Moralische Pflicht zur Forschung

Die Direktorin des Überseemuseums, Wiebke Ahrndt, erklärt den deutschen Museen, wie sie mit ihren kolonialen und kolonialistischen Beständen angemessen verfahren. Problem: Es gibt zu wenig Geld

Einen Leitfaden, wie deutsche Museen, Privatleute und Universitäten mit kolonialistischen Beständen in ihren Sammlungen umgehen sollten, haben Deutscher Museumsbund und Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) vorgelegt. Verfasst hat ihn die Direktorin des Bremer Überseemuseums, Wiebke Ahrndt. Die Ethnologin hatte bereits 2013 die „Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten in deutschen Museen und Sammlungen“ konzipiert – den vielleicht dringlichsten unter den problematischen Sammlungsgütern.

Der neue „Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ hat grundlegendere Bedeutung: Fast alle Museumssparten in Deutschland besitzen Objekte, die in dieses Raster gehören. Oft ist ihre Herkunft völlig schleierhaft, die Aufzeichnungen in den Katalogen und Archiven der Museen sind durchweg lückenhaft und unsystematisch. Nach den Worten Grütters soll deshalb nun die Provenienzforschung „höchste politische Priorität“ erhalten. „Viel zu lange war die Kolonialzeit ein blinder Fleck in unserer Erinnerungskultur“, sagte Grütters.

Zwar haben die Empfehlungen keine rechtlich bindende Wirkung, Ahrndt betonte allerdings, es gebe eine moralische Pflicht, die Provenienzforschung voranzutreiben, also die genaue Herkunft von betroffenen Objekten zu klären. Wichtig sei auch die Digitalisierung der Bestände, um mit Herkunftsstaaten darüber ins Gespräch kommen zu können. Transparenz, Sensibilität und die Diskussion seien dabei entscheidend.

Weil dafür kein Geld bereitgestellt wird, gibt es entsprechende Forschungsprojekte in Deutschland bislang kaum: Finanziert von der Gerda-Henkel-Stiftung arbeitet Globalhistoriker Jürgen Zimmerer derzeit in Hamburg gemeinsam mit dem Völkerkundemuseum den riesigen Fundus an Kolonialfotografien auf. Und an Ahrndts Haus in Bremen untersuchen, mit Geldern der Volkswagenstiftung, drei Doktorand*innen aus Kamerun, Deutschland und Frankreich die Bestände der Afrika-Sammlung – abzüglich der Objekte aus Togo: Für die Erforschung dieser umfangreichsten Teilsammlung fehlten die Mittel. Dank Grütters bundespolitischer Prioritätensetzung.

Rückgabeforderungen sind infolge der Forschungen nur selten zu erwarten: Klassischerweise überwiegen in Ethnologica-Sammlungen Werkzeuge und Artefakte des täglichen Lebens. Grundsätzlich sollten sich Museen und Universitäten aber einer möglichen Rückgabe von Objekten nicht verschließen, so Ahrndt.

Das Bremer Museum hatte bereits im vergangenen Jahr auf Anfrage des Te-Papa-Museums in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington menschliche Überreste von Maori und Moriori zurückgegeben. Sammlungsbestände aus kolonialem Kontext sind laut Deutschem Museumsbund neben Objekten aus Kolonialzeiten auch Gegenstände, in denen sich koloniales Denken widerspiegelt. (epd/taz)