerium sehr ausgeprägt daran beteiligt, dass viele Menschen zu früh an Krebs sterben und dass die Vielfalt der Arten immer mehr schwindet. Die die oberflächlich betrachtet effizient arbeiten, die bekommen die meisten Fördergelder. Umwelt- und Tier-schonende Landwirtschaft kann einfach nicht so viele Erträge erwirtschaften

     

    Ich verstehe nicht, dass sich so viele die Förderung von Umweltvergiftung bieten lassen.

    • @tsitra:

      Bitte um Gegenvorschläge aktiv gegen das System zu sein, weil nur monieren hilft uns nicht,- wie schaut den der eigen Konsum und der der Liebsten aus?

      • @nolongerquiet:

        Gegenvorschläge machen die Umweltschutzorganisationen schon seit Jahrzehnten reichlich, das muss ich jetzt hier nicht machen.

         

        Jemand der vermutlich klüger war als ich, muss mal gesagt haben: "Sei Du selbst die Veränderung, die Du in der Welt sehen willst". Daran halte ich mich weitestgehend.

        Nicht uninteressant, dass Du "nolongerquiet" nach meinen Liebsten fragst. Ich frage mich, ob ich mich nach Deiner Ansicht von ihnen distanzieren sollte, falls sie nicht so konsequent kosumieren.

  • Mir scheint, Frau Klöckner behandelt die Bauern nicht anders, als die ihre Kühe behandeln. Naturnähe ist Mist, wenn sie die „Leistung“ schmälert, die sich an schierer Masse ablesen lässt. Kosten? Egal. Qualität? Ebenso. Nachhaltigkeit? Fehlanzeige. Vermutlich lassen die subventionierten Bauern ja auch ihre Kinder nicht aus dem Haus. Sie würden sonst nämlich Gefahr laufen, einer (un-)glücklichen Kuh zu begegnen – und daraufhin mit dem Nachdenken anzufangen. Und wer soll dann einmal den Hof übernehmen, für den man sich und seine Tiere bzw. seinen Boden so arg geschunden und für den man sie selber zum Ar…kriecher gemacht hat?

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Klöckner etwa verteidigt sie als „wesentliches Element der Einkommenssicherung der landwirtschaftlichen Betriebe“".

     

    Da die großen Unternehmen doch auch ohne die Subventionen keine Probleme bei der Einkommenssicherung haben, hört sich das zwar an wie die Sorge um das Einkommen der armen Bauern, ist aber Pflege der Agrarlobby. Diese CDU/CSU-Landwirtschaftsminister sind einfach sooo durchsichtig!

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Genau dies stärkt die Politikverdrossenheit und ist tödlich für die Demokratie.

    Sie wollen es nicht verstehen.